EU-Minister Blümel betont pro-europäischen
 Kurs der Bundesregierung

 

erstellt am
22. 02. 18
13:00 MEZ

EU-Unterausschuss des Nationalrats diskutiert über Österreichs EU-Ratspräsidentschaft, Brexit, EU-Budget und Subsidiarität
Brüssel/Wien (pk) – EU-Minister Gernot Blümel bekräftigte am 21. Feber im EU-Unterausschuss einmal mehr die pro-europäische Haltung der Bundesregierung. Diese werde den konstruktiven pro-europäischen Kurs fortsetzen, so wie es auch im Koalitionsvertrag fixiert sei und die Vorgangsweise der Regierung bis jetzt beweise, sagte Blümel. Selbstverständlich könne es auch Kritik an der EU geben, jedoch immer mit dem Ziel einer konstruktiven Weiterentwicklung. Der Bundesminister für EU, Kunst, Kultur und Medien diskutierte heute erstmals mit den Mitgliedern des EU-Unterausschusses, wobei die kommende EU-Ratspräsidentschaft Österreichs, der Brexit und der mittelfristige Finanzrahmen im Mittelpunkt standen.

Auch seitens der Freiheitlichen wurde der europa- und außenpolitische Kurs unterstrichen. Dieser fuße auf der Politik der vergangenen Regierungen, betonte Reinhard Eugen Bösch (FPÖ). Es gelte, die EU konstruktiv weiterzuentwickeln. Die harsche Kritik von Muna Duzdar (SPÖ), wonach die Freiheitlichen im Europäischen Parlament einer Fraktion angehören, die eine eindeutige anti-europäische und teils rechtsextreme Haltung einnimmt, quittierte Petra Steger (FPÖ) mit der Bemerkung, in einer Fraktion müsse man nicht immer einer Meinung sein. Für die Regierung zähle, was im Koalitionspakt verankert ist, stellte dazu Minister Blümel fest. Vor dem Hintergrund der Aussagen von Vizekanzler Heinz-Christian Strache in Serbien machte er auch klar, dass die Anerkennung des Kosovo außer Zweifel stehe.

Herausforderung: Österreichischer Ratsvorsitz
Der österreichische Ratsvorsitz, werde herausfordernd sein, merkte der Minister an, zeigte sich aber zuversichtlich, dass dieser gelingen werde. Dabei zähle er auch auf die Mitwirkung des Parlaments. Da die österreichische Ratspräsidentschaft am Ende einer europäischen Legislaturperiode steht, gebe es den Anspruch, alle offenen Dossiers noch im Herbst zu abzuschließen. Der Minister sieht darin nicht nur einen enormen Druck auf Österreich, er kann sich auch vorstellen, dass dieser die Dynamik und Kompromissbereitschaft beflügeln könne.

Österreich werde seine Schwerpunkte auf die Bereiche Subsidiarität, Sicherheit, Sicherung der Außengrenzen und Migration legen, erklärte Blümel. Der Verteilungsmechanismus für die Flüchtlinge funktioniere nicht, daher müsse man neue Wege der Gestaltung suchen und er hoffe, dass man diese während der österreichischen Ratspräsidentschaft finde, hielt er gegenüber Abgeordneter Muna Duzdar (SPÖ) fest.

Ähnliche Erwartungen setzt der Freiheitliche Reinhard Eugen Bösch in den Ratsvorsitz. Die sechsmonatige Präsidentschaft könne für die gesamte Union entscheidend sein, denn man werde Weichenstellungen vornehmen müssen. Das gelte nicht nur im Hinblick auf den Austritt Großbritanniens aus der Union, sondern man müsse auch neue Akzente in der Außen- und Sicherheitspolitik setzen. Zudem gehe es um die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Euro-Zone. Bösch betrachtet die Weichenstellungen auch vor dem Hintergrund der neuen Regierung in Frankreich und den aktuellen politischen Verhältnissen in Deutschland.

EU-Budget: Österreich will über einen Rabatt verhandeln
Maßgeblich werden die Brexit-Verhandlungen und der Mittelfristige Finanzrahmen die Union im zweiten Halbjahr beschäftigen. Blümel stellte klar, dass eine kleinere Union kein höheres Budget haben könne, zumal sich Österreich auch innerstaatlich um eine Budgetkonsolidierung bemühe. Die Linie laute, "weniger, aber effizienter".

Diese strikte Linie konnte vor allem die SPÖ nicht ganz nachvollziehen. So zeigte sich etwa Jörg Leichtfried (SPÖ) "verwirrt", zumal der Brexit und zusätzliche Schwerpunktsetzungen nach seiner Einschätzung rund 12 bis 15 Mrd. € kosten werden. Das werde man nicht durch Einsparungen in der Verwaltung wettmachen können, gab er zu bedenken.

EU-Kommissar Günther Oettinger verfolge die Linie, die finanzielle Brexit-Lücke sowie die erforderlichen Mittel für vermehrte Aufgaben zur Hälfte durch Einsparungen und zur Hälfte durch zusätzliches Geld abzudecken. Derzeit könne man vieles mangels eines konsolidierten Zahlenmaterials jedoch noch nicht abschätzen, erklärte Blümel dazu und wies darauf hin, dass der Anteil der Briten sich ständig ändere und zwischen 11 und 17 Mrd. € brutto liege. Nimmt man den Netto-Beitrag, dann könne man von rund 6 Mrd. € ausgehen. In diesem Rahmen könne man über 3 Mrd. Einsparung und 3 Mrd. neues Geld diskutieren, sagte er. Jedenfalls wird im Mai seitens der Kommission ein Vorschlag mit konkretem Zahlenmaterial vorliegen, informierte Blümel. Wenn der Briten-Rabatt wegfällt, dann werde sich die Regierung sicherlich dafür einsetzen, einen Rabatt für Österreich herauszuverhandeln, hielt er gegenüber Claudia Gamon (NEOS) fest.

Auf konkrete Fragen der Abgeordneten Klaus Lindinger (ÖVP) und Markus Tschank (FPÖ) im Hinblick auf mögliche Kürzungen im Bereich Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und Kohäsion kann sich der Minister vorstellen, über die Mechanismen der Mittelverteilung nachzudenken. Er hält den gegenwärtigen Schlüssel, wonach die Förderungen steigen, je größer die Betriebe sind, für falsch. In diesem Sinne teilte er die Meinung der beiden Abgeordneten, dass es eher darum gehen müsse, die bäuerlichen Familien zu stärken. Lindinger betonte in diesem Zusammenhang, dass die GAP die Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit leistbaren Lebensmitteln gewährleiste und auch Arbeitsplätze sichere. Auch trage die Landwirtschaft durch die Bewirtschaftung und Kultivierung wesentlich zum Erfolg im Tourismusbereich bei.

Brexit-Verhandlungen: Einigkeit der EU-27 ist unabdingbar
Mehrmals betonte Minister Blümel die Notwendigkeit, dass die EU der 27 bei den Brexit-Verhandlungen Einigkeit zeige. Keinesfalls dürfe eine Dynamik entstehen, die den Eindruck entstehen lasse, dass der Austritt ein gutes Geschäft sei. In diesem Sinne zeigte er sich mit der bisherigen Positionierung der EU sehr zufrieden und betonte, dass die Union auch Härte demonstrieren müsse. Gleichzeitig äußerte er großes Bedauern über den Austritt der Briten und strich gegenüber den Abgeordneten Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP) und Claudia Gamon (NEOS) hervor, die größte Win-win-Situation wäre es, wenn Großbritannien in der EU bliebe. Nun gehe es aber darum, die Lose-lose-Situation möglichst klein zu halten. Ziel sei es, das künftige Verhältnis so gut wie möglich zu gestalten, betonte Blümel, eine große Hürde werde aber die Grenze zwischen Großbritannien und Irland sein.

Laut Blümel gestalten sich die Verhandlungen derzeit etwas schwierig, weil die britische Regierung keine klaren Präferenzen für eine zukünftige Beziehung zwischen Großbritannien und der EU zeige und man derzeit über keine konkreten Positionspapiere der Briten verfüge. Die Übergangsphase sei für maximal zwei Jahre vorgesehen. In diesem Zeitraum sollte nach Vorstellung der EU Großbritannien das gesamte Acquis einhalten und sich unter die Jurisdiktion des EuGH stellen, wenn es weiterhin Zugang zum Binnenmarkt haben will. Wesentlich sei in diesem Zusammenhang vor allem auch, die Rechte der EU-BürgerInnen zu sichern.

Auf den Einwand von Claudia Gamon (NEOS), dass dieser Gleichbehandlung die Pläne der Bundesregierung zur Familienbeihilfe wiedersprächen, reagierte der Minister mit der Bemerkung, diese Einschätzung teile er nicht, da es ja darum gehe, die Höhe der Familienbeihilfe an die Lebenshaltungskosten vor Ort anzupassen.

Uneinigkeit darüber, wo mehr und wo weniger EU notwendig ist
Zentrales Thema im Ausschuss war auch die Subsidiarität, wobei hier besonders die Auffassungsunterschiede zwischen Regierungsfraktionen und Opposition deutlich wurden. Zur Klärung, wo mehr und wo weniger EU notwendig ist, hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine Taskforce eingerichtet, der auch Ausschussvorsitzender Reinhold Lopatka (ÖVP) angehört und die bis Sommer ihren Bericht liefern soll. Auf die Frage von Martha Bißmann (PILZ), in welchen Bereichen sich der Minister weniger EU vorstellen könne, antwortete Blümel, die Union sollte sich vor allem in der Sozial- und Gesundheitspolitik, aber auch beim Konsumentenschutz zurücknehmen. Das rief Widerstand vor allem bei den SPÖ-Abgeordneten Kai Jan Krainer und Jörg Leichtfried hervor, die darauf hinwiesen, dass der Konsumentenschutz ein Teil des Binnenmarkts sei und sich dieser auch in Österreich durch die EU-Standards verbessert habe. Dem hielt wiederum Ausschussvorsitzender Reinhold Lopatka (ÖVP) das Beispiel der Verbraucherrichtlinie entgegen, die zusätzliche und unnötige Bürokratie mit sich bringe. Er plädierte dafür, über diese Themen emotionslos zu diskutieren.

Angesprochen auf den Abschluss der Verhandlungen zur Entsende-Richtlinie, betonte Minister Blümel gegenüber Doris Margreiter (SPÖ), Österreich sei an einem baldigen Ergebnis interessiert, selbstverständlich unter Berücksichtigung der heimischen Positionen.

Die Meinungen gingen auch in Bezug auf notwendige Regelungen gegen den Steuerbetrug auseinander. Während sich Krainer für eine Pflicht zur Veröffentlichung von Kennzahlen durch die Betriebe im Rahmen des Country-by-Country-Reporting aussprach, zeigte sich Blümel skeptisch, da er darin eine Überregulierung und die Gefahr einer Standortschädigung sieht. Gleichzeitig bekräftigte der Minister die Notwendigkeit einer gerechten Besteuerung von Konzernen. Es gelte, Instrumente zu finden, um jene zu erfassen, die kaum Steuern zahlen und Wertschöpfung abziehen. Prinzipiell sprach sich Blümel gegen neue Steuern aus, räumte aber ein, dass es durchaus Bereiche geben könne, wo es sinnvoll ist, auf europäischer Ebene Steuern einzuheben. Kai Jan Krainer hatte in diesem Zusammenhang eine Kerosinsteuer oder eine CO2-Steuer angesprochen.

Martha Bißmann (PILZ) thematisierte in diesem Zusammenhang auch den Klimaschutz und die Umweltpolitik, wo sie mehr Gemeinsamkeit auf Unionsebene für unverzichtbar hält. Bei der Klima- und Energiestrategie sollte Österreich jedenfalls Vorreiter sein, sagte dazu Minister Blümel.

PESCO: Österreich achtet auf seinen Neutralitätsstatus
Kurz wurde im Ausschuss auch die Außen- und Sicherheitspolitik angesprochen. "Wir wollen weniger Union, aber dort, wo sie wichtig ist, soll sie effizienter werden," fasste Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) die Position seiner Partei zusammen. Er begrüßte daher die Stärkung der Zusammenarbeit im verteidigungs- und außenpolitischen Bereich im Rahmen von PESCO (Permanent Structured Cooperation). Dem pflichtete auch der Minister bei und unterstrich, dass sich Österreich vor allem im Hinblick auf seine Neutralität etwa beim Katastrophenschutz und bei den Ausbildungszentren engagieren werde.

Was die Kooperationsblockade der Türkei gegen Österreich im Rahmen der Partnerschaft für den Frieden mit der NATO betrifft, so ortet Minister Blümel derzeit eine Entkrampfung, bleibt aber grundsätzlich skeptisch, weil sich die Bundesregierung für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen stark macht.

Angesprochen wurde schließlich auch die Beitrittsperspektive des Westbalkans. Im Mai wird es einen Gipfel geben, informierte Blümel Abgeordnete Claudia Gamon (NEOS). Bei welchen Ländern man neue Kapitel aufschlagen könne, werde man erst beurteilen können, wenn der nächste Fortschrittsbericht vorliegt.

 

 

 

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