Wie kombiniert man verschiedene Elemente in einem Kristall? An der TU Wien wurde nun eine Methode
entwickelt, bisher unerreichbar hohe Anteile von Fremdatomen in Kristalle einzubauen.
Wien (tu) - Wer einen Kuchen bäckt, kann die Zutaten in fast beliebigem Mengenverhältnis zusammenfügen
– sie werden sich immer mischen lassen. In der Materialchemie ist die Sache komplizierter.
Oft möchte man die physikalischen Eigenschaften eines Materials verändern, indem man einen gewissen Anteil
eines zusätzlichen Elements hinzufügt. Allerdings gelingt es nicht immer, die gewünschte Menge in
die Kristallstruktur des Materials einzubauen. An der TU Wien entwickelte man nun eine neue Methode, mit der bisher
nicht erreichbare Mischungsverhältnisse zwischen Germanium und gewünschten Fremdatomen erreicht werden
können. So entstehen neue Materialien mit deutlich veränderten Eigenschaften.
Mehr Zinn oder Gallium in den Germanium-Kristall
„In einen Kristall gezielt Fremdatome einzubauen, um seine Eigenschaften zu verbessern, ist eigentlich eine Standardmethode“,
sagt Sven Barth vom Institut für Materialchemie der TU Wien. Unsere moderne Elektronik beruht auf Halbleitern
mit bestimmten Zusätzen – ein Beispiel dafür sind etwa Siliziumkristalle, in die Fremdatome wie Phosphor
oder Bor eingebaut werden.
Auch das Halbleitermaterial Germanium sollte seine Eigenschaften grundlegend ändern und sich eher wie ein
Metall verhalten, wenn man eine ausreichende Menge an Zinn beimengt – das war bereits bekannt. Doch in der Praxis
war das bisher nicht zu erreichen.
Naiv betrachtet könnte man einfach versuchen, die beiden Elemente stark zu erhitzen, sie in flüssiger
Form gut durchzumischen und dann erstarren zu lassen, wie man das seit Jahrtausenden macht, um einfache Metall-Legierungen
herzustellen. „Diese einfache thermodynamische Methode versagt aber in diesem Fall, weil sich die beigemischten
Atome nicht effizient ins Gittersystem des Kristalls einfügen“, erklärt Sven Barth. „Je höher die
Temperatur, umso beweglicher sind die Atome im Material. Das kann dazu führen, dass sich diese Fremdatome
nach einem erfolgreichen Einbau aus dem Kristall ausscheiden und im Inneren wieder nur eine sehr geringe Konzentration
dieser Atome zu finden ist.“
Sven Barths Team entwickelte daher einen neuen Zugang, der ein besonders schnelles Kristallwachstum mit sehr niedrigen
Prozesstemperaturen verbindet. Dabei wird bei der Entstehung des Kristalls laufend die richtige Menge der Fremdatome
eingebaut. Die Kristalle wachsen in Form von Drähtchen oder Stäbchen im Nano-Format, und zwar bei deutlich
geringeren Temperaturen als bisher, nämlich bei bloß 140-230 °C. „Dadurch sind die eingebauten Atome
von Anfang an weniger beweglich, die Diffusionsprozesse sind langsam, die meisten Atome bleiben dort, wo man sie
haben will“, erklärt Barth dessen Forschung in diesem Bereich vom FWF finanziert wird.
Mit dieser Methode gelang es bis zu 28% Zinn bzw. 3,5% Gallium in Germanium einzubauen. Das ist erheblich mehr
als bisher durch gewöhnliche thermodynamische Kombination dieser Materialien möglich war – nämlich
das 30- bis 50-fache.
Laser, LEDs, Elektronik-Bauteile
Für die Mikroelektronik eröffnet das neue Möglichkeiten: „Germanium ist einerseits gut mit bestehender
Silizium-Technologie kombinierbar, und der Zusatz von Zinn bzw. Gallium in solch hohen Konzentrationen bietet andererseits
hoch interessante opto-elektronische Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Sven Barth. Die Materialien wären
etwa für Infrarot-Laser, für Photodetektoren oder neuartige LEDs im Infrarot-Bereich einsetzbar, da sich
die physikalischen Eigenschaften des Germaniums durch diese Zusätze signifikant ändern.
|