Eine Bestandsaufnahme von 23. Mai 2018 bis 24. Februar 2019
Linz (nordico) - Die Aphrodite-Statue, die 2008 eine hitzige öffentliche Diskussion zum Umgang mit NS-Relikten
ausgelöst hat, wird in einer Ausstellung im NORDICO Stadtmuseum präsentiert. Die museale Schau beleuchtet
die historischen Hintergründe der Statue und macht sie eingebettet in ihren Gesamtkontext wieder der Öffentlichkeit
zugänglich.
1942 wurde im Rundsäulentempel der Linzer Bauernberg-Parkanlage eine etwa lebensgroße Bronzestatue
einer Aphrodite aufgestellt. Die Statue war ein Geschenk Adolf Hitlers für seine "Heimatstadt" Linz,
die er 1940 beim Mecklenburger Bildhauer Wilhelm Wandschneider in Auftrag gegeben hatte. Der Aphroditentempel am
Bauernberg war jahrzehntelang beliebter Flanierort für viele LinzerIinnen und Linzer, der historische Hintergrund
geriet ins Vergessen. Erst das Projekt "Hohlräume der Geschichte" der Kunstuniversität Linz
lenkte 2008 die Aufmerksamkeit auf das vergessene "Führergeschenk".
Vom Sockel gestürzt. Eine Erregung
Der Künstler Alexander Jöchl machte mit seiner Installation formlos auf den historischen Kontext
der Bauernbergpark-Aphrodite aufmerksam. Die Stadt Linz reagierte mit der sofortigen Entfernung der Skulptur, das
einstmalige Geschenk des "Führers" sollte eine klare Ablehnung erfahren. Diese Reaktion führte
zu Kritik und zur Diskussion der Frage: Ist das Entfernen aus dem öffentlichen Raum der richtige Umgang mit
dem NS-Erbe der Stadt? Während die Aphrodite nach ihrer Entfernung vom Bauernberg im Depot des Stadtmuseums
ihres weiteren Schicksals harrte, kam es zur hitzigen öffentlichen und politischen Konfrontation unterschiedlicher
Positionen.
Neuaufstellung im Gedenkjahr 2018
Im Sommer 2016 konstituierte sich eine Expertengruppe unter dem Vorsitz von Kulturdirektor Julius Stieber mit
Walter Schuster (Direktor Archiv der Stadt Linz), Heidemarie Uhl (Österreichische Akademie der Wissenschaften),
Ulrike Knall-Brskovsky (Leitung Bundesdenkmalamt OÖ.) und Andrea Bina (Leitung NORDICO Stadtmuseum Linz).
Verschiedene Varianten für einen sorgfältigen Umgang mit der Statue Aphrodite wurden analysiert und eine
entsprechende Darstellung der historischen Faktenlage wurde als Basis für eine politische Entscheidung erarbeitet.
Auf Initiative des städtischen Kulturausschusses wird die Skulptur, inklusive einer Dokumentation ihres historischen
Hintergrunds, ab 23. März 2018 im NORDICO Stadtmuseum Linz ausgestellt. Der Sockel (2008 ebenfalls entfernt)
wurde mit einer erläuternden Tafel wieder an seinem ursprünglichen Platz am Bauernberg aufgestellt. Nach
Ende der Ausstellung Aphrodite. Eine Bestandsaufnahme im Linzer Zimmer wird die Skulptur in die Dauerpräsentation
100 % Linz integriert.
Aphrodite x 2
Die in Linz befindliche Aphrodite ist die Replik einer Skulptur, die der Bildhauer Wilhelm Wandschneider bereits
vor 1918 geschaffen hat. Diese Originalskulptur ist 1940 bei der Großen Deutschen Kunstausstellung gezeigt
und dort von Adolf Hitler gekauft worden. Sie sollte entweder in der Reichskanzlei Berlin oder dem geplanten Linzer
"Führermuseum" aufgestellt werden. Sie kam während des Krieges in ein Depot im beschlagnahmten
Kloster Hohenfurth (Vyí Brod). Von dort wurde sie nach Ende des Zweiten Weltkriegs als Reparationsleistung
der tschechoslowakischen Regierung übergeben und gelangte im Park des Schlosses Frauenberg (Hluboká)
zur Aufstellung. Die Aphroditen unterscheiden sich nur in der Ausarbeitung des Sockels, während die Linzer
Aphrodite für einen runden Sockel gefertigt wurde, steht die Aphrodite in Frauenberg auf einem rechteckigen
Sockel. Erst im Zuge der Vorbereitung dieser Ausstellung konnte ihr dortiger Aufenthaltsort recherchiert und die
Geschichten der beiden fast identen Aphroditen zusammengeführt werden.
Ist die Aphrodite "Nazi-Kunst"?
Ja und nein. Der Mecklenburger Bildhauer Wilhelm Wandschneider schuf die ursprüngliche Aphrodite um 1908
und damit klar vor der NS-Zeit. Allerdings war diese Skulptur 1940 bei der Großen Deutschen Kunstausstellung
in München ausgestellt. Dort fanden nur Künstler und Kunstwerke Aufnahme, die von der Kunstpolitik des
"Dritten Reichs" besonders anerkannt waren. Wandschneider war NSDAP-Mitglied, auf Hitlers Wunsch fertigte
er 1940 einen neuerlichen Abguss der Aphrodite, die am Linzer Bauernberg zur Aufstellung kam. Rein formal ist die
Einordnung als "NS-Kunst" oft schwierig: Im Nationalsozialismus war zwar klar definiert, welche Kunst
als "entartet" galt - nämlich alle Formen der Moderne und Kunstwerke jüdischer Künstler.
Weniger eindeutig blieb aber die Definition der propagierten "deutschen" Kunst. Gerade im Fall der Skulptur
orientierte sich diese häufig - wie im Fall der
Aphrodite - an antiken Vorbildern und zeigte wenig Eigenständigkeit.
Die Parkanlage am Linzer Bauernberg
Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert begann der Linzer Verschönerungsverein mit der Erschließung
großer Flächen im Bereich des Linzer Freinbergs, des Bauernbergs und der Gugl. 1910 schenkte der Industrielle
und Erfinder der Eternit-Platte Ludwig Hatschek die an seine Villa auf der Gugl angrenzenden Gründe der Stadt
Linz zum Ausbau einer Parkanlage. Erst 1908 war der Sandabbau dort eingestellt worden. Die Pläne der Parkanlage
gehen auf Karl Pfeifer zurück, umgesetzt wurden sie vom späteren Linzer Stadtgartendirektor Karl Schweiger.
Bis heute zählt der Bauernberg-Park mit seinen Spazierwegen und Grünflächen zu den beliebtesten
Erholungsorten der Stadt. Zahlreiche Kunstwerke, darunter der Säulentempel, der Berggeist, der Neptunbrunnen,
waren Spenden von Ludwig Hatscheks. Die prächtige Jugendstil-Villa Hatscheks mit ihrer wechselvollen Geschichte
(1941 durch den Gau Oberdonau beschlagnahmt, darauf Sitz der Gauleitung und ab 1945 Sitz der amerikanischen Alliierten,
danach Rückgabe an die Besitzer und Verkauf an das Land OÖ) wurde 1970 komplett abgerissen und durch
einen Neubau (Landwirtschaftskammer) ersetzt.
Die "Führerstadt" Linz 1938?1945
Adolf Hitler verbrachte mehrere Kindheits- und Jugendjahre in Linz, nach dem "Anschluss" 1938 wurde
die Stadt zur "Heimatstadt des Führers" stilisiert. Sie erhielt das Prädikat einer "Führerstadt"
und als eine von fünf "Führerstädten" im Deutschen Reich sollte Linz nationalsozialistische
Vorzeigestadt werden. Es entstanden Industrie- und Wohnanlagen, die die Stadt bis heute prägen. Von der geplanten
Monumentalverbauung der beiden Donauufer kamen nur Nibelungenbrücke und Brückenkopfgebäude zur Umsetzung.
Nicht verwirklicht wurde die Anlage eines Kulturzentrums mit Oper und "Führermuseum" in der Nähe
des Volksgartens. In Zusammenhang mit der "Führerstadt" Linz ist auch der nicht weit entfernt errichtete
Konzentrationslagerkomplex Mauthausen- Gusen zu sehen. Der dort unter Häftlingszwangsarbeit vollzogene Granitabbau
sollte auch den Linzer Bauvorhaben zur Verfügung stehen. Zudem wurden im Kriegsverlauf immer mehr ZwangsarbeiterInnen
an den Baustellen und in den Industrieanlagen der "Führerstadt" eingesetzt.
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