Dringliche Anfrage der SPÖ, ÖVP-FPÖ-Initiativantrag gegen Nichtraucher-Beschluss
von 2015 eingebracht
Wien (pk) - Zu teils heftigen Wortgefechten zwischen der Opposition und der Regierung kam es am 28. Feber
im Nationalrat im Zuge einer Dringlichen Anfrage der SPÖ zur von der Regierung geplanten Aufhebung des Rauchverbots
in der Gastronomie. Für die Opposition ist die Rücknahme des 2015 von der damaligen rot-schwarzen Regierung
ausverhandelten und beschlossenen NichtraucherInnenschutzgesetzes ein gesundheitspolitischer Rückschritt.
Die SPÖ spricht von einer Schande, NEOS fordert eine Volksbefragung. Die Liste Pilz bemängelt, dass der
Koalitionspakt über Gesundheit gestellt werde. Währenddessen liegt der ÖVP-FPÖ-Initiativantrag
zur Verhinderung des Rauchverbots in der Gastronomie ab Mai 2018 bereits im Parlament. Die geltende Gastronomieregelung
soll demnach beibehalten und bis zum Ende des Jahres ein Zigaretten-Verkaufsverbot an Jugendliche unter 18 Jahren
eingeführt werden. Der Antrag wurde heute eingebracht und könnte schon nächsten Dienstag auf der
Tagesordnung des Gesundheitsausschusses stehen.
Der Versuch der SPÖ, mit einem Antrag im Plenum die Aufweichung des Nichtraucherschutzes zu verhindern und
das generelle Rauchverbot in der Gastronomie ab 1. Mai in Kraft treten zu lassen, scheiterte ebenso wie die Forderung
der NEOS, zum generellen Rauchverbot eine Volksbefragung durchzuführen. Der Vorstoß der SPÖ erhielt
bei der namentlichen Abstimmung von 175 abgegebenen Stimmen 67 Ja- und 108 Nein-Stimmen, was ein geschlossenes
Abstimmungsverhalten bei den Koalitionsfraktionen und eine Ablehnung bedeutet.
Hartinger-Klein argumentiert mit Österreichs Gastfreundlichkeit
In den 24 Fragen an Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein wollte die SPÖ u.a. neben Informationen über
internationale Einschätzungen zum Nichtraucherschutz in Österreich auch Antworten über ihre persönliche
Meinung als Chefin des Gesundheitsressorts hören. Geht es nach Hartinger-Klein, hat der Beschluss über
das generelle Rauchverbot in der Gastronomie 2015 bzw. die damalige Regierung "den Gastwirten die Gastfreundschaft"
verboten. Man habe schon damals gewusst, dass dieses Gesetz "grauslich" sei und mit der Übergangsfrist
Verantwortung abgeschoben. Was den heute eingebrachten Antrag zur Aufhebung des generellen Rauchverbots ab Mai
betrifft, verwies die Ministerin auf die Gewaltenteilung in Österreich und meinte, dass die Initiative nicht
von ihrem Ressort ausgehe, sondern von Abgeordneten der ÖVP und FPÖ vorgelegt wurde.
Hinsichtlich des von der Ärztekammer Wien und der Österreichischen Krebshilfe eingebrachten Volksbegehrens,
das vor seinem offiziellen Start bereits um die 430.000 Online-Unterschriften gesammelt hat, meinte die Ministerin,
dass sich die Opposition nun zurücklehnen und darauf warten könne, dass eine Mehrheit in Österreich
eine Minderheit normiere. "Den sozialen Frieden wird das nicht bringen", sagte sie.
Prinzipiell ist laut der Gesundheitsministerin in Europa ein genereller Trend in Richtung Reduzierung des Tabakkonsums
zu beobachten. Seriöse Einschätzungen, wie viele Neuerkrankungen in Österreich durch Passivrauchen
verursacht werden, liegen nach Informationen Hartinger-Kleins nicht auf. Die Änderung des Nichtraucher-Beschlusses
stehe jedenfalls im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen, zu denen sich Österreich etwa
im Rahmen der WHO Framework Convention on Tobacco Control verpflichtet hat.
Vizekanzler Strache: Nichtraucherschutz und Wahlfreiheit sind kein Widerspruch
Gesundheit und Prävention sind Werte, die allen wichtig sind, unterstrich Vizekanzler Heinz-Christian Strache.
Es sei wichtig, dass bereits in der Schule über die Schädlichkeit des Rauchens aufgeklärt und Passivrauchen
unterbunden werde. Es gelte aber auch, persönliche Freiheit, Eigenverantwortung und Selbstbestimmung in einer
freien Gesellschaft zu schützen. Nichtraucherschutz und Wahlfreiheit sind kein Widerspruch, betonte der Vizekanzler.
Die Wahlfreiheit müsse auch für die GastronomInnen gelten und ihnen die Entscheidung offen gelassen bleiben,
ob ihr Betrieb ein reines Nichtraucherlokal ist. Mit der geltenden Gesetzeslage sei für die Gastronomie ein
guter Kompromiss geschaffen worden und die BetreiberInnen hätten bereits viel für diesen investiert.
Ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie würde dazu führen, dass nun vor den Lokalen geraucht würde,
wodurch es zu einem erhöhten Lärmpegel auf der Straße davor und damit Strafen für Gastronomiebetreiber
kommen könnte, mahnte der Vizekanzler. Das derzeit laufende Volksbegehren sei positiv im Sinn einer direkten
Demokratie. Es müssen alle Meinungen ernst genommen und berücksichtigt werden. Strache zeigte sich grundsätzlich
offen für eine Volksbefragung zu diesem Thema.
SPÖ: Erneute Nichtraucherschutz-Debatte ist eine Schande
Von Seiten der SPÖ sprach Ex-Gesundheitsministerin Pamela Rendi-Wagner von einer Schande, die Nichtraucherschutz-Debatte
erneut zu führen und den Beschluss für ein generelles Rauchverbot entgegen aller wissenschaftlicher Evidenz
sowie vor seinem Inkrafttreten rückgängig zu machen. Das Vorhaben der Regierung werfe Österreich
gesundheitspolitisch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, zurück, meinte sie und rief zugleich die gesundheitlichen
Auswirkungen des Rauchens ins Bewusstsein. Mit dem Initiativantrag im Parlament nehme die Regierung ExpertInnen
und BürgerInnen zudem die Chance, Stellungnahmen abzugeben. "Sie schließen die Bevölkerung
aus diesem Prozess aus", kritisierte Rendi-Wagner v.a. "jene Partei, die sich direkte Demokratie lautstark
auf ihre Fahnen geheftet hat". Der proklamierte Jugendschutz sei im Antrag außerdem reine Heuchelei.
Es stehe bei ExpertInnen außer Zweifel, dass ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie der beste Jugendschutz
sei.
Bei den 430.000 BürgerInnen, die bisher die von der Österreichischen Krebshilfe gestarteten Nichtraucher-Petition
"Don´t Smoke, das Nichtraucherschutzgesetz muss bleiben" unterschrieben haben, handelt es sich
für die SPÖ um einen Aufschrei. "Diese Stimmen können sie nicht einfach ignorieren", meinte
Rendi-Wagner in Richtung Schwarz-Blau. Der Koalitionspakt mit der FPÖ könne nicht mehr wert sein, als
die Gesundheit der Bevölkerung, appellierte sie an die Abgeordneten der ÖVP, das generelle Rauchverbot
ab Mai doch in Kraft treten zu lassen.
Die Koalition handle gegen Fakten, Vernunft und Hausverstand, gegen den Willen der Bevölkerung sowie gegen
die eigene Gesundheitsministerin, die hier Tourismus- und Wirtschaftsagenden übernehme, ärgerte sich
Philip Kucher (SPÖ). Die dramatischen Folgen für die Gesundheit liegen auf der Hand, so Kucher, der aufforderte,
die versprochene direkte Demokratie umzusetzen und die Bevölkerung abstimmen zu lassen. Sein Fraktionskollege
Dietmar Keck unterstrich, dass die Gesundheitsministerin heute anscheinend Aussagen tätigen müsse, die
sie nicht tätigen wolle und appellierte an Hartinger-Klein, sich nicht von dieser Parteilinie beeinflussen
zu lassen. Betreffend direkte Demokratie mutiere die FPÖ "vom Ankündigungsriesen zum Umsetzungszwerg",
so Keck. Sowohl für die Beschäftigten in der Gastronomie, als auch für die Gesundheit ortet er nur
Rückschritte.
Die Aufhebung des generellen Rauchverbots sei ein Rückschritt, sagte Eva Maria Holzleitner (SPÖ). Insbesondere
beim Jugendschutz gebe es hier Mängel. So werde im Antrag der Regierungsparteien dem sozialen Umfeld von Jugendlichen
nicht Rechnung getragen. Vor allem die 12- bis 14-Jährigen seien oftmals Gruppenzwang ausgesetzt. Daher müsse
es gelten, Prävention und Aufklärung bei Jungen durchzuführen. Es müsse Bewusstsein bei Jugendlichen
bereits in der Schule geschaffen werden.
Mit der Aufhebung des generellen Rauchverbots in der Gastronomie würden die Regierungsparteien den Volkswillen
negieren, kritisierten die SPÖ-Mandatarinnen Irene Hochstetter-Lackner und Cornelia Ecker in Bezug auf das
derzeitige Nichtrauchervolksbegehren. Der SPÖ gehe es nicht darum, das Rauchen generell zu verbieten, vielmehr
gelte es für die Gastronomie, neue Geschäftsfelder zu entdecken, sagte Hochstetter-Lackner mit Blick
auf positive Entwicklungen in Nachbarländern Österreichs. Dem Argument, MitarbeiterInnen könnten
es sich aussuchen, ob sie in einem Raucherlokal arbeiten oder nicht, konnte sie wenig abgewinnen, da viele auf
ihre Jobs angewiesen sind. Die Gefahr der Feinstaubbelastung sei auch in abgetrennten Nichtraucherbereichen deutlich
höher als in reinen Nichtraucherlokalen, unterstrich Ecker in Berufung auf eine entsprechende Studie.
ÖVP: Rauchverbot bleibt bis auf Extraräume, Jugendschutz wird gestärkt
Einen falschen Eindruck sah Karl Nehammer (ÖVP) durch die Debatte erweckt - Gesundheit sei ein wichtiges
Gut, Nichtraucherschutz wichtig. Das Rauchverbot bleibe auch mit der Änderung bestehen, außer in den
vorgesehenen Extraräumen. Außerdem werde im Antrag der Jugendschutz gestärkt. Das Aufhalten in
Raucherräumen sei aber auch Länderkompetenz. Die effizienteste Maßnahme, Jugendliche zu schützen,
sei darüber hinaus Verhaltensprävention. Barbara Krenn (ÖVP) legt für Wert darauf, als Abgeordnete
linientreu und pakttreu zu sein. Gäste sollten selbst entscheiden können. Als Wirtin befürwortet
sie den jetzigen Status, weil viel in Umbauten zum Nichtraucherschutz investiert worden sei.
Gabriel Obernosterer (ÖVP) ortete eine Diskrepanz darin, das generelle Rauchverbot in der Gastronomie durchzusetzen,
während in Vereinslokalen und Lounges in Hotels weiterhin geraucht werden dürfe. Er betonte, dass mit
dem Initiativantrag dem Jugendschutz besonders Rechnung getragen werde.
FPÖ: Freie Wahlmöglichkeit für mündige BürgerInnen
Peter Wurm will seitens der FPÖ die freie Wahlmöglichkeit für Erwachsene beibehalten und den
Kinder- und Jugendschutz ausbauen. Dieser werde mit dem Antrag intensiviert. Die aktuelle Propaganda "böse
Raucher und gute Nichtraucher" helfe niemandem weiter. Der direkten Demokratie werde man zum Siegeszug verhelfen,
sodass jede Unterschrift den gleichen Stellenwert habe. Richtung Eigenverantwortung plädierte auch Robert
Lugar (FPÖ) und warf der SPÖ vor, ein Weltbild zu haben, in dem mündige BürgerInnen nicht vorkommen.
Die FPÖ sei die Partei der mündigen BürgerInnen, so Lugar, mit ihrer spaßfeindlichen Einstellung
trete die SPÖ in die Fußstapfen der Grünen als Verbotspartei.
Die FPÖ nehme das Nichtrauchervolksbegehren ernst, sagte Christian Höbart (FPÖ), und mit dem Initiativantrag
werde der Nichtraucherschutz verstärkt. So dürften demnach Tabakwaren nur mehr an über 18-Jährige
verkauft und in Pkw nicht mehr geraucht werden. Zugleich werde aber auch der Wahlfreiheit von KonsumentInnen und
GastronomInnen Rechnung getragen. Das Volksbegehren müsse nach seinem Abschluss bewertet werden, sagte Höbart
und stellte eine mögliche Volksbefragung in Aussicht. Auch sein Fraktionskollege David Lasar (FPÖ) unterstrich
die Bedeutung von direkter Demokratie und Hans-Jörg Jenewein (FPÖ) ortete im generellen Rauchverbot eine
Bevormundung der BürgerInnen.
NEOS werfen Koalition parteipolitische Taktik vor
Zynisch und verantwortungslos stellt sich die Debatte für Matthias Strolz (NEOS) dar. Er forderte von Beate
Hartinger-Klein, ihre Verantwortung als Gesundheitsministerin wahrzunehmen - es sei ein "Trauerspiel"
und beklemmend, dass für parteipolitische Taktik bewusst 13.000 Tote jährlich und der Tod von zwei bis
drei PassivraucherInnen pro Tag in Österreich in Kauf genommen werde. Ohne Klubzwang hätte die Koalition
keine Mehrheit, so Strolz. Für Gerald Loacker (NEOS) ist es bezeichnend, dass dieses Gesundheitsthema nicht
von den Gesundheitssprechern der Koalitionsparteien in der Debatte vertreten wird. Unstrittig sei, dass in jedem
Land, in dem das Rauchverbot eingeführt wurde, die Zahlen der Erkrankungen sinken. Auch die wirtschaftliche
Lage der Gastronomen pendle sich aus Erfahrung wieder ein. Von der FPÖ hätte er sich darüber hinaus
mehr Arbeitnehmerschutz erwartet, außerdem sei die Rechtssicherheit nun mehr als fraglich, wenn erst 2021
eine Volksabstimmung angedacht werde.
Aus der Sicht eines Hoteliers sprach Josef Schellhorn (NEOS) von vielen Beschwerden über Raucherbereiche in
Hotels. Damit wäre der Initiativantrag schädlich für den Tourismus. Maßnahmen wie dem Rauchverbot
in Vereinen konnte Schellhorn wenig abgewinnen, da hier die Kontrollierbarkeit nur schwierig umzusetzen sei. Schellhorns
Klubkollege Nikolaus Scherak (NEOS) kritisierte vor allem den Meinungsumschwung von 28 ÖVP-MandatarInnen,
die sich 2015 noch für das generelle Rauchverbot aussprachen.
Liste Pilz: ÖVP stellt Pakttreue vor Gesundheit
Peter Kolba (PILZ) zufolge hat auch die Einführung des Rauchverbots etwa in Italien und Irland nicht dazu
geführt, dass die Lokale leer blieben. Umgekehrt würden Rauchverbote zu einem Rückgang des Rauchens
und dadurch zu weniger Neuerkrankungen führen. Der Schutz vor dem Passivrauchen sei besonders wichtig, so
Kolba. Dass die ÖVP Pakttreue über die Gesundheit und über ein Volksbegehren stelle, ist für
ihn unverständlich, er wünscht sich hier eine namentliche Abstimmung frei vom Klubzwang. Martha Bißmann
(PILZ) kritisierte, dass die Koalition heuchlerisch mit direkter Demokratie umgehe und stattdessen die Volksabstimmung
auf höhere Hürden und auf das Jahr 2021 verschiebe. Außerdem habe eine Gesundheitsministerin den
Auftrag, sich um Gesundheit zu kümmern, müsse aber offenbar etwas tun, was dem nicht entspreche, so Bißmann.
Die Frage des Nichtraucherschutzes sei eine dringliche, betonte Wolfgang Zinggl (PILZ). Eine Rücknahme des
generellen Rauchverbots in der Gastronomie könne er nicht nachvollziehen. Irritiert zeigte er sich auch darüber,
dass die FPÖ beim Rauchen zwar auf die Freiheit des Individuums poche, bei der Freigabe von Cannabis oder
der Öffnung der Ehe für Homosexuelle aber diese Begründung nicht vorbringe.
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