Innenminister Herbert Kickl berichtet über aktuelle EU-Vorhaben in seinem Zuständigkeitsbereich
Brüssel/Wien (pk) – Die Bekämpfung von Terrorismus, eine gemeinsame Asylpolitik und die bessere
Steuerung von Migration stehen nach wie vor ganz oben auf der Agenda der Europäischen Union im Bereich Sicherheit.
Aktuell ist unter anderem geplant, ein neues Ein- und Ausreise-Informationssystem einzurichten und bestehende Datenbanken
besser zu vernetzen, um die Arbeit der Sicherheitsbehörden zu erleichtern, wie Innenminister Herbert Kickl
dem Nationalrat berichtet ( III-108 d.B.). Durch diesen Schritt soll die eindeutige Identifikation von Personen
bzw. das Aufdecken von Mehrfachidentitäten und von Identitätsmissbrauch erleichtert werden. Auch über
ein gemeinsames Asylverfahren und die Reform der "Blauen Karte" für hochqualifizierte Arbeitskräfte
aus Drittländern wird weiter verhandelt. Österreich steht in vielen Bereichen grundsätzlich hinter
den Plänen der EU-Kommission, nicht alle Einzelvorschläge werden aber gutgeheißen.
Vom Innenministerium ausdrücklich unterstützt werden die Pläne zur Verbesserung der Funktionen und
der Interoperabilität diverser IT-Systeme, die EU-weit im Sicherheits-, Grenz- und Migrationsmanagement im
Einsatz sind. Das betrifft insbesondere das Schengener Informationssystem (SIS), das Visa Informationssystem (VIS),
das Fingerabdruck-Identifizierungssystem für AsylwerberInnen EURODAC, das Europol-Informationssystem und die
Interpol-Datenbank zu verlorenen und gestohlenen Reisedokumenten. Ebenso sollen für das geplante Einreise/Ausreise-Informationssystem
(EES) und weitere noch einzurichtende Datenbanken wie das Europäische Reiseinformations- und -genehmigungssystem
ETIAS und das Europäische Strafregister für Drittstaatsangehörige (ECRIS) entsprechende technische
Voraussetzungen geschaffen werden.
Österreich hofft, die Verhandlungen über einen von der EU-Kommission im Dezember eingebrachten Entwurf
zur Einführung der Interoperabilität zwischen EU-Informationssystemen für Grenzschutz und innere
Sicherheit noch während der österreichischen Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018 abzuschließen.
Durch die Vernetzung der Informationssysteme werde eine wichtige Lücke geschlossen und eine bestmögliche
Nutzung der Daten garantiert, heißt es dazu im Bericht. Zudem könne man die Datenqualität durch
die Korrektur von Fehleinträgen verbessern. Datenschutzrechtliche Bedenken hat das Innenressort nicht, die
Vorschläge würden insgesamt ein hohes Datenschutz-Niveau vorsehen. Das Betriebsmanagement für die
drei neuen IT-Großsysteme EES, ETIAS und ECRIS soll der EU-Agentur eu-LISA übertragen werden.
Vorbildprojekt "Gemeinsam.Sicher"
Was die polizeiliche Zusammenarbeit zur Bekämpfung der organisierten und schweren Kriminalität betrifft,
hat laut Bericht Anfang 2018 eine neue Vier-Jahres-Periode des entsprechenden EU-Politikzyklus begonnen. Die Innen-
und Justizminister der EU haben u.a. die Themen Cybercrime, Drogen, illegale Migration, organisierte Eigentumskriminalität,
Abgabenbetrug, Karussellbetrug, Schusswaffen und Umweltkriminalität auf die Prioritätenliste des Zyklus
gesetzt. Zudem will man einen Fokus auf Menschenhandel – insbesondere in Zusammenhang mit MigrantInnen – und auf
Schlepperkriminalität entlang der Seidenstraße richten.
Auch der regelmäßige Expertenaustausch zum Thema Prävention von Radikalisierung und gewalttätigem
Extremismus wird fortgesetzt. Außerdem ist eine intensivere Zusammenarbeit von Spezialeinheiten wie der österreichischen
COBRA im ATLAS-Netzwerk geplant. Das in Österreich laufende Bürgerbeteiligungsmodell "Gemeinsam.Sicher"
könnte nach Meinung des Innenministeriums Vorbild für eine bürgernahe Polizeiarbeit in Europa –
im Sinne eines Austausches zwischen BürgerInnen, Gemeinde und Exekutive auf lokaler Ebene – werden. Zur Erhöhung
der digitalen Sicherheit sind Mindestsicherheitsstandards bei Informations- und Kommunikationstechnik-Produkten
in Diskussion.
Gemeinsame Asylpolitik: Innenministerium hofft auf Fortschritte bei Verhandlungen
Weiterhin hohe Priorität hat für die EU-Kommission die Umsetzung der "Europäischen Migrationsagenda",
die auf eine wirksamere und nachhaltige Steuerung der Migrationsströme bei gleichzeitiger Gewährleistung
des erforderlichen Schutzes für Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention abzielt.
In diesem Zusammenhang hat sie schon im Jahr 2016 zwei Legislativpakete zur Reform der Gemeinsamen Asylpolitik
(GEAS) vorgelegt. Außerdem beabsichtigt sie, durch eine bessere Unterstützung von Herkunfts- und Transitländern
die Weiterwanderung von Flüchtlingen nach Europa einzudämmen, mehr legale Wege nach Europa zu eröffnen
sowie illegal in Europa aufhältige Fremde effektiver wieder in ihre Heimatländer zurückzuführen.
Wann die Verhandlungen über die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems abgeschlossen sein werden,
ist allerdings offen. Zwar gibt es mittlerweile zu einzelnen Vorschlägen der EU-Kommission einen grundsätzlichen
Konsens im Rat, wie das Innenministerium berichtet, zentrale Punkte werden aber nach wie vor auf Expertenebene
beraten. Wobei für die Zeit des bulgarischen Ratsvorsitzes im ersten Halbjahr 2018 zumindest Fortschritte,
etwa eine politische Einigung über "ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Verantwortung und Solidarität",
erwartet werden.
Um bestehende Defizite zu beseitigen und praxistaugliche Regeln auch für Zeiten mit hohem Migrationsdruck
zu schaffen, hält Österreich eine Weiterentwicklung des Gemeinsamen Asylsystems jedenfalls für notwendig.
Im Sinne von Verantwortung und Solidarität pocht das Innenressort dabei auf einen adäquaten Beitrag aller
Mitgliedstaaten. Wichtig ist Österreich außerdem eine Entkoppelung von Schutz und irregulärer Migration
sowie eine Beachtung der Belastung nationaler Asyl- und Aufnahmesysteme bei Neuansiedlungs-Programmen.
Neue Regeln für hochqualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten
Fortschritte sind dem Bericht zufolge auch bei den Verhandlungen über eine neue EU-Richtlinie zur "Blauen
Karte EU" zu verzeichnen, die hochqualifizierten Arbeitskräften aus Drittstaaaten einen Zuzug in die
EU ermöglicht. Demnach könnte es bis zum Juni eine politische Einigung zwischen dem Rat und dem Europäischen
Parlament geben, wobei Österreich nach wie vor auf die Beibehaltung paralleler nationaler Systeme beharrt
(Stichwort "Rot-Weiß-Rot-Karte") und auch die von der EU-Kommission vorgeschlagene Ausweitung der
Richtlinie auf AsylwerberInnen ablehnt. Von der Kommission weiters empfohlen werden eine Senkung der Einkommensschwelle,
die Anerkennung gleichwertiger Berufserfahrung, ein Daueraufenthalt bereits nach drei – statt nach fünf –
Jahren, eine verstärkte Mobilität innerhalb der EU für InhaberInnen der Blauen Karte, die Verkürzung
der Verfahrensfristen und eine Erleichterung bei Folgeanträgen in anderen Mitgliedstaaten.
Rücknahmeübereinkommen mit 17 Ländern
Um die Rückkehr bzw. Rückführung illegal in der EU aufhältiger Fremder in ihre Heimatländer
zu forcieren, hat die EU-Kommission im vergangenen Jahr einen Aktionsplan samt Empfehlungen vorgelegt und das Rückkehrhandbuch
überarbeitet. Bislang hat die EU laut Bericht mit 17 Ländern Rücknahmeübereinkommen abgeschlossen,
mit sieben weiteren – Marokko, Algerien, China, Weißrussland, Tunesien, Jordanien und Nigeria – wird derzeit
verhandelt. Um Migrationsbewegungen besser in den Griff zu bekommen, hat die EU außerdem mit einigen Ländern
(Äthiopien, Mali, Niger, Nigeria und dem Senegal) so genannte Migrationspartnerschaften abgeschlossen. Österreich
spricht sich dafür aus, derartige Partnerschaften auch auf andere Regionen auszudehnen und etwa mit Afghanistan,
Pakistan, dem Irak, dem Iran und nordafrikanischen Staaten enger zusammenzuarbeiten.
Erleichterung von Binnengrenzkontrollen
Grundsätzlich von Österreich unterstützt wird auch ein Vorschlag der EU-Kommission zur Erleichterung
von Binnengrenzkontrollen aus Sicherheitsgründen. Künftig sollen diese bis zu einem Jahr – statt wie
bisher nur sechs Monate – gestattet sein, mit Verlängerungsmöglichkeit um ein weiteres Jahr. Österreich
tritt allerdings dafür ein, auf Befristungen zur Gänze zu verzichten und die Dauer erlaubter Kontrollen
auf die Dauer der Bedrohung abzustellen.
Als weitere prioritäre Initiativen aus Sicht der EU-Kommission werden im Bericht darüber hinaus ein Verordnungsvorschlag
zur gegenseitigen Anerkennung von Sicherstellungs- und Einziehungsentscheidungen sowie ein Richtlinienentwurf zum
Bereich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung angeführt. Überdies hat die Kommission im November
einen Vorschlag zur Änderung des Katastrophenschutzverfahrens vorgelegt, der darauf abzielt, die kollektive
Fähigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten zur Bewältigung von Katastrophen zu stärken und zu
diesem Zweck eine spezielle Reserveeinheit auf Unionsebene mit dem Namen rescEU vorsieht.
Emergency Travel Document für EU-BürgerInnen
Heuer könnte die EU-Kommission Initiativen zur Verbesserung der Sicherheit von Ausweisdokumenten und von Aufenthaltstiteln
sowie zur Ausstellung von "Rückkehrausweisen" für EU-BürgerInnen (Emergency Travel Document,
ETD) starten. Letztere sollen Betroffenen bei Verlust, Diebstahl oder Beschädigung des Reisepasses im Ausland
die Heimreise erleichtern. Zu beiden Fragen hat die EU-Kommission im Herbst ein Konsultationsverfahren durchgeführt,
nun wird an einer Folgeabschätzung gearbeitet. Angekündigt wurden außerdem eine Überarbeitung
der Verordnung über den Vertrieb und die Nutzung von Ausgangsstoffen für Explosivstoffe sowie Vorschläge
zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs von Strafverfolgungsbehörden zu elektronischen Beweismitteln
und zu Finanzdaten. Eine für das 1. Quartal 2018 in Aussicht gestellte Initiative zur Überarbeitung des
Visakodex soll zwei bestehende Verordnungsvorschläge, einer davon zur Einführung eines Rundreise-Visums,
ersetzen.
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