Juncker präsentiert Ideen für eine effizientere Europäische Union
Brüssel/Berlin (ec) - Vor dem informellen Gipfel am 23. Februar hat die Europäische Kommission
am 14. Feber eine Reihe praktischer Schritte dargelegt, die die Arbeit der Europäischen Union effizienter
machen und die Verbindung zwischen den EU-Spitzen und den europäischen Bürgern verbessern könnten.
Die Parteien sollten ihre Spitzenkandidaten für die Europawahlen bereits 2018 nominieren: „Ich war das Versuchskaninchen
2014“, sagte Präsident Juncker vor Journalisten in Brüssel. Das Spitzenkandidatensystem solle fortentwickelt
werden und der Wahlkampf früher beginnen, damit die Spitzenkandidaten in allen Mitgliedstaaten Debatten führen
könnten. Juncker steht auch der Idee transnationaler Listen bei den Europawahlen aufgeschlossen gegenüber.
„Mit dem Bratislava-Fahrplan, der Erklärung von Rom und jetzt der Agenda der EU-Führungsspitzen hat sich
Europa zu Recht darauf konzentriert, eine Union zu schaffen, die in den Fragen, die ihren Bürgern wirklich
wichtig sind, konkrete und greifbare Ergebnisse liefert. Diesen Weg müssen wir weitergehen“, sagte Juncker.
„Ich habe immer gesagt, dass es zunächst um die Funktion und dann erst um die Form gehen sollte – und jetzt
ist nicht die Zeit für langwierige Diskussionen über institutionelle Reformen oder Änderungen der
Verträge. Es gibt aber eine Reihe von Schritten, mit denen wir unsere Arbeit im Hinblick auf die Verwirklichung
unserer wichtigsten Prioritäten noch effizienter machen können. Der Möglichkeiten gibt es viele,
das Ziel muss aber immer dasselbe sein: ein Europa, das hält, was es verspricht.“
Spitzenkandidaten: Ausbau des Spitzenkandidatensystems von 2014
Der Wahlprozess von 2014 hat die Beziehungen zwischen den drei EU-Organen gestärkt und die Effizienz ihrer
Arbeit gesteigert. Er hat ihnen geholfen, sich für die fünfjährige Amtszeit auf ein gemeinsames
Arbeitsprogramm zu verständigen. Dies hat es der Juncker-Kommission ermöglicht, ihre Arbeiten politischer
auszurichten, sich auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen die Union die besten Ergebnisse erzielen kann, und
alles Übrige den Mitgliedstaaten zu überlassen.
In seiner Rede zur Lage der Union 2017 erklärte Präsident Juncker, dass das Experiment der Aufstellung
von Spitzenkandidaten von 2014 fortgesetzt werden sollte. Heute legt die Europäische Kommission dar, wie der
Prozess verbessert werden könnte, und zwar im Rahmen der bestehenden Verträge und ohne das Gleichgewicht
zwischen den EU-Organen und zwischen den Mitgliedstaaten anzutasten. Dazu gehört‚ die politischen Parteien
zu einer früheren Nominierung ihrer Spitzenkandidaten (bis Ende 2018) und zu einem früheren Beginn des
Wahlkampfes aufzurufen. Dies würde den Wählern mehr Gelegenheit bieten, sich mit den Kandidaten und den
von ihnen vertretenen politischen Programmen vertraut zu machen.
Außerdem empfiehlt die Kommission, die Verbindungen zwischen nationalen Parteien und europäischen Parteien
besser sichtbar zu machen. Die auf nationaler Ebene tätigen politischen Parteien sollten transparenter in
Bezug darauf werden, welchen europäischen Parteien sie angehören, indem sie z. B. deren Logos im Wahlkampfmaterial
und in den Wahlunterlagen verwenden. Sie sollten auch zu wichtigen europäischen Fragen eindeutig Stellung
beziehen und sich klar dazu äußern, welcher Fraktion im Europäischen Parlament sie sich anzuschließen
gedenken und wen sie als Präsidenten der Europäischen Kommission befürworten.
Zusammensetzung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission
Die Staats- und Regierungschefs müssen im Europäischen Rat – auf Vorschlag des Europäischen Parlaments
– über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments für die Wahlperiode 2019–2024 beschließen
und entscheiden, was aus den Sitzen wird, die durch den Austritt des Vereinigten Königreichs frei werden.
Eine Möglichkeit wäre, einen Teil dieser Sitze für einen transnationalen Wahlkreis zu reservieren.
Das Europäische Parlament hat in seiner jüngsten Entschließung (vom 7. Februar) zwar nicht die
Schaffung eines transnationalen Wahlkreises gefordert, aber die Tür für künftige Gespräche
offengelassen. Einige Mitgliedstaaten bekundeten kürzlich ihre Unterstützung für diese Idee, während
andere ihre Ablehnung zum Ausdruck brachten. Ein transnationaler Wahlkreis könnte die europäische Dimension
der Wahlen stärken, denn er gäbe den Kandidaten die Möglichkeit, sich an mehr Bürger in ganz
Europa zu wenden. Andererseits vertreten Parlamentsabgeordnete normalerweise die Wähler, die sie auf örtlicher
oder nationaler Ebene gewählt haben, und stehen mit ihnen im Gespräch, sowohl aus Gründen der Rechenschaftspflicht,
als auch um die Anliegen ihrer Wählerschaft geltend zu machen. Die Kommission steht der Idee transnationaler
Listen aufgeschlossen gegenüber. Dies würde jedoch nicht nur die einstimmige Zustimmung des Rates, sondern
im nächsten Jahr auch Änderungen des Wahlrechts in allen 27 Mitgliedstaaten erforderlich machen, die
rechtzeitig zu den Wahlen 2019 in Kraft treten müssten.
Nach einem Beschluss des Europäischen Rates vom 22. Mai 2013 besteht die Kommission derzeit aus 28 Mitgliedern,
einem aus jedem Mitgliedstaat. Vor der Einsetzung der nächsten Europäischen Kommission werden die Staats-
und Regierungschefs zu entscheiden haben, ob die Kommission weiterhin ein Mitglied pro Mitgliedstaat haben soll
oder ob sie verkleinert werden soll. Eine kleinere Exekutive könnte theoretisch effizienter funktionieren,
wäre leichter zu führen und würde eine ausgewogenere Verteilung der Zuständigkeiten unter ihren
Mitgliedern ermöglichen. Eine kleinere Kommission würde allerdings auch bedeuten, dass einige Mitgliedstaaten
auf der politischen Ebene des Organs nicht mehr vertreten wären, wodurch der Vorteil eines direkten politischen
Kommunikationskanals zu ihren Bürgern und nationalen Behörden verloren ginge.
Eine doppelte Präsidentschaft der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates
In seiner Rede zur Lage der Union 2017 erwähnte Präsident Juncker erstmals die Idee einer doppelten Präsidentschaft.
Eine einzige Person, die beide Ämter – Präsident des Europäischen Rates und Präsident der Europäischen
Kommission – bekleidet, könnte die Struktur der Union effizienter machen. Dies wäre im Rahmen der bestehenden
Verträge möglich. Eine solcher „doppelter Hut“ würde keine Verschmelzung der beiden Organe erfordern.
Der Präsident der Europäischen Kommission ist ohnehin bereits Mitglied des Europäischen Rates, und
keiner der beiden Präsidenten verfügt über ein Stimmrecht im Europäischen Rat; beide beraten,
liefern Beiträge aus der Arbeit ihrer jeweiligen Dienststellen und helfen Brücken zu bauen und Gemeinsamkeiten
auszuloten.
Bürgerdialoge
Die Europäische Kommission organisiert regelmäßig Bürgerdialoge unter Beteiligung von
Mitgliedern der Kommission, des Europäischen Parlaments und nationaler Regierungen sowie mit Vertretern lokaler
und regionaler Behörden und der Zivilgesellschaft. Fast 500 solcher interaktiven öffentlichen Debatten
fanden seit 2012 an mehr als 160 Orten statt, und die Kommission wird ihre Häufigkeit bis zu den Europawahlen
im Mai 2019 noch steigern, sodass etwa 500 weitere Veranstaltungen durchgeführt werden. Die Kommission begrüßt
auch die Initiativen einzelner Mitgliedstaaten, die selbst Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern
über die Zukunft Europas organisieren, und ist bereit, ihre Unterstützung anzubieten, wo immer sie kann,
z. B. durch Verknüpfung dieser Initiativen mit der Online-Konsultation zur Zukunft Europas, die bis zum 9.
Mai 2019 laufen könnte. Die Kommission wird den Nutzen dieser Erfahrungen mit den Mitgliedstaaten teilen.
Hintergrund
Die heute vorgeschlagenen Ideen und Möglichkeiten sind eine direkte Folgemaßnahme zu dem Bericht der
Europäischen Kommission (vom 8. Mai 2015) über die Wahlen zum Europäischen Parlament 2014, in dem
gefordert worden war, die Möglichkeiten zur weiteren Stärkung der europäischen Dimension und der
demokratischen Legitimität der Beschlussfassung der EU auszuloten und die Gründe für die anhaltend
geringe Wahlbeteiligung in einigen Mitgliedstaaten weiter zu prüfen und anzugehen.
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