Paris/Wien (kiesler) - Die mit 55.000 Euro dotierte Auszeichnung wird abwechselnd alle zwei Jahre von der Republik
Österreich und der Stadt Wien „für herausragende Leistungen im Bereich der Architektur und der Künste,
die den experimentellen und innovativen Auffassungen Friedrich Kieslers und seiner Theorie der ,correlated arts‘
entsprechen“, vergeben (Statuten des Friedrich Kiesler-Preises).
Die internationale Jury des Friedrich Kiesler-Preises 2018 würdigt mit Yona Friedman „einen Giganten unter
den Architekten, der außerordentlich anerkannt ist unter etablierten Vertreter*innen der Profession genauso
wie unter Fachleuten am Beginn ihrer Karriere. Während seines gesamten Berufslebens von mehr als sechs Jahrzehnten
war er kompromisslos in seiner Präzision und visionär in seinem Denken. Bis heute ist er enorm einflussreich
als Architekt ,realisierbarer Utopien‘, als Stadttheoretiker, Designer und Lehrender.
Friedmans Konzepte von Architektur sind eng mit der Dynamik von sozialen Strukturen und der Veränderlichkeit
der Bedürfnisse von Nutzer*innen verbunden. Diese Themen, die er seit dem Beginn seiner Arbeit betont, gewinnen
in den heutigen Tagen, bedingt durch die derzeitigen Entwicklungen der Migration und einer Art von neuem Nomadentum,
immer mehr an Bedeutung. Sein eigener biografischer Hintergrund als Migrant ist Grund dafür, dass seine Ideen
und sein Engagement für eine zutiefst menschliche Architektur und Gesellschaft auf existenziellen Erfahrungen
basieren und daher sein Werk auch als ein politisches qualifiziert.“ (Auszug aus der Begründung der Jury)
Der Österreichische Friedrich Kiesler-Preis für Architektur und Kunst 2018 wird durch Gernot Blümel,
Bundesminister im Bundeskanzleramt für EU, Kunst, Kultur und Medien, verliehen werden. Der genaue Termin wird
noch bekanntgegeben.
Yona Friedman
Yona Friedman wurde 1923 in Budapest geboren. Er studierte zuerst an der Technischen Hochschule Budapest, bevor
er nach Israel flüchten musste, wo er seine Ausbildung fortsetzte und erste praktische Erfahrungen als Architekt
sammelte. 1957 zog er nach Paris, wo er bis heute lebt und arbeitet.
1958 veröffentlichte er das Manifest „L’Architecture Mobile“, zugleich Gründungsdokument der „Groupe
d’étude d’architecture mobile“ (GEAM), und entwickelte Raumstadtkonzepte wie „La Ville Spatiale“. Seine
Ideen waren visionär und seiner Zeit weit voraus – sie besitzen heute eine neue Aktualität.
Friedman lehrte als Gastdozent an diversen renommierten Bildungseinrichtungen, u. a. am Massachusetts Institute
of Technology, an der Harvard University und Princeton University. Seine Arbeiten umfassen städteplanerische
Modelle, theoretische Texte sowie (Animations-)Filme und waren bei mehreren Kunstbiennalen sowie der documenta
11 (2002) in Kassel vertreten.
Yona Friedman, Friedrich Kiesler-Preisträger 2018: „Ich fühle mich außerordentlich glücklich,
den Kiesler-Preis zu erhalten, und ich bin der Jury sehr dankbar dafür, dass sie mein Werk ausgewählt
hat, was großes Verständnis gegenüber meinen Ideen widerspiegelt. Aber abgesehen von Dankbarkeit
fühle ich auch besondere Freude, dass es diese spezielle Stiftung ist, die mein Werk anerkennt. I kenne einige
von Kieslers Arbeiten, von Publikationen und von Ausstellungen im Centre Pompidou in Paris, und ich bewundere ihn
und seine Ideen ungemein. Das erste Mal, dass ich sein Werk entdeckte, war seine Präsentation bei der Surrealisten-Ausstellung,
von der ich den Katalog bereits gelesen hatte, bevor ich nach Paris kam. Dann sah ich seine Modelle für das
,Endless House‘ und verstand die Absicht dahinter – ich dachte, dass diese sehr ähnlich sei zu den Ideen,
an denen ich damals arbeitete. Es gab so wenige Künstler und Architekten, die mutig genug waren, konträr
zur Mainstream-Architektur Stellung zu beziehen. Kiesler war einer dieser wenigen, und vielleicht sogar der entschlossenste.
Ich glaube, dass Ideen wichtiger sein können als die Objekte selbst. Eine Auffassung, die 2.500 Jahre zurückreicht,
aber oft vergessen wird …“
Gernot Blümel, Österreichischer Bundesminister im Bundeskanzleramt für EU, Kunst, Kultur und Medien:
„Ich freue mich, dass der diesjährige Kiesler-Preisträger in geradezu idealer Weise mit dem visionären
Werk des Namengebers korrespondiert. Yona Friedman ist nicht nur ein innovativer Architekt mit seinen Raumstadtkonzepten,
er war weit seiner Zeit voraus. Nicht nur für Stadtplaner und Architekten ist seine Arbeit ein enorm wichtiger
Ansatzpunkt, auch die zeitgenössische Kunst entdeckt ihn und seine künstlerisch-poetische Qualität
für sich neu. Seine Relevanz für die Gegenwart ist beeindruckend, und durch seinen biografischen Hintergrund
als Vertriebener entwickelte er ein Sensorium für die existentiellen Erfahrungen einer Gesellschaft, was seine
Arbeit auch als politische qualifiziert.“
Andreas Mailath-Pokorny, Amtsf. Stadtrat für Kultur, Wissenschaft und Sport der Stadt Wien: „Ich freue mich,
dass Yona Friedman mit der Verleihung des Kiesler-Preises für sein visionäres Werk gewürdigt wird.
Sein Konzept einer Stadt besteht aus modularen Systemen, die die Bewohnerinnen und Bewohner gestalten und weiter
entwickeln können. Architektur wird nicht statisch gedacht, sondern als ein offenes, dynamisches Phänomen.
Yona Friedman betrachtet die Stadt nicht aus formalistischer Perspektive, sondern von der Nutzung her – im Mittelpunkt
stehen die Menschen. Ein Ansatz, der in seiner Modernität und demokratischen Radikalität beeindruckt
und heute aktueller ist denn je.“
Hani Rashid, Präsident der Friedrich Kiesler Stiftung, Wien/New York: „Es ist gleichzeitig eine Überraschung
und gar keine Überraschung, dass der Kiesler-Preis dieses Zyklus an den ungemein einflussreichen, zugleich
in einigen Aspekten rätselhaften Genius Yona Friedman geht. Friedmans OEuvre umfasst auf großartige
und harmonische Weise Kunst, Urbanismus, Architektur, Poesie und Wissenschaft – und aus diesem Grund allein gibt
es keine bessere Auszeichnung in der Welt als den Kiesler-Preis als Anerkennung für einen Werkkorpus wie keinen
anderen and dessen Einfluss erst jetzt beginnt sich zu verfestigen.“
Peter Bogner, Direktor der Friedrich Kiesler Stiftung: „Zeit seines Lebens ist Yona Friedman ein Agent in der Suche
nach neuen Lösungen des menschlichen Zusammenlebens im urbanen Raum. Unermüdlich ersinnt er neue Utopien,
die es einer Gesellschaft mit mehr Freizeit und weniger Raum ermöglichen, zur Verbesserung ihrer Lebensumstände
beizutragen – dies manifestiert sich erstmals in seiner ,Architecture Mobile’ von 1958. Mit seinen Ideen setzt
Friedman in unglaublicher Weise in Architektur, zeitgenössischer Kunst, Soziologie, Ökologie und Neuen
Medien fort, womit sich Friedrich Kiesler zeit seines Lebens befasste. Der 11. Kiesler-Preisträger erweist
sich in seinem Denken als Weltbürger, als Fortführer und Fortentwickler des immanent brisanten Themas
der Menschheit einer friedlichen Koexistenz in einer überbevölkerten Welt, wobei Yona Friedman auch großen
Respekt vor der Geschichte der bestehenden urbanen Struktur hat.“
Bisherige Preisträger*innen:
Frank O. Gehry (1998) – Judith Barry (2000) – Cedric Price (2002) – Asymptote Architecture / Hani Rashid +
Lise Anne Couture (2004) – Olafur Eliasson (2006) – Toyo Ito (2008) – Heimo Zobernig (2010) – Andrea Zittel (2012)
– Bruce Nauman (2014) – Andrés Jaque (2016)
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