Wien (mak) - Eine Brücke zwischen Gestern und Heute, zwischen Ost und West schlägt die MAK-Ausstellung
"ADRIANA CZERNIN. Fragment" ab 18. April 2018 in der MAK GALERIE. Ausgehend von der Rosette für
das Minbar der Ibn-Tulun-Moschee in Kairo aus dem Jahr 1296, einem Meisterwerk aus der Mamluken-Zeit, entwickelte
die Künstlerin Adriana Czernin (geb. 1969) eine Werkserie, die verschiedene Aspekte geometrischer Konstruktion
thematisiert. Sie versteht das Ornament dabei als eine Metapher für kulturelle, gesellschaftliche und persönliche
Verstrickungen. Die raumgreifende Installation im MAK zeigt die in Acryl, Buntstift und Bleistift ausgeführte
Zeichnungsserie in einer Gegenüberstellung mit dem geschnitzten und intarsierten Fragment der Rosette, das
sich seit 1907 in der Sammlung des MAK befindet.
Erste Berührungspunkte der Künstlerin mit diesem Hauptwerk der ägyptischen Kunstgeschichte gab es
bereits im Jahr 2014. Czernin entwickelte damals auf Einladung des MAK die großformatige Bleistiftzeichnung
"Nach Ibn-Tulun", sozusagen die Initialzündung zur Werkserie. Daraus resultierten streng geometrische
Arbeiten, die Verbindungen zwischen zentralen Punkten durch Linien suchen. "Um das Verlorengegangene wiederzufinden,
habe ich alle vorhandenen Punkte und Linien miteinander verbunden. Unter meinem Lineal ist ein neues Netz voller
Beziehungen, fast konspirativer Zusammenhänge entstanden", so Adriana Czernin.
Neben der Strenge des Systems mit all seinen Symmetrien und Wiederholungen geht die Künstlerin möglichen
Asymmetrien nach. Durch das bewusste Entfernen einiger Ornamentteile entsteht eine dynamische Komposition aus scheinbar
freien Formen, die sich über den Bildraum ausbreiten und andere Elemente durchqueren oder durchbohren. Im
Unterschied zu Adriana Czernins früheren Arbeiten, in denen Ornamentales oft mit weiblichen, expressiven Figurationen
interagiert, ist die in der MAK-Ausstellung "Fragment" präsentierte Werkserie strikt geometrisch
aufgebaut.
Konstruktion und Dekonstruktion – das Befolgen strenger Regeln, aber auch deren Durchbrechung und Unterwanderung
sind Komponenten von Czernins intensiver Arbeit mit dem Ornamentalen. Abgesehen von der streng formalen Auseinandersetzung
mit der Formensprache des historischen Relikts konzentriert sich Czernin auf die Funktion des Ornaments als Träger
von Tradition und Religion und verweist somit auf die transzendente Bedeutung im religiösen Zusammenhang.
Das Aufgehen des Individuums in der Unendlichkeit der Ordnung, die mögliche Versenkung im Rausch optischer
Wahrnehmung sowie die Funktion des Ornamentalen als Weg zur Kontemplation sind inhärente Themen ihrer Werkserie.
Minbar der Ibn-Tulun-Moschee in Kairo
Die Ibn-Tulun-Moschee in Kairo wurde zum Ende des 9. Jahrhunderts errichtet und unter Sultan Lagin 1296 renoviert
und erneuert. Eine der wichtigsten Möblierungen einer Moschee ist das Minbar, ursprünglich ein erhöhter
Sitz, der als Kanzel verwendet wird, aber auch als "Thron Mohammeds" symbolische Bedeutung hat. So erklären
sich kostbare Ausführungen in Stein- oder Holzeinlegearbeiten. Das Minbar der Ibn-Tulun-Moschee gehörte
zu den kostbarsten seiner Art weltweit. Teile der reichen Holzverkleidung wurden auf der Pariser Weltausstellung
1867 als eines der bedeutendsten Werke ägyptischen Kunstgewerbes ausgestellt. Im Anschluss gelangten die Fragmente
in zahlreiche europäische Sammlungen. Die größten zusammenhängenden Ornamentfelder befinden
sich heute im Victoria and Albert Museum in London sowie im MAK in Wien.
Adriana Czernin wurde 1969 in Sofia geboren und lebt und arbeitet seit 1990 in Wien und Rettenegg (Steiermark).
Sie absolvierte 1998 die Klasse für Freie Grafik an der Universität für angewandte Kunst Wien. Neben
diversen Einzelausstellungen, unter anderem in der Galerie Martin Janda, Wien, der Struktura Gallery, Sofia (2017),
und im Institute for Contemporary Art, ATA Center, Sofia (2003), waren ihre Arbeiten außerdem in Gruppenausstellungen
im LENTOS, Linz (2017), im 21er Haus, Wien (2017, 2013), in der Albertina, Wien (2012, 2011, 2008, 2004), im Belvedere,
Wien (2009), im Austrian Cultural Forum New York (2009), im Kunsthaus Baselland, Basel (2004), und im Massachusetts
Museum of Contemporary Art, North Adams, MA (2002) zu sehen.
2014 entwickelte sie die großformatige Bleistiftzeichnung "Nach Ibn-Tulun" für die Themeninsel
"Ornament" des MAK DESIGN LABOR, die sich seither in der MAK-Sammlung befindet.
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