EU-Entsenderichtlinie: Jongerius setzt
 auf Österreich als Brückenbauer

 

erstellt am
19. 02. 18
13:00 MEZ

EP-Berichterstatterin informiert ParlamentarierInnen über aktuellen Verhandlungsstand
Brüssel/Wien (pk) - Nach dem im vergangenen Herbst verkündeten prinzipiellen Kompromiss der EU-Arbeits- und Sozialminister im Streit um die Überarbeitung der Entsenderichtlinie informierte EP-Berichterstatterin Agnes Jongerius am 16. Feber ParlamentarierInnen über den aktuellen Verhandlungsstand in der Union. Unter dem Juncker-Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" soll die Überarbeitung der Richtlinie insbesondere Lohn- und Sozialdumping entgegensteuern und fairen Wettbewerb bringen. Über einige Punkte sind sich Rat und Parlament allerdings noch nicht einig, insbesondere osteuropäische Mitgliedsländer wehren sich gegen die Pläne. Kommission, Rat und die EU-Abgeordneten müssen nun in den Trilogverhandlungen eine Lösung finden. Jongerius hofft dabei auf Österreich als Brückenbauer, etwa bereits beim nächsten Treffen der EU-Arbeits- und Sozialminister Mitte März.

Soll es noch vor den Europawahlen im Mai 2019 eine Einigung geben und die Bulgaren die Verhandlungen nicht zu einem Abschluss bringen können, landen diese "auf dem österreichischen Teller", sagte Jongerius. Aber auch ohne Entsenderichtlinie könnte es für den österreichischen Ratsvorsitz in Sachen EU-Beschäftigungspolitik einiges zu tun geben. Die Kommission wird Jongerius zufolge am 7. März nämlich zwei neue Vorschläge vorlegen, in denen es zum einen um die Schaffung einer Europäischen Arbeitsagentur, zum anderen um die Einführung einer europäischen Sozialversicherungsnummer – ähnlich der internationalen Bankkontennummer – gehen wird. Zudem gibt es Pläne für eine Koordinierung der Sozialversicherungssysteme innerhalb der EU. Sollte es unter österreichischem Vorsitz zu einem Abschluss der Entsenderichtlinie kommen, könnte sich Jongerius den Standort für die EU-Arbeitsagentur in Wien vorstellen. Auch aufgrund seiner geografischen Lage wäre dafür Österreich als eines der größten Empfängerländer von ausländischen entsendeten ArbeitnehmerInnen ein guter Kandidat.

Die Verhandlungen beschrieb Jongerius als "Drahtseilakt". Worüber sich Rat und Parlament bereits prinzipiell geeinigt haben, ist die Entlohnung. So sollen entsandte ArbeitnehmerInnen aus anderen EU-Ländern künftig anstelle des Mindestlohns dasselbe ausbezahlt bekommen, wie ihre einheimischen KollegInnen, Referenzbasis sind die Kollektivverträge. Bei den Spesen und Vergütungen gebe es eine zweite, provisorische Vereinbarung. Zurzeit würden ArbeitgeberInnen oft die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung vom Nettogehlt der entsendeten ArbeitnehmerInnen abziehen. Dem soll ein Riegel vorgeschoben werden. Grundsätzlich versuche das Parlament, strengere Regeln in die Richtlinie zu bringen, der Rat versuche wiederum, die Vorschläge der Kommission aufzuweichen. Strittige Punkte betreffen etwa noch die Entsendedauer, Unterauftragsketten oder das Thema der dual-rechtlichen Grundlage. Geht es um die Mindest-Entsendungsdauer, tritt das Parlament für 24 Monate ein, die Verhandlungen mit dem Rat schwanken derzeit zwischen 12 und 18 Monaten. Eine Einigung gibt es hier noch nicht. Ausnahmeregelungen soll es in der Richtlinie außerdem für den Transportsektor geben.

SPÖ und FPÖ stehen Vorschlägen im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping positiv gegenüber
"In der Praxis kommt es bei Entsendungen immer häufiger zu Lohn- und Sozialdumpung. Hier dürfen wir als europäische Union nicht zusehen. Ich hoffe, dass es bald zu einem Abschluss kommt", fasste Josef Muchitsch die Position der SPÖ zusammen. Österreich habe in den letzten Jahren umfassende Gesetze gegen Lohn- und Sozialdumping beschlossen, woran es aus seiner Sich allerdings scheitert, ist die Vollziehung der Strafen. Diese würde an Österreichs Staatsgrenze enden. Wichtig wäre aus Sicht der SPÖ demnach insbesondere eine europaweite Möglichkeit zur Umsetzung der Sanktionen. Nach Meinung Muchitsch sollten neben dem Grundgehalt außerdem auch die Lohnnebenkosten angeglichen werden. "Nur dann kann man von einem fairen Arbeitsmarkt sprechen".

Die Entsenderichtlinie ist im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping für Muchitsch aber noch kein Auslangen. Er plädiert für eine Europäische Arbeitsagentur "mit Zähnen". Es brauche einen Schiedsrichter am Arbeitsmarkt, so Muchitsch. Seine Fraktionskollegin Doris Margreiter setzt sich dafür ein, durch die Reform der Entsenderichtlinie Fairness für Unternehmen innerhalb der Union zu schaffen. Zum Großteil würden aktuell nämlich insbesondere Großkonzerne von den Regelungen profitieren.

Auch aber nicht ganz so positiv steht die FPÖ der Überarbeitung der EU-Entsenderichtlinie gegenüber. In erster Linie gehe es um den Schutz heimischer Betriebe und heimischer Arbeitsplätze, die Freiheitlichen würden alles unterstützen, was in diese Richtung geht, sagte Abgeordneter Robert Lugar. Insbesondere in der Baubranche habe Österreich mit ausländischen Firmen zu kämpfen, die mit ganz anderen Möglichkeiten konkurrieren würden. "Wir wollen unsere Firmen und Arbeitsplätze schützen", so der Mandatar. Eine Ausnahmeregelung ist für ihn eher im Pflegebereich als im Transportsektor notwendig.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
https://www.parlament.gv.at

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Die Nachrichten-Rubrik "Österreich, Europa und die Welt"
widmet Ihnen der
Auslandsösterreicher-Weltbund

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at