Untersuchung uralter DNA enthüllt Urgeschichte Südosteuropas
Philadelphia/Wien (universität) - ForscherInnen von über 80 verschiedenen Institutionen unter
der Federführung von Ian Mathieson (University of Pennsylvania), David Reich (Harvard Medical School) und
Ron Pinhasi von der Universität Wien haben in einer neuen Studie die Genomgeschichte in Südosteuropa
untersucht. Diese Region ist bisher kaum erforscht, was die Erbinformation von menschlichen Skeletten betrifft.
Sie fanden heraus, wie es um die gegenseitige Beeinflussung und Vermischung der ansässigen Bevölkerung
mit den neu eintreffenden Völkern aus Anatolien bestellt ist. Die Untersuchung erscheint aktuell in Nature.
Vor ungefähr 8.500 Jahren breitete sich die Landwirtschaft begleitet von einer Völkerbewegung aus Anatolien
vom Südosten ausgehend nach Europa aus. Ein internationales Forschungsteam analysierte nun 225 Genomdaten
von historischen Völkern, die vor oder nach diesem Wandel gelebt hatten.
Die Einflüsse und Vermischung dieser beiden Bevölkerungsgruppen gestalteten sich komplex. "An einigen
Orten vermischten sich die Jäger und Sammler sehr rasch mit den einwandernden Bauern", erklärt Erstautor
Iain Mathieson, Genetiker an der University of Pennsylvania, "dennoch blieben die beiden Bevölkerungsgruppen
größtenteils isoliert, zumindest für die ersten paar hundert Jahre. Die Jäger und Sammler
hatten dort seit tausenden Jahren gelebt und die Ankunft all dieser neuen Menschen, mit ihrer gänzlich anderen
Lebensweise und anderem Aussehen, musste für sie ziemlich schockierend gewesen sein".
"Zweitausend Jahre später waren sie bereits gut durchmischt“, ergänzt David Reich von der Harvard
Medical School, der für die Leitung der Studie mitverantwortlich war: "Einige Populationen sind bis zu
einem Viertel ihrer Abstammung Jäger und Sammler". In anderen Gegenden Europas war die Vermischung durch
ein Geschlecht geprägt, denn der Großteil der Jäger- und Sammlervorfahren waren Männer. Allerdings
entspricht das nicht den Ergebnissen im Südosten. "So ist ersichtlich, dass sich die Beeinflussung der
beiden Bevölkerungsgruppen in verschiedenen Gegenden unterschiedlich gestaltete, etwas, das wir im Zusammenhang
mit archäologischen Zeugnissen zu verstehen versuchen", ergänzt Mathieson.
"Durch die neuen Genomdaten können wir uns ein deutlicheres Bild vom Anfang des Übergangs zur Landwirtschaft
in Südosteuropa machen. Anscheinend kam es gleich bei der Ankunft der Bauern zum Kontakt zwischen den landwirtschaftlich
tätigen Gruppen und den Jägern und Sammlern in der Region. Da es keine Hinweise auf Gewalt oder Kriegsführung
gibt, nehmen wir an, dass der Kontakt zwischen Individuen dieser beiden Gesellschaftsformen friedlich verlaufen
ist", meint Ron Pinhasi, Anthropologe an der Universität Wien.
"Diese Ergebnisse beleuchten die Beziehung zwischen Migrationswellen, genetischer Vermischung sowie Subsistenzwirtschaft
in dieser Schlüsselregion und zeigen, dass sich Individuen selbst bei den frühen europäischen Bauern
in ihrer Abstammung unterschieden und damit das dynamische Mosaik der Kreuzungen von Jägern und Sammlern widerspiegeln",
so Ron Pinhasi, der für die Leitung der Studie mitverantwortlich war. So ergibt sich ein umfassendes Bild
von Schlüsselperioden der Vergangenheit.
Publikation in "Nature": The
genomic history of southeastern Europe: Iain Mathieson, Ron Pinhasi, David Reich et.al. In: Nature / Doi: 10.1038/nature25778
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