Matinee "Frauen – Erinnern" am Vortag des Internationalen Frauentags
Wien (pk) - "Diese Matinee ist ein Auftakt zum Gedenkjahr 2018, in dem wir mehr Licht auf feministische
Geschichte werfen wollen", sagte die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures am 7. März zur Begrüßung
bei der Matinee "Frauen – Erinnern" im Parlament. Frauen sei in der Vergangenheit oft wenig Handlungs-
und Entscheidungsspielraum zugestanden worden. Geschichtswissenschaft und Institutionen waren ausschließlich
männlich besetzt - das führte dazu, dass auch die Entscheidung darüber, woran sich eine Gesellschaft
in Form von Denkmälern, Ausstellungen, Feiertagen und Straßennamen erinnert, eine männliche Perspektive
hatte. Ein Paradigmenwechsel habe erst in den letzten Jahrzehnten stattgefunden, betonte Bures.
"Weibliches Erinnern" war anschließend auch das Thema des Vortrags von Literatur- und Kulturwissenschaftlerin
Aleida Assmann. Am Podium diskutierten die Leiterin des Forschungsschwerpunktes Frauen- und Geschlechtergeschichte
der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, Johanna Gehmacher, die Schriftstellerin
Maja Haderlap und Brigitte Halbmayr (Soziologin und Politologin, Institut für Konfliktforschung Wien, Forschungsschwerpunkt
Frauen und NS-Verfolgung). Die Moderation übernahm die Journalistin und Autorin Sibylle Hamann. Unter den
zahlreichen Gästen begrüßte Doris Bures etwa auch Bundesratspräsident Reinhard Todt sowie
Nationalratsabgeordnete und BundesrätInnen.
Bures: Der Internationale Frauentag steht historisch wie kein anderer Tag für die Solidarität unter
Frauen
"Über die Jahrhunderte hatte der männliche Blick in die Vergangenheit einen zentralen Zweck, männliche
Herrschaft zu legitimieren und zu reproduzieren", unterstrich Doris Bures, die zu der politischen Matinee
am Vortag des Internationalen Frauentags eingeladen hatte. Der Blick in die Vergangenheit habe sich erst in den
letzten Jahrzehnten verändert, so Bures, er wurde demokratisiert.
Erst dann stand nicht mehr allein die herrschende Elite im Fokus, sondern auch die breite Bevölkerung. Mit
der Sozialgeschichte wurde zunehmend die Lebenssituation aller Gesellschaftsschichten und Gruppen beleuchtet -
auch die der Frauen, sagte die Zweite Nationalratspräsidentin. Frauen wurden nicht mehr nur als Statistinnen
gesehen: "Sie wurden zu Protagonistinnen der Geschichte", hielt Bures fest.
Ein ganz entscheidender Moment für Frauen in der Vergangenheit war der erste internationale Frauentag: Am
19. März 1911 – also noch in der Monarchie - wurde er zum ersten Mal begangen. "Frauen haben damals erstmals
über Ländergrenzen hinweg diesen Tag zum internationalen Frauenkampftag erklärt und dazu aufgerufen,
diesen Kampf gemeinsam und solidarisch zu führen", so Bures. Sieben Jahre später, am Beginn der
Ersten Republik, war die zentrale demokratiepolitische Forderung des Frauentages in Österreich erreicht: Das
Allgemeine Wahlrecht. Frauen hatten nun das Recht zu wählen und auch das Recht, gewählt zu werden.
"Heute – 2018 – wissen wir: wir haben eine Geschichte, auf die wir stolz sein können, die uns Mut macht.
Denn sie zeigt uns, wie viel wir heute erreichen können, wenn wir solidarisch zusammenstehen und selbstbewusst
für uns und zukünftige Frauengenerationen eintreten."
Assmann: Weibliche Domäne - Erinnern, männliche Domäne - Vergessen?
Über Erinnern und Vergessen als relevante psychische Vorgänge sprach Aleida Assmann in ihrem Vortrag
über "Weibliches Erinnern". Beim Übergang vom individuellen zum nationalen und kulturellen
Gedächtnis gehen die Anteile von Männern und Frauen an diesem Erinnern und Gedenken oft dramatisch auseinander,
so die Wissenschafterin. Einerseits stelle sich heraus, dass es signifikant häufiger Frauen sind, die sich
erinnern, und dass dieses Erinnern manchmal auch eine Bedrohung für die Männer darstelle. Offen bleibe
die Frage, ob das Erinnern eine weibliche Domäne sei und das Vergessen eine männliche. Darüber hinaus
gehe es um die Selektionskriterien des kulturellen Gedächtnisses und der Organisation der Archive, erklärte
Assmann. Hier seien Frauen lange ausgeschlossen gewesen und noch immer in der Minderheit.
In der anschließenden Diskussion analysierte Johanna Gehmacher die Entwicklungen über 100 Jahre Frauenwahlrecht
und die Bildungsgeschichte aus der Frauenperspektive. Eine zentrale Frage sei, wie man die Geschichte der männlichen
Privilegien sichtbar machen könne, so Gehmacher. Zum gleichen Wahlrecht könne man nicht oft genug betonen,
wie viel dieses bedeutet. Die Bachmann-Preisträgerin Maja Haderlap thematisierte die Kultur des Gesprächs.
Eine wesentliche kulturelle Leistung der Sprache sei die Fähigkeit, zu reflektieren, so Haderlap. Sie beschrieb
darüber hinaus ihren Blick auf die Erinnerungsprozesse in ihrem Debütroman "Engel des Vergessens".
Brigitte Halbmayr berichtete aus ihrem umfassenden Forschungsschwerpunkt Frauen und NS-Verfolgung über die
Dokumentation der Geschichten der Überlebenden von Ravensbrück, dem Konzentrationslager für Frauen
in der Zeit des Nationalsozialismus.
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