Es braucht ein Dorf

 

erstellt am
13. 02. 18
13:00 MEZ

WissenschaftlerInnen entwickeln Unterstützungsmaßnahmen für Kinder von psychisch erkrankten Eltern – Medizinische Universität Innsbruck und Ludwig Boltzmann Gesellschaft richten internationale Forschungsgruppe und Modellregion in Tirol ein
Wien/Innsbruck (lbg/im--med) - Das afrikanische Sprichwort "It takes a village to raise a child" veranschaulicht, dass die Verantwortung für das gesunde Heranwachsen eines Kindes in den Händen von vielen AkteurInnen liegt - neben den Eltern und der Familie auch etwa bei LehrerInnen, SporttrainerInnen, MusikschullehrerInnen, BetreuerInnen oder KinderärztInnen.

Dieses Sprichwort hat sich die Forschungsgruppe "Village - How to raise the village to raise the child", die aus der Open-Innovation-in-Science-Initiative der Ludwig Boltzmann Gesellschaft entstanden ist und an der Medizinischen Universität Innsbruck verankert sein wird, als Leitmotiv genommen.

"Ein ganz wichtiges Projekt, das spezifisch Kindern und Jugendlichen mit psychisch erkrankten Eltern helfen soll. Diese stehen sehr oft unter einem enormen Leidensdruck, der häufig viel zu spät erkannt wird. In der Ludwig Boltzmann Gesellschaft fanden wir einen kompetenten Partner, um geeignete Maßnahmen zur Unterstützung der Betroffenen zu entwickeln", so W. Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck.

"Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren guten Netzwerken zur Förderung von Kinder- und Jugendgesundheit ist der ideale Partner, um die Forschungsgruppe 'Village' in Tirol als Modellregion zu verankern", sagt Claudia Lingner, Geschäftsführerin der Ludwig Boltzmann Gesellschaft.

Kinder von psychisch erkrankten Eltern - früh erkennen und bestmöglich unterstützen
Die Zielgruppe für "Village" sind Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, deren Eltern psychisch erkrankt sind. Denn Kinder mit psychisch erkrankten Eltern sind einerseits einer besonders großen Belastung ausgesetzt, was von ihrem Umfeld oft zu spät erkannt wird, und andererseits besonders gefährdet, später selbst psychisch oder physisch zu erkranken und schlechtere Chancen bei ihrer Ausbildung und am Arbeitsmarkt zu haben.

Die Forschungsgruppe "Village" hat mit Februar ihre Arbeit aufgenommen und nimmt alle Personengruppen in den Blick, die mit Kindern und Jugendlichen interagieren. Für diese Bezugspersonen und mit ihnen sollen Maßnahmen, etwa spezielle Trainings, entwickelt werden, wie sie gefährdete Kinder früh erkennen, sie am besten unterstützen und sie mit der passenden professionellen Anlaufstelle zusammenbringen. Durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure - vom Kindergartenpädagogen bis zur Sporttrainerin - werden auch neue informelle Netzwerke geschaffen.

Die Maßnahmen, wie man betroffene Kinder früh erkennt und richtig unterstützt, werden gemeinsam mit bestehenden Strukturen wie Schulen, PatientInnenorganisationen, Kliniken, Therapie- und Beratungszentren sowie mit den Kindern und ihren Bezugspersonen entwickelt und in Tirol als Modellregion implementiert. Mit der aktiven Einbindung der Stakeholder und Betroffenen sollen diese gleichzeitig bestmöglich vernetzt werden.

Dieser gesamte Prozess wird von einer Evaluierung begleitet und in einer Empfehlung für Richtlinien münden. In den Richtlinien soll festgelegt werden, welche Rahmenbedingungen und Versorgungsstrukturen notwendig sind, damit vulnerable Kinder frühzeitig erkannt werden und professionelle Unterstützung erhalten.

Ideas Lab und Crowdsourcing-Initiative als Ideengeber für "Village"
Die Forschungsgruppe "Village" wird von der australischen Sozialwissenschaftlerin und Expertin für Kinder- und Jugendgesundheit Jean Paul geleitet, die dafür vom Murdoch Children's Research Institute in Melbourne und der University of Melbourne nach Innsbruck kommt. Zu Beginn arbeiten sieben WissenschafterInnen aus sechs verschiedenen Ländern von Australien bis Pakistan zusammen; fachlich haben sie einen psychologischen, gesundheitsökonomischen und sozialwissenschaftlichen Hintergrund. Im Laufe des Jahres soll das Team auf insgesamt zwölf WissenschaftlerInnen anwachsen.

"Das Projekt ist so aufregend, weil wir in einem internationalen und interdisziplinären Team gemeinsam auf das gleiche Ziel hinarbeiten: Wir wollen Kinder mit psychisch erkrankten Eltern möglichst früh identifizieren, ihre Erfahrungen verstehen und sie bestmöglich unterstützen", so Jean Paul, Leiterin der Forschungsgruppe "Village".

Über die gesamte Projektlaufzeit von vier Jahren hinweg werden Open-Innovation-in-Science-Methoden eingesetzt. Das bedeutet, dass die Forschungsarbeit gezielt für die Öffentlichkeit geöffnet wird und Betroffene mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung eingebunden werden. Das Team der Forschungsgruppe wird zu diesem Zweck auch geschult, wie Open-Innovation-Methoden möglichst effizient und sinnvoll in der Wissenschaft angewendet werden können.

Die Auswahl des Themas "Gesundheit von Kindern mit psychisch erkrankten Eltern" geht auf eine Crowdsourcing-Initiative der Ludwig Boltzmann Gesellschaft mit dem Namen "Reden Sie mit!" aus dem Jahr 2015 zurück, bei der Betroffene und ExpertInnen gezielt in die Entwicklung von Forschungsfragen einbezogen wurden. Im Mai 2017 veranstaltete die LBG als weitere Open-Innovation-in-Science-Maßnahme ein fünftägiges "Ideas Lab", bei dem WissenschafterInnen aus verschiedenen Disziplinen und Nationen eingeladen wurden, gemeinsam Konzepte für Forschungsgruppen zu erarbeiten. Aus dem "Ideas Lab" gingen das Konzept und das Team für "Village" hervor.

Ludwig Boltzmann Gesellschaft
Die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG) ist eine Forschungseinrichtung mit thematischen Schwerpunkten in der Medizin und den Life Sciences sowie den Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften und stößt gezielt neue Forschungsthemen in Österreich an. Die LBG betreibt zusammen mit akademischen und anwendenden Partnern aktuell 19 Ludwig Boltzmann Institute und entwickelt und erprobt neue Formen der Zusammenarbeit zwischen der Wissenschaft und nicht-wissenschaftlichen AkteurInnen wie Unternehmen, dem öffentlichen Sektor und der Zivilgesellschaft. Gesellschaftlich relevante Herausforderungen, zu deren Bewältigung Forschung einen Beitrag leisten kann, sollen frühzeitig erkannt und aufgegriffen werden. Teil der LBG sind das LBG Open Innovation in Science Center, das das Potenzial von Open Innovation für die Wissenschaft erschließt, das LBG Career Center, das 200 Pre- und Postdocs in der LBG betreut, und zwei neue Forschungsgruppen zum Thema psychische Gesundheit von Kindern. In der Ludwig Boltzmann Gesellschaft sind insgesamt 550 MitarbeiterInnen beschäftigt.

Medizinische Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.000 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden. Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium "Molekulare Medizin" an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium "Molekulare Medizin" absolviert werden. Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Infektion, Immunität und Transplantation, Neurowissenschaften, Onkologie sowie Genetik-Epigenetik-Genomik. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.

 

 

 

Weitere Informationen:
http://www.lbg.ac.at
http://www.ois.lbg.ac.at
http://www.i-med.ac.at

 

 

 

 

 

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