Wien (wien holding) - Das Kunst Haus Wien, ein Museum der Wien Holding, präsentiert von 14. März 2018
bis 19. August 2018 die neue Ausstellung „It’s Not Me, It’s a Photograph” von Elina Brotherus. Die umfassende Mid-Career-Show
im Kunst Haus Wien stellt die wichtigsten Werkserien der 1972 in Helsinki geborenen Künstlerin vor.
Neuer, in Wien entwickelter, Werkkomplex erstmals zu sehen
Elina Brotherus setzt sich auf konsequente und vielfältige Weise mit ihrer eigenen Biografie, dem Landschaftsgenre
und der Kunstgeschichte auseinander. Seit über 20 Jahren bewegt sich Brotherus im Spannungsfeld zwischen Fotografin
und Modell und entwickelte eine eigene, von Sensibilität, formaler Meisterhaftigkeit und ausgeführtem
Perfektionismus geprägte Bildsprache. Neben Auszügen aus ihren jüngsten, im Herbst 2017 im Pariser
Centre Pompidou präsentierten Arbeiten, ist ein noch unveröffentlichter Werkkomplex zu sehen, den die
Künstlerin eigens für die Ausstellung schuf. Brotherus bezieht sich hier auf Werke von Maria Lassnig
und Friedensreich Hundertwasser sowie VALIE EXPORT und Erwin Wurm – mit letzteren entwickelte sie ihre, zwischen
„re-enactment“ und „appropriation“ angelegten Arbeiten im Dialog.
Selbstdarstellungen und Landschaftsdarstellungen prägen Brotherus‘ Werk
Die 1972 in Helsinki geborene, in Frankreich und Finnland lebende Fotokünstlerin Elina Brotherus zählt
aktuell zu den erfolgreichsten VertreterInnen ihrer Generation. Mit Fotoarbeiten und Filmen, in denen sie die Rolle
der Fotografin und die des Modells einnimmt, lässt sie uns als Künstlerin, Akteurin oder Statistin an
essentiellen Fragen des Lebens teilhaben. Vorerst sind ihre, immer als Serie konzipierten Arbeiten, vor allem biografisch
verortet. Sie begibt sich auf die Suche nach An- und Abwesenheit von Liebe, nach Identität und hinterfragt
die Beziehung von Individuum und Raum. Später setzt sich Brotherus verstärkt mit kunstgeschichtlichen
Entwicklungen auseinander, bezieht sich auf Ikonen der Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts – aktuell referiert
sie auf die zeitgenössische Kunst der 1960er und 70er Jahre. Mit großer Ernsthaftigkeit und Stringenz
setzt sie sich wiederholt mit ihren Motiven auseinander, variiert diese, wodurch sie den Blick für Details
und Nuancierungen schärft. Ob in intimen Interieurs oder in weiten Landschaften, die menschliche Figur bietet
einen Anhalts- und Identifikationspunkt.
Das Selbst, der Raum, die Landschaft
Die Ausstellung spannt den Bogen von Elina Brotherus‘ ersten international beachteten Serien der späten
1990er Jahre bis zu ihren neuesten, aktuellen Werkkomplexen. Mit „Das Mädchen sprach von Liebe“ (1998/99),
dessen Titel sie Franz Schuberts Winterreise (1827) entlieh, verarbeitet sie die gescheiterte Ehe, konfrontiert
sich schonungslos mit ihrer Identität und Dringlichkeit sich selbst zu erkennen und zu verstehen. Die Bildzyklen
„Annonciation“ (2009-2013) und „Carpe Fucking Diem“ (2011-2015) erzählen ungeschönt von Einsamkeit, Verzweiflung,
Angst und Trauer rund um den jahrelangen Versuch, schwanger zu werden, was schlussendlich in der Akzeptanz der
Kinderlosigkeit mündet: Mit einem Dackel namens Marcello kompensiert die Künstlerin die Mutterschaft.
Das Selbstporträt „My dog is cuter than your ugly baby“ (2013) zeigt sie sich provokant mit Hundebaby und
Stinkefinger, es steht für eine neue Phase, in der ihre Arbeiten leichter, verspielter und humorvoller werden.
In der Auseinandersetzung mit Landschaft und Landschaftsdarstellung spielt die Künstlerin mit ihrem Körper
als Bezugspunkt und Referenz. Die Serie „Suites françaises“ (1999) beinhaltet autobiografische Momente –
Brotherus erlernt die französische Sprache mit Hilfe von auf Post-It’s notierten Begriffen – sie identifiziert
sich mit einer anderen Kultur. „12 ans après“ (2011–2013), also „12 Jahre danach“, stellt Elina Brotherus
das eigene Selbst nach, auf den gelben Zetteln sind nun poetische Texte zu lesen, um die Suche nach dem Beständigen,
die Beziehung zum Raum und zur Sprache neu auszuloten. Weitere Innen- und Außenräume nimmt die Künstlerin
in der Serie „Les Femmes de la Maison Carré“ (2015) in Besitz: 2015 bewohnt sie die von Alvar Aalto erbaute,
unbewohnte Villa des Kunsthändlers Louis Carré in der Nähe von Paris, wo sie am Esstisch, am Swimmingpool
oder im Garten sich selbst, die Architektur und das Licht in Szene setzt.
Motive aus der Kunstgeschichte
Klassische Kompositionen, wohldurchdachte Lichtsetzungen und ausgewogene Farbigkeit kennzeichnen Elina Brotherus‘
fotografische Arbeiten, die immer wieder Bezug auf Motive aus der Kunstgeschichte nehmen: Sie integriert Stilelemente
wie Spiegel (oder Wasseroberflächen) oder eine Glaskugel in Ergänzung des weiblichen Akts, den sie auch
in den Videoarbeiten „Model Studies“ (2002–2008) als klassische Kunstübung heranzieht und in das digitale
Medium übersetzt. In der Serie „Artists at Work“ (2009) steht sie wieder selbst Modell – für die beiden
Maler Jan Neva und Teemu Korpela als Aktmodell – die Szenerie hält sie als Fotoarbeit fest, mit der sie die
Schöpferin des Bildes bleibt und die beiden Maler selbst zu Statisten werden.
Mit ihrer jüngsten Arbeit, „Règle du Jeu“, (seit 2017) beschreitet die Künstlerin neue Wege: Ausgangspunkt
sind Handlungsanweisungen, die sie bei KünstlerInnen der Fluxus-Bewegung (eine Kunstrichtung der 1960er-Jahre,
bei der die schöpferische Idee zentral ist und alle künstlerischen Ausdrucksformen mit dem Leben verbunden
sein sollen), aber auch bei zeitgenössischen KünstlerkollegInnen findet. Brotherus performt und inszeniert
dutzende solcher Instruktionen – bei den „Baldessari Assignments“ (2016) noch allein, bei „Règle du Jeu“
(Spielregel, seit 2017) mit ihrer Freundin, der Tänzerin und Choreografin Vera Nevanlinna als Kompagnon.
Als Auslöser für ihre Fotografien dienten Brotherus jüngst auch Arbeiten der österreichischen
Künstlerin VALIE EXPORT und des österreichischen Künstlers Erwin Wurm, mit ihnen gemeinsam setzte
sie die neuen Arbeiten um. Mit Hundertwasser „Tree Performance“ (2018) stellt Brotherus eine Fotografie nach, die
Friedensreich Hundertwasser mit einem zu pflanzenden Baum in der Via Manzoni in Mailand zeigt. Im Rahmen der Triennale
in Mailand 1973 hatte Hundertwasser dort Bäume in Wohnungen gepflanzt.
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