Neue Therapiekonzepte und Arzneimittelentwicklungen als Zukunftsvision
Graz (meduni) - Heilen mit Licht? Das zunehmend an Aktualität gewinnende Feld der Photopharmakologie
nutzt durch Licht schaltbare Moleküle (molekulare Lichtsensoren), um die präzise Kontrolle über
biologische/pharmakologische Wirkungen zu erlangen. An der Med Uni Graz konnte nun gemeinsam mit KollegInnen des
Forschungsverbundes BioTechMed-Graz und in enger Vernetzung mit Arbeitsgruppen an der Johannes Kepler Universität
Linz und der Medizinischen Universität Wien ein völlig neuartiges Prinzip entwickelt werden, welches
künstliche Fettmoleküle zur Kontrolle von Zell- und Organfunktionen nutzt. Darin sehen die WissenschafterInnen
einen wichtigen Ansatz zur Entwicklung neuer Therapiekonzepte. Die Forschungsergebnisse wurden aktuell im Journal
Nature Chemical Biology veröffentlicht.
Lichtsteuerung: Eingriff in den Zellstoffwechsel möglich
Methoden zur Kontrolle und Steuerung von Zell- und Gewebefunktionen durch Licht haben in den letzten Jahren große
Aufmerksamkeit erreicht und werden stetig weiterentwickelt. Die Möglichkeit des zeitlich und räumlich
hochpräzisen Eingriffs in den Zellstoffwechsel mit optischen Methoden hat bahnbrechende Bedeutung in der Grundlagenforschung
erlangt und wird zunehmend auch für Anwendungen in der Medizin, so zB. für den effizienten und berührungsfreien
Eingriff in Gehirn- und Herzfunktionen aber auch zur lokalen Steuerung von Immunzellen und damit zur Tumorbehandlung
adaptiert. „Die ursprünglich rein genetische Strategie (Optogenetik) ist mittlerweile um eine Reihe verwandter
Technologien erweitert worden. Insbesondere die Photopharmakologie, also der Einsatz von lichtkontrollierten Pharmaka
und die Optochemogenetik, bei der in bestimmten Körperzellen spezifische Sensitivität für photopharmakologische
Intervention erzeugt wird, etablieren sich derzeit als neue biomedizinische Technologien“, erklärt Univ.-Prof.
Mag. Dr. Klaus Groschner, Lehrstuhl für Biophysik an der Medizinischen Universität Graz. Diesen Ansatz
verfolgen Klaus Groschner, Mag.a Dr.in Michaela Lichtenegger und Oleksandra Tiapko, Msc an der Med Uni Graz gemeinsam
mit PD Mag. Dr. Toma Glasnov von Institut für Chemie der Karl-Franzens-Universität Graz im Forschungsverbund
BioTechMed-Graz.
Grazer Entwicklung zur kontrollierten Zellsteuerung
In den letzten fünf Jahren haben die Grazer WissenschafterInnen ein völlig neuartiges photopharmakologisches
und optochemogenetisches Prinzip entwickelt, welches innerhalb der Forschungscommunity auf großes Interesse
stößt und nun im renommierten Journal Nature Chemical Biology vorgestellt wurde. „Wir nutzen künstliche,
durch Licht steuerbare Fettmoleküle – sogenannte optisch schaltbare Lipide bzw. Photolipide – um Zell- und
Organfunktionen gezielt kontrollieren zu können“, beschreibt Klaus Groschner das Verfahren. In der aktuellen
wissenschaftlichen Arbeit wurden spezielle Lipidrezeptoren, Moleküle der TRP Ionenkanalfamilie, detailliert
untersucht. „TRP-Kanäle bestehen aus verschiedenen Proteinen und sind entwicklungsgeschichtlich sehr alt und
kommen beispielsweise schon in Hefezellen vor. Beim Menschen spielen sie vor allem in der Geschmackswahrnehmung
sowie dem Temperatur- und Schmerzempfinden eine große Rolle“, erklärt Klaus Groschner.
Die Grazer ForscherInnen konnten mit Hilfe neu entwickelter Photolipide den Mechanismus der Lipidsensitivität
dieser TRP-Kanäle aufklären und aus diesem Wissen die Rezeptoren als Zielstrukturen für optische
Interventionen – also durch Licht gesteuerte Eingriffe – etablieren. Die lipidempfindlichen TRP Moleküle werden
sowohl im Gehirn als auch im Herz-Kreislauf- und Immunsystem exprimiert und können durch gezielte genetische
Veränderungen zu einem höchstempfindlichen (Super)rezeptor für künstliche Photolipide modifiziert
werden, ohne dabei die Reaktion auf den normalen (physiologischen) Fettstoffwechsel wesentlich zu verändern.
Damit erscheint eine weitere Stufe der Präzision und Spezifität der Zellsteuerung durch Licht erreicht.
„Die erhaltenen Erkenntnisse und die neu etablierte Technologie sollen nun zur Entwicklung von neuen Therapiekonzepten
sowie raschen/hocheffizienten optischen Screeningverfahren in der Pharmakologie bzw. Arzneimittelentwicklung zum
Einsatz kommen“, blickt Klaus Groschner in die Zukunft.
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