U-Ausschuss: VfGH als Schiedsrichter zwischen
 Mehrheit und Minderheit im Nationalrat

 

erstellt am
26. 03. 18
13:00 MEZ

Eine Minderheit im Nationalrat kann einen U-Ausschuss fordern. Sind Mehrheit und Minderheit uneinig, kann der VfGH angerufen werden.
Wien (vfgh) - Mit der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen im Nationalrat als Minderheitenrecht zu Jahresbeginn 2015 wurde für den Verfassungsgerichtshof eine neue Zuständigkeit geschaffen: Der Gerichtshof muss entscheiden, wenn die aus mindestens 46 Abgeordneten bestehende (Einsetzungs-)Minderheit einerseits und die Mehrheit andererseits sich über den Untersuchungsgegenstand und weitere Abläufe im Ausschuss nicht einigen können. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet über diese Anträge „tunlichst binnen vier Wochen“ (§ 56c Abs 6 VfGG). Die Einhaltung dieser Frist kann sichergestellt werden, indem der Gerichtshof bei Bedarf zu einer Zwischensession zusammentritt.

Die Aufgaben des VfGH im Zusammenhang mit U-Ausschüssen sind in Art 138b Bundes-Verfassungsgesetz sowie in §§ 56c bis 56k Verfassungsgerichtshofgesetz geregelt. Sie betreffen

  • die Entscheidung über das Verlangen einer Minderheit, einen U-Ausschuss einzusetzen: Die Mehrheit kann ein Verlangen auf Einsetzung eines U-Ausschusses im Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates für ganz oder teilweise unzulässig erklären. In diesem Fall kann die (Einsetzungs-)Minderheit den VfGH anrufen. (Art 138b Abs 1 Z 1 B-VG, § 56c VfGG)
  • den Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses sowie weitere Beweisbeschlüsse des Ausschusses: Auch in diesen Fällen kann die (Einsetzungs-)Minderheit den VfGH anrufen, wenn die Mehrheit den Anträgen der Minderheit nicht gefolgt ist. (Art 138b Abs 1 Z 2 u 3 B-VG, §§ 56d u 56e VfGG)
  • Meinungsverschiedenheiten mit informationspflichtigen Organen (Ministerien etc) betreffend die Vorlage von Informationen (Aktenvorlage). (Art 138b Abs 1 Z 4 B-VG, § 56f VfGG)
  • Meinungsverschiedenheiten betreffend die Ladung von Auskunftspersonen. (Art 138b Abs 1 Z 5 B-VG, § 56g VfGG)
  • Meinungsverschiedenheiten mit dem Bundesminister für Justiz betreffend die Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden. (Art 138b Abs 1 Z 6 B-VG, § 56h VfGG)
  • die Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen im U-Ausschuss. (Art 138b Abs 1 Z 7 B-VG, § 56i VfGG)
  • die Klassifizierung hinsichtlich der Geheimhaltung von Akten. (Art 138b Abs 2 B-VG, § 56j VfGG)


Erstmals angewendet wurden diese Regelungen bei Verfahren betreffend den Hypo-Untersuchungsausschuss im Jahr 2015. Der Verfassungsgerichtshof entschied damals über zehn Anträge im Zusammenhang mit dem Ausschuss.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.fvgh.gv.at

 

 

 

 

 

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