"Frühes Anthropozän" in Eisbohrkernen nachgewiesen
Wien (universität) - Die von Menschen verursachten Eingriffe in die Umwelt und einhergehende Umweltverschmutzung
hat dazu geführt, dass wir vom Anthropozän, einem neuen geologischen Zeitalter sprechen. Geowissenschaftler
der Universität Wien und der Universität für Bodenkultur Wien haben mittels Archivanalysen herausgefunden,
dass der menschliche Einfluss auf die Umwelt schon wesentlich früher begonnen hat, als bisher angenommen.
Die erhöhte Konzentration von Schwermetallen in Eisbohrkernen deutet auf ein "Frühes Anthropozän"
ab der Bronzezeit hin. Die Ergebnisse dazu sind kürzlich in der Fachzeitschrift "The Anthropocene Review"
erschienen.
Schwermetallanreicherungen sind nicht nur Umweltgifte, sondern können auch als Anzeiger für einen möglichen
neuen Abschnitt der Erdgeschichte – dem Anthropozän als Zeitalter des Menschen – verwendet werden. Der Einfluss
des Menschen auf das System Erde hat sich aber nicht plötzlich manifestiert, sondern ist über Jahrhunderte
und Jahrtausende graduell und langsam gewachsen, bis er in der "Großen Beschleunigung" nach dem
Zweiten Weltkrieg massiv zugenommen hat. Die Geowissenschaftler Michael Wagreich von der Universität Wien
und Erich Draganits von der Universität für Bodenkultur Wien haben sich aktuell mit der Frage beschäftigt,
ob bereits frühere Spuren des Menschen in geologischen Archiven zu finden sind.
Eisbohrkerne geben Aufschluss
Wie die aktuelle Studie aufzeigt, finden sich die bisher ältesten Spuren für unbestritten menschlichen
Einfluss beispielsweise in Eisbohrkernen der Nordhemisphäre. Dabei konnten erhöhte Konzentrationen von
Schwermetallen, wie Kupfer und Blei, die eindeutig vom menschlichen Erzabbau und der Verhüttung aus der Kupfer-,
Eisen- und Römerzeit stammen, nachgewiesen werden. "Man kann sich die plakative Frage stellen, ab wann
der Mensch begonnen hat, die Erde zu vergiften", so der Geologe Michael Wagreich: "Eine Antwort darauf
finden wir in vielen geologischen Archiven". Das älteste Signal dafür ist etwa 3.200 bis 2.500 Jahre
alt und wird der phönizisch-griechischen Kupfer- und Silberproduktion zugeordnet. Die damit einhergehende
Bleianreicherung konnte etwa in einem Eisbohrkern aus dem arktischen Kanada nachgewiesen werden, der ungefähr
das Dreifache der natürlich vorkommenden Bleiwerte beinhaltet.
Erdwissenschaften, Archäologie und Geschichte forschen zusammen
Vor rund 2.000 Jahren zeigt sich sogar eine noch stärkere Bleikontamination mit bis zu fünffach erhöhten
Ausgangswerten, welche auf die intensive römerzeitliche Metallproduktion zurückgeht. Diese wurde vor
allem auf der iberischen Halbinsel nachgewiesen – die Isotopenzusammensetzung des Bleis lässt dabei direkt
auf die Herkunft aus Erzlagerstätten im heutigen Spanien schließen. "Die Verschmutzung durch Blei
und andere Metalle wurde nicht nur durch Flüsse verbreitet, sondern auch in der Atmosphäre in Form von
Aerosolen, die vor allem bei der Metallerzeugung, dem Rösten bzw. Verhütten des metallführenden
Erzes entstanden sind", erklärt Erich Draganits und ergänzt: "Die neuen Erkenntnisse machen
eine interdisziplinäre Kooperation von Erdwissenschaften, Archäologie und Geschichtswissenschaften notwendig".
"Wir sehen eine sehr frühe Anreicherung von Schwermetallen durch bronzezeitlichen bis römerzeitlichen
Bergbau. Allerdings ist das Ausmaß wesentlich kleiner und nicht global, wie später ab der Industriellen
Revolution und besonders mit dem verbleiten Benzin in den 1950er Jahren", so Wagreich. Die aktuellen Forschungsergebnisse
sind auch ein Beitrag zur generellen Debatte über die Bedeutung des Anthropozäns sowie der Diskussion
über den genauen Startpunkt dieses, und durch welche geologischen Signale eine Definition möglich wäre.
Derzeit setzt die internationale Arbeitsgruppe, deren Mitglied Michael Wagreich ist, mehrheitlich einen Beginn
des Anthropozäns um die 1950-er Jahre fest, da hier die ersten Nachweise von durch Atombombenversuche freigesetzte
Radionuklide, wie etwa Plutonium, erbracht wurden. Die wesentlich älteren Bleifreisetzungen bestimmen aber
einen Zeitraum, der als "Frühes Anthropozän" schon Eingang in die Fachliteratur gefunden hat.
Publikation in The Anthropocene Review
Michael Wagreich, Erich Draganits (2018): Early mining and smelting lead
anomalies in geological archives as potential stratigraphic markers for the base of an early Anthropocene. The
Anthropocene Review. DOI: 10.1177/2053019618756682
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