Im Rahmen der Eröffnung am 13. März vergibt die Diagonale’18 zum bereits elften Mal
den Großen Diagonale-Schauspielpreis für Verdienste um die österreichische Filmkultur.
Graz (diagonale) - Die Diagonale freut sich bekanntzugeben, dass diese Auszeichnung heuer an die unermüdliche
Ingrid Burkhard geht. Die Theater-, Film- und Fernsehschauspielerin wird den Preis, ein Kunstwerk, gestaltet von
der Künstlerin Toni Schmale, in Graz persönlich entgegennehmen.
„Man kann viel los werden, was man im normalen Leben nicht darf, weil man sich benehmen muss“, skizzierte Burkhard
einmal die Vorzüge ihres Berufsstandes. Burkhard, die heute getrost als Stück österreichische Film-
und TV-Geschichte beschrieben werden darf, gilt als bodenständig und allürenfrei, Eigenschaften, die
sie durch ihre gesamte Karriere von der Bühne bis zum Kino begleitet haben. Dass die Wiener Charakterschauspielerin
mit ihren 86 Jahren noch immer nicht an den Ruhestand denkt, ist eine Wohltat für die durch ihr variantenreich-kühnes
Spiel geprägte österreichische Szene.
„Was uns berührt ist die Authentizität ihres Spieles. Nie sucht sie die Pose oder Koketterie, nie die
Denunziation, nie die Verstellung. Und auch wenn Schauspiel Verstellung bedeuten kann, so verstellt Ingrid Burkhard
niemals den Weg zwischen ihren Rollen und ihrem Publikum. Ihre Figuren sind große und ganzheitliche Menschenuniversen.
Sie erscheinen uns immer so sehr real, dass wir sie alle gerne um uns glauben wollen. Immer direkt. Immer frontal,“
so die Jury in einem ersten Statement zum Großen Diagonale-Schauspielpreis 2018.
Ingrid Burkhard wurde 1931 in Wien geboren und begann nach ihrer Ausbildung am Wiener Max Reinhardt Seminar – dort
lernte sie auch ihren späteren Ehemann Hannes Siegl kennen – zuerst am Theater für Vorarlberg zu spielen.
Es folgten fast zwanzig Jahre der Engagements am Landestheater Linz, den Bühnen der Stadt Bonn sowie am Schauspielhaus
Zürich. Nach ihrer Rückkehr nach Wien im Jahr 1972 arbeitete sie unter anderem freischaffend am Theater
in der Josefstadt und am Burgtheater. Ihre Fernsehkarriere begann schließlich 1975 mit ihrer ersten Paraderolle
als Toni Sackbauer an der Seite von Karl Merkatz in der vom ORF produzierten Kultserie Ein echter Wiener geht nicht
unter. Eine Rolle, die nicht nur ihr berufliches Leben maßgeblich prägen sollte: „Die Leut' haben mich
auf der Straße angesprochen und oft gefragt, wie ich ein Leben mit einem derartigen Mann aushalte. Sie waren
dann erstaunt, wenn ich gesagt habe, dass ich mit dem Mundl nicht verheiratet bin.“
„Ingrid Burkhard hat in dieser Weise Figuren erschaffen, voller Wärme und Starrsinn, manchmal still, manchmal
nicht, unbeugsam, gelassen energisch, mit wachsamen Augen, die tadeln und lieben. Intuitiv gerecht und bitte niemals
unpolitisch. Sie erfindet so Menschen, an die man sich halten will und kann und soll. Das ist zu allen Zeiten aktuell,“
so die Jury des Großen Diagonale-Schauspielpreises 2018 über die Preisträgerin.
Neben ihren zahlreichen Bühnenengagements, die sie vor allem in der Anfangszeit so oft wie möglich gemeinsam
mit ihrem Ehemann beging, hat Burkhard eine so vielseitige wie umfangreiche Filmografie vorzuweisen. Nach Auftritten
im Österreich-Tatort Urlaubsmord (R: Peter Weck, AT 1975), dem für den Auslandsoscar nominierten Spielfilm
38 – Auch das war Wien (R: Wolfgang Glück, AT/DE 1986) und Qualtingers Wien (R: Harald Sicheritz, AT 1997)
begeisterte sie als schlagfertige Imbiss-Rosi in Wolfgang Murnbergers Kinoadaption des Wolf Haas-Romans Komm, süßer
Tod (AT 2000). In den TV-Produktionen Da wo die Berge sind und Da wo die Liebe wohnt (R: Kurt Ockermüller,
DE/AT 2000 und 2003) mimte sie als Irmi Sandgruber die zentrale Rolle der Mutter der von Hansi Hinterseer verkörperten
Hauptfigur. 2008 und 2010 brachte Toni Sackbauer sie schließlich auch ins Kino. Echte Wiener – Die Sackbauer-Saga
(Diagonale’09) von Kurt Ockermüller und Echte Wiener 2 – Die Deppat’n und die Gspritzt’n (Diagonale’11) von
Barbara Gräftner waren wenig überraschend Publikumserfolge. In Nikolaus Leytners zweifach mit dem Deutschen
Fernsehpreis sowie dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichneten Drama Ein halbes Leben (DE/AT 2008) spielte sie nach
Komm, süßer Tod erneut an der Seite von Josef Hader. Im hochrangig besetzten und bei der Diagonale’14
gezeigten Landkrimi Die Frau mit einem Schuh (R: Michael Glawogger, AT 2014) hatte sie eine Nebenrolle inne, in
Antonin Svobodas Drei Eier im Glas (AT 2015) war sie schließlich als Dragan Kuhls (Christoph Grissemann)
Mutter zu sehen.
Im Jahr 2011 wurde Ingrid Burkhard im Rahmen einer Festvorstellung in den Wiener Kammerspielen anlässlich
ihres 80. Geburtstags das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich verliehen.
Zuletzt war Burkhard als Ex-Frau Annegret in Maren Ades für den Auslandsoscar nominiertem Welterfolg Toni
Erdmann (DE/AT 2016) sowie Ronny Trockers Die Einsiedler (DE/AT 2016) zu sehen. Beide Spielfilme wurden auch bei
der Diagonale’17 gezeigt. In letzterer, international mehrfach ausgezeichneter Produktion spielte Ingrid Burkhard
großartig und beeindruckend die abgeschieden lebende Bergbäuerin Marianne, die Mutter des von Andreas
Lust verkörperten Protagonisten Albert. Die düster-archaische Grundstimmung, die sich darin nicht zuletzt
auch auf den Habitus der Figur Burkhards überträgt, steht im Kontrast zu den heiter-frivolen Settings
ihrer früheren Arbeiten und ist somit zugleich bildhafter Ausdruck ihres schauspielerischen Repertoires. Eine
späte Meisterinnenrolle.
Auf der Diagonale’18 wird Ingrid Burkhard überdies im Rahmen des historischen Specials
Kein schöner Land zu sehen sein: Lukas Stepaniks ORF-Serienpilot Jugendliebe – Wem Gott schenkt ein Häschen
(AT 1983) richtet den Blick auf Sequenzen nicht unbeschwerten Erwachsenwerdens auf dem österreichischen Land
der frühen 1980er-Jahre und zeigt die Preisträgerin des Großen Diagonale-Schauspielpreises 2018
als konservative Familienmutter. Eine Perle aus dem ORF-Archiv zwischen Katholizismus, Italienurlaub, erster Liebe,
Schwangerschaft, Dorfdisco und bröckelnden Weltbildern.
Ein Kunstwerk für Ingrid Burkhard
Die Preisträgerin des Großen Diagonale-Schauspielpreises 2018 erhält ein Kunstwerk, gestaltet
und gestiftet von Toni Schmale (geb. 1980 in Hamburg), ermöglicht durch legero united – the shoemakers | con-tempus.eu.
Die in Wien lebende Künstlerin wurde unter anderem mit dem Otto-Mauer-Preis und dem Birgit-Jürgenssen-Preis
ausgezeichnet. Sie studierte Medienkunst in Leipzig und an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo sie
sich auf performative Kunst und Bildhauerei spezialisierte. Toni Schmales Arbeiten sind hintergründige Studien,
die eine radikale Kritik an sozialen Machtverhältnissen mit ihren stereotypen Geschlechterkonstruktionen und
Erzählungen formulieren. Ihre Objekte – Fitnessgeräte, Folterinstrumente, Sexspielzeuge – sind ironische
Überzeichnungen, die diese gesellschaftlichen Grenzen durchbrechen.
Schauspiel-Jury 2018
Verena Altenberger (Schauspielerin, Preisträgerin Diagonale-Schauspielpreis 2017)
Ute Baumhackl (Ressortleiterin Kultur & Medien, Kleine Zeitung)
Wolfram Berger (Schauspieler, Vertretung VdFS)
Christian Konrad (Ressortleiter Film, ORF)
Markus Schleinzer (Schauspieler, Regisseur)
Die Vergabe des Großen Diagonale-Schauspielpreises 2018 an Ingrid Burkhard erfolgt im Rahmen der festlichen
Eröffnung der Diagonale am 13. März um 19.30 Uhr in der Grazer Helmut List Halle.
Bisherige Preisträger/innen Großer Diagonale-Schauspielpreis
Johannes Krisch (2017), Erni Mangold (2016), Tobias Moretti (2015), Georg Friedrich (2014), Maria Hofstätter
(2013), Johannes Silberschneider (2012), Senta Berger (2011), Klaus Maria Brandauer (2010), Josef Hader (2009),
Karl Markovics (2008)
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