Halbstündige "herzliche" Unterredung im Apostolischen Palast über Schutz
von Leben und Familie, Herausforderungen der EU, Migration, Krisen in Ukraine und Syrien und nukleare Abrüstung
- Bundeskanzler: Franziskus "ein Vorbild für uns als Politiker" - Einladung zum "Stille Nacht"-Jubiläum
Vatikanstadt (kap) - Bundeskanzler Sebastian Kurz ist am 5. März vvon Papst Franziskus in Audienz empfangen
worden. Der Vatikan würdigte in einem nach der etwa 35-minütigen Unterredung im Apostolischen Palast
veröffentlichten Kommunique die guten Beziehungen und die "fruchtbare Zusammenarbeit" zwischen Österreich
und dem Heiligen Stuhl. In dem "herzlichen" Gespräch standen demnach der Schutz von Leben und Familie
sowie die Förderung des Gemeinwohls vor allem mit Blick auf die schwächsten Gruppen in der Gesellschaft.
Themen waren laut Vatikan auch die Rolle Österreichs in der Europäischen Union. Die Vatikanmitteilung
sprach von einer "Notwendigkeit der Solidarität zwischen den Völkern". Weiters berührte
der Austausch aktuelle weltpolitische Fragen wie Frieden, nukleare Abrüstung und Migration. Papst Franziskus
schenkte dem Bundeskanzler die Medaille eines Friedensengels sowie seine drei programmatischen Schreiben "Evangelii
gaudium", "Laudato si" sowie "Amoris laetitia". Auch eine Ausgabe des Papstschreibens
zum jüngsten kirchlichen Weltfriedenstag, der heuer die Lage von Migranten und Flüchtlingen in den Fokus
rückte, wurde überreicht. Nach der Papstaudienz traf Kurz auch mit Kardinalstaatssekretär Pietro
Parolin und dem vatikanischen Untersekretär für Außenbeziehungen, Antoine Camilleri, zusammen.
Der Bundeskanzler sagte nach den Treffen, er habe mit dem Papst ausführlich über Europa und die Herausforderungen
der EU gesprochen. Dabei sei es etwa darum gegangen, wie sich die Mitglieder besser abstimmen und Entscheidungen
treffen könnten. Er habe zudem das Thema Migration angesprochen und sei überrascht gewesen, wie deutlich
Franziskus seine Position bestätigt habe, dass Regierungen bei der Aufnahme von Flüchtlingen auf die
Integrationsfähigkeit ihrer Länder achten müssten. Einig sei er sich mit dem Papst auch darin, dass
die Lebensbedingungen für Menschen in den Herkunftsländern verbessert werden müssten, so Kurz: "Das
bestärkt mich in unserem Tun, um vor Ort zu helfen."
Weitere Themen seien die Krisen in der Ukraine und Syrien sowie der gemeinsame Einsatz Österreichs und des
Heiligen Stuhls für Religionsfreiheit und nukleare Abrüstung gewesen, schilderte der österreichische
Bundeskanzler. Er zeigte sich beeindruckt vom Engagement des Papstes, "den einzelnen Menschen in den Mittelpunkt
zu stellen" und die weltweiten Lebensbedingungen zu verbessern. Franziskus sei in dieser Hinsicht "ein
Vorbild für uns als Politiker".
Einladung nach Salzburg erneuert
Anlässlich des bevorstehenden 200. Jahrestags der Entstehung des weltweit bekannten Weihnachtsliedes "Stille
Nacht, heilige Nacht" luden Kurz und der in den Vatikan mitgereiste Landeshauptmann von Salzburg, Wilfried
Haslauer, den Papst nach Salzburg ein. Das Lied, in dem es um eine zentrale christliche Botschaft gehe, werde jedes
Jahr von rund 2,4 Milliarden Menschen gesungen. Ob der Papst die Einladung annehmen werde, sei ungewiss, hieß
es. Das Land Salzburg hatte Papst Franziskus bereits im vergangenen Jahr offiziell zu einem Besuch in Salzburg
im Rahmen des Jubiläums eingeladen.
Zum bisherigen Ergebnis der italienischen Parlamentswahlen äußerte sich Kurz zurückhaltend. Er
respektiere die Entscheidung der italienischen Bevölkerung und wünsche sich "eine gute Beziehung
zu einem unserer größten Nachbarn". Das Land habe großen Reformbedarf, etwa beim Kampf gegen
die Staatsverschuldung. Zudem wünsche sich Wien "natürlich eine proeuropäische Regierung in
Rom".
Es war der erste offizielle Besuch des neuen Regierungschefs beim Papst. Im April 2015 war Kurz, damals noch als
Außenminister, nach der Generalaudienz auf dem Petersplatz von Franziskus begrüßt worden. Erst
im November hatte auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem Papst einen Besuch abgestattet. Kurz'
Amtsvorgänger als Regierungschef, Christian Kern, war vor einem Jahr zusammen mit den anderen 27 EU-Staats-
und Regierungschefs im Vatikan empfangen worden. Anlass bot damals die Feier des 60. Jahrestages der Unterzeichnung
der Römischen Verträge, der Gründungsakt der europäischen Gemeinschaft.
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