New York/Wien (idw) - Die Herstellung von Next-Generation Biopharmazeutika und Impfstoffen war bisher mit zahlreichen
Herausforderungen verbunden. Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology und die BOKU Wien haben gemeinsam
mit dem Boyce Thompson Institute in New York eine neue Produktionsplattform entwickelt, die eine schnellere, ökonomischere
und sicherere Herstellung moderner Pharmazeutika verspricht - von Gentherapien bei neurodegenerativen Erkrankungen
wie Parkinson oder Alzheimer über die Krebstherapie bis hin zu modernen Präventiv-Impfstoffen gegen das
Influenza-, HIV-, Dengue- oder Zika-Virus.
Moderne Biopharmazeutika werden häufig auf Basis verschiedener Designer-Proteine wie virus-ähnlicher
Partikel (VLP) hergestellt und wachsen auf eukaryotischen Organismen wie Hefen oder Insektenzellen. VLPs. Eine
der vielen Anwendungen von VLPs ist etwa, als Impfstoff den Körper bei der Bildung von Antikörpern gegen
verschiedene Erreger zu unterstützen. Das Immunsystem muss man sich dabei als Memoryspieler vorstellen, der
die Oberflächen des jeweiligen Virus erkennt, und, sobald in Kontakt mit ihm, Resistenzen ausbildet. Dieses
Prinzip machen sich VLPs zunutze: Sie imitieren die Oberfläche des Virus und täuschen eine Infektion
vor, ohne den Körper zu schädigen. Das gefährliche, für die Ansteckung verantwortliche Erbgut
im Inneren der Hülle eines Virus ist nämlich entfernt. Da sich die Oberflächenproteine der VLP gezielt
auf verschiedenste Anwendungen maßschneidert lassen, wird die Next-Generation Nanopartikel-Technologie für
die Industrie immer interessanter. Allerdings braucht es für die Produktion dieser spezifischen Art von Biomolekülen
auch neue, vor allem stabilere Herstellungsverfahren.
"Bisherige Produktionsmethoden (Impfstoffe) werden seit rund 50 Jahren mithilfe von Saatviren hergestellt,
das sind lebende Krankheitserreger, die sich in Zellen aus Hühnereiern vermehren. Damit werden etwa zugelassene
Influenza-Vakzine produziert. Durch die Faustregel "Pro Ei eine Impfstoffdosis" ist die Zahl der Vakzine
bei weltweit ca. 150 bis 200 Millionen verfügbaren Eiern begrenzt. Auch bisher eingesetzte alternative Plattformen
wie die Impfstoffproduktion in Zellkulturen (z.B. Säugetierzellen) haben den Nachteil, instabil zu sein.
Verbesserte Insektenzelllinie zur Proteinproduktion
In einem Kooperationsprojekt zwischen dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und dem Boyce
Thompson Institute (BTI) an der Cornell University in New York (USA) wird an einer Plattformtechnologie zur optimierten
Produktion diverser Proteine geforscht. "Möglich macht das eine vom BTI entwickelte Zelllinie, die, anders
als ursprünglich mit Insektenviren befallene Expressionssysteme, erstmals gänzlich virusfrei ist",
erklärt acib-Forscherin und Projektleiterin Reingard Grabherr.
Am acib wird der Prozess im Maßstab einer Pilotanlage getestet. Die genetisch optimierte Insektenzelllinie
wird in einem Bioreaktor durch einen ausgeklügelten Fermentationsprozess zum Wachstum und zur Protein-Produktion
angeregt, bevor die Forscher - z.B. bei Impfstoffen - die gewünschte genetische Information für die Produktion
der Impfstoff-Partikel auf die Designer Proteine übertragen. Nach ca. vier Tagen werden die von der Zelle
produzierten Partikel aufgereinigt. Das Resultat sind Virus Like Partikels.
"Durch die Zusammenarbeit mit dem acib können wir die neuen Zelllinien unter Bedingungen beobachten,
wie sie normalerweise in der kommerziellen Produktion vorkommen. Die neue Technologie unter diesen Bedingungen
zu testen, stellt für ein universitäres Umfeld ein Novum dar", freut sich Paul Debbie, Director
of technology transfer and licensing am BTI, der die gute Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Prozesstechnikern
hervorhebt.
Großes Potenzial für die Pharmazie
Aktuell sind die Forscher bemüht, die Produktionsplattform für die industrielle Anwendung vorzubereiten.
"Um eine noch höhere Prozessstabilität zu erreichen und Ausfälle zu vermeiden, führen
wir Transkriptomics-Analysen durch und schauen, wie sich die ca. 15.000 verschiedenen Gene der Zelle verhalten",
so acib-Forscher Wolfgang Ernst. "Der Prozess zeigt als neue Plattform-Technologie großes Potenzial
für die pharmazeutische Industrie", erklärt acib-Arealeiter und BOKU-Forscher Alois Jungbauer, der
bereits mit interessierten, internationalen Unternehmen im Gespräch ist.
Mit der neuen Technologie könnte eine breite Palette an Next Generation Biopharmaceuticals schon in wenigen
Jahren wesentlich schneller, einfacher und sicherer hergestellt werden. Die Anwendungen von Virus-like Particles
eignen sich von Gentherapien bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer über die Krebstherapie
bis hin zu modernen Präventiv-Impfstoffe z.B. gegen das Influenza, HIV-, Dengue- oder Zika-Virus.
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