Ausstellung von 28. Februar bis 27. Mai 2018
Wien (belvedere) - Anna Witts künstlerische Praxis ist performativ, partizipativ und politisch. Witt
schafft Situationen, die zwischenmenschliche Beziehungen und gesellschaftliche Machtverhältnisse ebenso reflektieren
wie Konventionen des Sprechens und Handelns. Das Belvedere 21 zeigt ihre erste Einzelausstellung in einer Wiener
Institution. Sie umfasst drei Videoinstallationen sowie Fotografien und Texte, die unterschiedliche Aspekte des
Themenkomplexes „Arbeit“ beleuchten.
„Die Kunst von Anna Witt zeichnet sich dadurch aus, Brennpunkte unseres Zusammenlebens, in denen sich soziale,
politische und ökonomische Rahmenbedingungen widerspiegeln, verhandelbar zu machen. Vor dem Hintergrund des
programmatischen Jahresmottos ‚Spirit of 68‘ im Belvedere 21, das sich der Relevanz gesellschaftlicher Kämpfe
und Errungenschaften der 68er-Bewegung in der Gegenwart widmet, erscheinen ihre Beobachtungen zum Verhältnis
von Subjekt, Arbeit und Gesellschaft von besonderer Wichtigkeit“, so Stella Rollig, Generaldirektorin Belvedere
und Belvedere 21.
Anna Witt involviert Passantinnen und Passanten im öffentlichen Raum oder gezielt ausgewählte Personen
und Gruppen meist direkt körperlich in performativen Versuchsanordnungen, die die Basis ihrer Videoinstallationen
bilden. Die Aufgabenstellungen reichen dabei von der wiederholenden Nachahmung spezifisch codierter Gesten bis
hin zur Entwicklung komplexer Choreografien und eröffnen den Beteiligten Möglichkeiten individueller
Artikulation und Autorschaft. Mit Neugier und Empathie für ihr Gegenüber erkundet Anna Witt die Grenzen
zwischen dem Selbst und dem Anderen und versucht, das Handlungsvermögen des Individuums zu aktivieren, das
sie als notwendige Voraussetzung für Gemeinschaft und Gesellschaft begreift.
Die Künstlerin beschreibt ihre Methode so: „Ich stelle Personen einen Handlungsraum zur Verfügung, den
sie selbst gestalten können. Nonverbale und verbale Artikulationen öffnen dann Denkräume für
grundlegende Neudefinitionen unseres Zusammenlebens.“
In den vergangenen Jahren hat Anna Witt eine ganze Reihe künstlerischer Projekte zum Zusammenhang von Individuum,
Arbeit und Gesellschaft realisiert, die alltägliche und damit oft unsichtbare Subjektivierungsformen unserer
Gegenwart erfahrbar machen. Wie werden wir, wer wir sind? Was tun wir, woran glauben wir, wofür kämpfen
wir? Und wie hängt dieses soziale Selbst mit sichtbaren und unsichtbaren Mechanismen, Normen und Regeln unserer
Gesellschaft zusammen? Anna Witts erste Einzelausstellung in einer Wiener Institution umfasst drei Videoinstallationen
sowie Fotografien und Texte. Neben der 3-Kanal-Videoinstallation Gleitzeit (2010) wird die Arbeit Beat Body (2016-18)
erstmals in einer Version aus vier Videoskulpturen gezeigt, ergänzt um die kontextualisierende Foto-Text-Arbeit
Unter dem Pflaster (2016). Anlässlich der Ausstellung realisierte Anna Witt den 5-Kanal-Videoessay Körper
in Arbeit (2018) im angrenzenden Stadtentwicklungsgebiet rund um den neuen Wiener Hauptbahnhof.
„Anna Witt beleuchtet in der Ausstellung im Belvedere 21 die Mechanismen, die bestimmten Tätigkeiten Wert
und gesellschaftliche Relevanz zuschreiben, genauso wie die Bedeutung historischer Symbole und Gesten des kollektiv
organisierten Arbeitskampfes in Zeiten der radikalen Individualisierung. Sie fragt nach möglichen Utopien,
um Arbeit und Leben anders zu denken, als einen Kreislauf ständiger Leistungsbereitschaft und Selbstoptimierung“,
erläutert die Kuratorin Luisa Ziaja. „Ihr Zugang zu den Gegebenheiten ist weder naiv noch zynisch. Vielmehr
versucht sie, kleine Verschiebungen in unserer Wahrnehmung und in unserem Tun hervorzurufen, die jenseits vorherrschender
sozialer Muster Perspektiven für Gemeinschaft eröffnen.“
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der neben den gezeigten Werken weitere Arbeiten zum Themenkomplex „Arbeit“
dokumentiert und anhand der kunsttheoretischen Essays von Joshua Simon und Luisa Ziaja kontexualisiert.
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