Bei der 70-Jahr-Feier des Gemeindebundes wurde nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft
geblickt. Gemeindebund-Chef Riedl und Landeshauptmann Wallner bekräftigten den Wunsch nach einem Plan für
die Pflege. Gen-Forscher Markus Hengstschläger hielt eine vielbeachtete Festrede.
Wien (gemeindebund) - Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl lud am 21. März zur Feier des 70-jährigen
Bestehens des Österreichischen Gemeindebundes ins Palais Niederösterreich und Österreichs Politspitze
folgte dem Aufruf zahlreich. Als Bundesvertreter erschienen Bundeskanzler Sebastian Kurz, Wirtschaftsministerin
Margarethe Schramböck, Staatssekretärin Karoline Edtstadler und der ehemalige Bundespräsident Heinz
Fischer, der noch in seiner aktiven Amtszeit keinen einzigen Gemeindetag verpasste. Aber auch die Landesebene war
mit Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner
stark vertreten. Wiens Bürgermeister Michael Häupl kam in seiner Rolle als Städtebund-Präsident.
Darüber hinaus waren zahlreiche hohe Vertreter/innen aus den öffentlichen Institutionen und die ehemaligen
Präsidenten des Gemeindebundes, die Präsidenten der Landesverbände sowie die Mitglieder des Bundesvorstands
zu Gast.
Riedl: "Selbstverwaltung als Erfolgsgarant"
"Die ausgeprägte Selbstverwaltung unserer Städte und Gemeinden ist der Erfolgsgarant in einer Republik,
die zugleich Einheit, aber auch die Summe unserer Vielfalt ist", betonte Riedl in seiner Rede. Vor den mehr
als 200 Gästen sprach der Gemeindebund-Chef weniger über die Vergangenheit, als vielmehr über die
Zukunft.
Anhand dreier Gedanken skizzierte Riedl seine wichtigsten Forderungen für die Zukunft: Der erste Gedanke beschäftigte
sich mit der Subsidiarität. "Wir brauchen hier ein ganz starkes Bekenntnis: alles, was die kleinere Körperschaft
bewältigen kann, soll eine größere nicht an sich ziehen. Das vermeidet Machtkonzentrationen, es
motiviert die Bürger und es entspricht auch den Grundsätzen der europäischen Integration",
fasste Riedl die Forderung zusammen. Hinsichtlich einer Aufgabenreform, appellierte Riedl an alle Verantwortungsträger
diesen Gedanken ernst zu nehmen.
"Gestaltungsfreiheit schaffen"
Das Bekenntnis zu Subsidiarität ist eng mit dem zweiten Gedanken, dem finanziellen Spielraum, verknüpft.
"Heute stehen unsere Gemeindeverwaltungen vor einer doppelten Belastung. Sie sind zu strikter Sparsamkeit
aufgefordert, ringen um die Einhaltung der Stabilitätskriterien und bekommen laufend neue Aufgaben zu erfüllen.
Gleichzeitig aber sollen sie als größte öffentliche Investoren und als wichtiger Arbeitgeber einen
wesentlichen wirtschaftlichen Impuls für die regionale Konjunktur liefern. Subsidiarität kann nicht und
bedeutet auch nicht, die Lasten einseitig nach unten abzugeben", kritisiert Riedl.
Hinsichtlich des Pflegeregresses dankte er dem anwesenden Bundeskanzler Kurz und Finanzminister Hartwig Löger
für die zugesicherte Bereitschaft für Verhandlungen. Um die Pflegefinanzierung aber nachhaltig zu lösen,
braucht es aus Sicht des Gemeindebund-Chefs aber einen Pflegekonvent, bei dem auch über die Attraktivierung
der Pflege in den eigenen vier Wänden gesprochen werden muss. Dazu verabschiedete der Bundesvorstand des Gemeindebundes
wenige Stunden davor auch eine Resolution (die gesamte Resolution können Sie hier herunterladen).
Gemeinden nicht Verhinderer, sondern Mahner des Hausverstands
Zum Prinzip der gemeinsamen Steuereinnahmen bekannte sich Riedl: "Der Bund hebt die Steuern ein, aber
es ist eben nicht so, dass er diese dann großzügig nach unten verteilt. Er nimmt sie gemäß
Finanzausgleich nämlich bereits in unserem Namen ein. Und es ist aus meiner Sicht auch der effizienteste Weg."
Auch in den Bereichen Kinderbetreuung tritt der Gemeindebund immer wieder als Mahmer auf. In diesem Bereich wurden
in den letzten Jahren etliche Aufgaben an die Gemeinden übertragen. Riedl stellte diesbezüglich klar:
"Wenn die Bundesregierung den Kindergarten immer mehr zu einer Bildungseinrichtung ausbaut, dann muss auch
für die Finanzierung gesorgt werden. Wir sind nicht die Verhinderer, sondern die Appellierer an den gesunden
Hausverstand, wenn wir bei Vorhaben mahnen, dass vieles einfach nicht finanzierbar sein wird."
Auch Gemeindebund muss sich modernisieren
Gemeindebund-Präsident Riedl appellierte in seiner Rede nicht nur an alle anderen, die Weichenstellungen für
die Zukunft zu stellen, sondern sorgt auch in der eigenen Organisation dafür, dass sie für die künftigen
Herausforderungen gewappnet ist: "Unsere Entscheidungsstrukturen müssen schneller werden. Ich habe daher
eine Reformgruppe eingesetzt, die sich bereits seit Wochen intensiv mit der organisatorischen und strukturellen
Reform des Gemeindebundes befasst."
Häupl verabschiedete sich von den Bürgermeistern
Mit dem Städtebund verbindet die kommunale Interessensvertretung eine lange Geschichte. Gemeinsam haben
sie im Finanzausgleich und vielen anderen Materien in der Vergangenheit viel erreicht. Daher ließ es sich
Städtebund-Präsident Bürgermeister Michael Häupl auch nicht nehmen, persönlich Grußworte
an die anwesenden Bürgermeister zu richten.
Da er in wenigen Monaten nicht nur als Wiener Bürgermeister, sondern auch als Städtebund-Oberhaupt zurücktreten
wird, nahm er seine Rede auch zum Anlass für die jahrelange gute Zusammenarbeit zu danken: "Ich kann
mir nur intensiv wünschen, dass diese Kooperation so fortgeführt wird, wie dies in der Vergangenheit
der Fall war."
Wallner unterstützte Forderung nach nachhaltiger Pflegelösung
"Ich trete für eine starke Partnerschaft zwischen den Ländern aber auch mit den Gemeinden ein, weil
ich glaube, dass man viele Dinge mit einer gewissen Eigenständig miteinander gut lösen kann", so
Vorarlbergs Landeshauptmann Wallner. Auch er bekannte sich zum gemeinsamen Steuersystem: "Der Finanzausgleich
ist letztlich ein Ausgleich von Lebensinteressen und wirtschaftlichen Unterschieden. Dadurch entsteht in der Finanzverfassung
eine gegenseitige Abhängigkeit."
Bei der Pflege kritisierte Wallner, dass öffentlich zuviel über die Kosten gesprochen wird. "Wir
deklarieren ältere Mitbürger als Kostenproblem. Man muss die Kostenfrage ansprechen, aber es wäre
eine rasche Klärung angebracht. Außerdem müssen wir eine Diskussion darüber führen, wie
wir die ambulante Pflege zuhause stärken können."
Wie wichtig schnelles Breitbandinternet im ländlichen Raum ist, machte er an einem Beispiel einer kleinen
Vorarlberger Gemeinde deutlich: "Dort gibt es eine Gruppe von Ingenieuren, die von dort aus unter anderem
das elektronische Fahrsystem der Busse in Berlin steuert. Das ist möglich, weil die Gemeinde Glasfaser hat.
Solche Beispiele wären auch in vielen anderen Gemeinden möglich, wenn die Flächendeckung Kooperationen
vorantreiben will, der muss die steuerliche Seite so vorantreiben, dass es besser ist zu kooperieren."
Kurz: "Bundesregierung will Partner des ländlichen Raums sein"
Bundeskanzler Sebastian Kurz streckte den Gemeinden in seiner Rede die Hand entgegen: "Die Bürgermeister
sind nicht nur wichtige Partner für die Bevölkerung, sondern auch für die Regierung. Österreich
ist dann gut aufgestellt, wenn wir uns nicht gegenseitig behindern oder kritisieren, sondern wenn wir gemeinsame
Wege finden." Auch er strebt eine bessere Aufteilung der Kompetenzen an. "Das Problem ist, dass die Liste
der gemeinsamen Kompetenzen unendlich lang ist. Die Herausforderung ist, eine klarere Aufteilung zu finden. Dann
wird es noch besser funktionieren."
Aus Sicht des Bundeskanzlers gilt es, Maßnahmen zu setzen, um den ländlichen Raum zu attraktivieren
und damit dem Trend der Urbanisierung entgegenzuwirken. "Das ist mein klares Versprechen, als Bundesregierung
Partner des ländlichen Raums zu sein", so Kurz. Das betrifft nicht nur die Infrastruktur, sondern auch
Breitband, die Schulden und die Nachmittagsbetreuung. Die Gemeinden als Vorbild sieht der Kanzler hinsichtlich
der Budgetdisziplin: "Ich bin froh, dass wir da als Bund von den Gemeinden lernen können und heute einen
ersten Schritt in die richtige Richtung getätigt haben."
Gen-Forscher hielt viel beachtete Rede zu Vielfalt
Seine unglaubliche Redekunst stellt einmal mehr der bekannte Gen-Forscher Markus Hengstschläger in seiner
Festrede vor dem begeisterten Publikum unter Beweis. Mit Witz und guten Beispielen zeigte er auf, warum eine Politik
des Gleichmachens Österreich nicht für die Zukunft rüsten wird. "Nur durch die Vielfalt der
Talente und Fähigkeiten werden wir die uns noch unbekannten Herausforderungen der Zukunft meistern können.
In der Förderung dieser Vielfalt können die Gemeinden unheimlich viel beitragen", so Hengstschläger.
Ein weiteres Highlight der Feier war die Uraufführung des Marsches für die Gemeinden und Städte
Österreichs, der dem Gemeindebund-Präsidenten gewidmet und von der Militärmusikkapelle Niederösterreich
präsentiert wurde. Durch die Veranstaltung führte ORF-Moderatorin Nadja Mader, weitere musikalische Einlagen
lieferten das Cello-Ensemble des Jugendsinfonieorchesters Niederösterreich und die Jazzcombo der Militärmusik
NÖ.
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