Erinnerungszeichen für die Opfer von Nationalsozialismus und Krieg in der Steiermark
Graz (lk) - Am 12. März 1938 erfolgte der Anschluss Österreichs an das damalige nationalsozialistische
Deutschland. In der Steiermark gibt es unzählige Erinnerungszeichen an die Gräueltaten des Nationalsozialismus
und an die Opfer dieser schrecklichen Zeit. Auf Basis eines einstimmigen Landtagsbeschlusses im April 2017 wurde
im Auftrag des Landtages Steiermark eine repräsentative Dokumentation der Erinnerungslandschaft in der Steiermark
in Form eines Buchprojektes erarbeitet. Anlässlich des Gedenkens des 80. Jahrestages des Anschlusses wurde
das Buch nun am 12. März im Sitzungssaal des Landtages unter Anwesenheit höchster politischer Vertreterinnen
und Vertretern des Landes präsentiert.
„Orte und Zeichen der Erinnerung - Erinnerungszeichen für die Opfer von Nationalsozialismus und Krieg in der
Steiermark" dokumentiert erstmals vollständig die vielfältigen Erinnerungszeichen für die Opfer
von Nationalsozialismus und an den Krieg in der Steiermark. Es würdigt damit die Opfer und hält die Erinnerung
an sie wach. Außerdem zeigt es die vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Wandlungen im Umgang
mit dem Nationalsozialismus und seinem Erbe seit dem Ende des nationalsozialistischen Unrechtsregimes auf. Die
drei Autoren Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht und Georg Rigerl geben auf rund 400 Seiten in Text und Bild einen
tiefen Einblick in die Erinnerungskultur der Steiermark und schufen somit eine bisher noch nie da gewesene detaillierte
Illustration zu diesem wichtigen Thema.
Landtagspräsidentin und Initiatorin des Buchprojektes Bettina Vollath weist auf die Wichtigkeit dieses Werkes
hin und führt aus: „Gerald Lamprecht, Heimo Halbrainer und Georg Rigerl legen mit diesem Buch die erste umfassende
Dokumentation darüber vor, woran über die Jahrzehnte in der Steiermark erinnert wurde - und was zu gewissen
Zeiten doch lieber vergessen wurde. Es zeigt die Dimensionen der Vernichtung durch Faschismus und Krieg auf und
liefert Beiträge dazu, die Erinnerung wach zu halten, die einzelnen Phasen der Erinnerung kritisch zu reflektieren
und es lädt dazu ein, das Gelesene anhand von Entwicklungen in der Gegenwart zu messen und zu bewerten. Im
besonderen Maße das zuletzt genannte ist mein großes Herzensanliegen und etwas, wofür ich nicht
müde werde zu werben: Es geht immer wieder darum, nicht ausschließlich der Geschehnisse zu erinnern,
sondern auch heutige Entwicklungen im Lichte der damaligen Ereignisse kritisch zu beurteilen."
Über 200 Gäste kamen zu dieser feierlichen Buchpräsentation ins Landhaus, davon viele hochrangige
Vertreterinnen und Vertreter der offiziellen Steiermark, an der Spitze Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer
und Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer, welche auch Grußworte sprachen.
Für Landeshauptmann Schützenhöfer steht fest, dass sich das Gedenken nicht in leeren Ritualen erschöpfen
darf, sondern eine ständige Herausforderung für eine präventive Erinnerungskultur sein muss, um
aus der Vergangenheit Lehren für die Zukunft zu ziehen. „Friede, Freiheit und Demokratie sind keine ungefährdeten
Selbstverständlichkeiten, sondern müssen täglich neu geschützt, errungen und gelebt werden.
Die Orte und Zeichen der Erinnerung im ganzen Land sind dazu wichtige Ermahnungen und geben dafür wichtige
Impulse. In diesem Sinne sollen wir alle unseren Beitrag leisten. Ich danke allen Beteiligten an diesem so wichtigen
Projekt für ihr großes Engagement", so Schützenhöfer.
Landeshauptmann-Stellvertreter Schickhofer bekräftigte: „Vor 80 Jahren brannte sich der Gedanke des Nationalsozialismus
in die Köpfe der Menschen. Er wütete in weiterer Folge wie ein Inferno in Europa und hinterließ
nichts als Schutt und Asche. Wir dürfen nicht vergessen wozu ein Gedanke führen und welche Gräueltaten
er heraufbeschwören kann. Ich danke den Autoren für die Veröffentlichung dieses Buches. Es stellt
die Erinnerung an diese Taten sicher und würdigt die vielen Opfer des Nationalsozialismus."
Zwei Jahre lang arbeiteten die drei Autoren an dem Werk, welches nunmehr eine Lücke in der steirischen Literaturlandschaft
schließt. „An wen und was man sich erinnert, ist wesentlich für die Frage, wer man als Mensch und Gesellschaft
ist. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, seinen Verbrechen sowie seinen Opfern und jenen
die sich dagegen zur Wehr gesetzt haben, trägt wesentlich dazu bei, uns unserer demokratischen und rechtsstaatlichen
Grundwerte zu versichern", so Gerald Lamprecht, Historiker und Leiter des Centrums für Jüdische
Studien der KFU-Graz.
Heimo Halbrainer, Historiker und Leiter von CLIO Graz betonte: „Mahnmäler und Gedenktafeln sind die Materialisationen
des Geschichtsbewusstseins im Alltag. Sie machen sichtbar, welche Ereignisse und welche Personen von welchen gesellschaftlichen
Gruppen zu bestimmten Zeiten für erinnerungswürdig gehalten werden und daraus abgeleitet, welche Sinngebung
auch für die Zukunft Bestand haben sollte." Georg Rigerl, Kunstpädagoge und Fotograf beinahe aller
Bilder im Buch, bekräftigte: „So wie Erinnerung verblasst, altern und verschwinden Denkmäler und werden
wieder unsichtbar. Erinnerung lebendig und die Erinnerungslandschaften sichtbar zu halten erfordert immer wieder
neue Anstrengungen. Dazu soll diese Dokumentation anregen und beitragen."
Über die Autoren:
Gerald Lamprecht
ist Historiker und Leiter des Centrums für Jüdische Studien der Karl-Franzens-Universität Graz.
Seine Forschungsschwerpunkte sind jüdische Geschichte des 19. und 20. Jahrhundert, die Geschichte des Antisemitismus,
Geschichte des Ersten Weltkriegs sowie NS-Herrschaftssystem, Verfolgungsgeschichte der Jüdinnen und Juden,
Vermögensentzug und Gedächtnisgeschichte. Derzeit befasst er sich u.a. mit der Erfahrungs- und Erinnerungsgeschichte
des Ersten Weltkrieges aus jüdischer Perspektive.
Heimo Halbrainer
ist Historiker, Leiter von CLIO Graz und Mitarbeiter am Centrum für Jüdische Studien der Universität
Graz. Forschungsschwerpunkte und Publikationen zur NS-Herrschaft, zum Widerstand, jüdische Regionalgeschichte
sowie dem Umgang mit der NS-Zeit nach 1945 (Erinnerungskultur und Justizgeschichte).
Georg Rigerl
Studium der Malerei, Grafik und Kunstpädagogik; 1975 bis 2013 Lehrtätigkeit am BG/BORG (HIB) Liebenau
in Graz; Arbeit mit unterschiedlichen visuellen Medien.
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