Opposition blitzt mit Misstrauensantrag gegen Innenminister Kickl ab
Wien (pk) – Die Causa BVT schlägt auch im Parlament hohe Wellen. Die Opposition nutzte die von ihr
verlangte Sondersitzung des Nationalrats am 19. März dazu, um massive Kritik an den "überfallsartigen"
Hausdurchsuchungen beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Korruptionsbekämpfung zu üben. Es stehe
der Verdacht im Raum, dass es um parteipolitisch motivierte Umfärbungen beim Staatsschutz gehe, waren sich
SPÖ, NEOS und Liste Pilz einig. Insgesamt 40 Detailfragen zu vier Themenkomplexen richtete SPÖ-Chef Christian
Kern im Rahmen einer Dringlichen Anfrage an Innenminister Herbert Kickl, mit den Antworten waren aber weder er
noch die beiden kleinen Oppositionsparteien zufrieden. Ein von der Liste Pilz eingebrachter Misstrauensantrag fand
jedoch keine Mehrheit.
Innenminister Kickl wertete die Anschuldigungen als haltlos. Es sei Zeit, zu den Fakten zu kommen und die Verschwörungstheorien
beiseite zu legen, hielt er in Richtung Opposition fest und bekräftigte mehrfach, dass es sich bei den Hausdurchsuchungen
um ein rechtsstaatlich korrekt abgelaufenes Verfahren handle. Zudem wies er auf die Zuständigkeit des Justizministeriums
hin. Hinter Kickl stellten sich auch die Abgeordneten der FPÖ und ÖVP.
Gleich zu Beginn der Sitzung hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka an die Abgeordneten appelliert,
angesichts des sensiblen Themas Sicherheit das Gebot der Sachlichkeit zu beachten und einander in der Debatte respektvoll
zu behandeln. Bereits vergangene Woche hatte sich der Bundesrat mit der BVT-Affäre befasst, dort auf Basis
von zwei Dringlichen Anfragen der Grünen (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 281/2018).
SPÖ zieht Dringlichkeit der Hausdurchsuchung in Zweifel
Wie die SPÖ in der Dringlichen Anfrage festhält, gibt es in der Causa BVT nach wie vor viele offene Fragen.
So zieht SPÖ-Chef Christian Kern die behauptete Dringlichkeit der Hausdurchsuchung beim BVT und in mehreren
Privatwohnungen von BVT-Mitarbeitern in Zweifel. Die Behörden hätten schon seit geraumer Zeit im Umfeld
des BVT ermittelt, seit Anfang Februar sei dies auch dem – inzwischen suspendierten – BVT-Leiter Peter Gridling
bekannt gewesen. Warum sich die Lage am 27. Februar dann offenbar so dramatisiert hat, dass um 22.30 Uhr eine mündliche
richterliche Genehmigung von einem Journalrichter eingeholt werden musste, ist für ihn nach wie vor ein Rätsel.
Die in der Öffentlichkeit gemachten Aussagen seien jedenfalls voll von Widersprüchen. Kern vermutet,
dass es darum gegangen ist, die MitarbeiterInnen des BVT einzuschüchtern.
Noch mysteriöser wird die Sache nach Meinung der SPÖ dadurch, dass zwei der vier anonymen Zeugen bei
ihren Aussagen vor der Staatsanwaltschaft von einem Kabinettsmitglied des Innenministeriums begleitet wurden. In
diesem Zusammenhang wollte Kern von Kickl auch wissen, was es damit auf sich hat, dass diese Zeugen offenbar um
ihr Leben und ihre Gesundheit fürchten. Zudem hinterfragte er die Beauftragung der Einsatzgruppe zur Bekämpfung
der Straßenkriminalität (EGS) mit der Hausdurchsuchung sowie die Rolle des Generalsekretärs im
Innenministerium, Peter Goldgruber, in der gesamten Causa.
Was die Suspendierung des BVT-Leiters, Peter Gridling, betrifft, stellte Kern den Verdacht in den Raum, dass es
in Wahrheit um parteipolitisches Mobbing mit dem Ziel einer Umfärbung des Staatsschutzes geht. Darauf deuten
ihm zufolge auch die massiven Attacken von FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache gegen das BVT hin. "Wir
sind Zeugen eines Machtkampfs zwischen FPÖ- und ÖVP-Seilschaften im Innenministerium." Die Verlierer
seien die PolizistInnen, die tägliche ihre Arbeit verrichten, die Bevölkerung und die Sicherheit, sagte
Kern, der auch insgesamt den Umgang der Regierungsspitze mit der Causa kritisierte.
Ein eigener Fragenkomplex der Dringlichen Anfrage war der Beschlagnahmung von Unterlagen der Leiterin des Extremismusreferats
des BVT gewidmet. Die Leiterin sei gerade dabei gewesen, Lageberichte über die Online-Plattform "unzensuriert.at"
und den "Kongress der Verteidiger Europas" zu erstellen, wobei beide Plattformen als äußerst
fremdenfeindlich mit antisemitischen Tendenzen beurteilt werden, heißt es dazu im Begründungstext. Kern
sieht nicht zuletzt deshalb einen engen Konnex zum Innenministerium, da Kickl den Kongress im Herbst 2016 besucht
habe und der ehemalige Chefredakteur von "unzensuriert.at", Alexander Höferl, nunmehr Kommunikationschef
im Innenministerium ist. Kern fragt sich, was nun mit den sichergestellten Daten passiert.
Der Innenminister habe keine 100 Tage gebraucht, um das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in
den Sicherheitsapparat zu erschüttern, lautete Kerns Conclusio. Das BVT sei regelrecht lahmgelegt worden.
Das schade auch der internationalen Reputation Österreichs und wirke sich negativ auf die gemeinsame Bekämpfung
des Terrorismus aus.
Diese Einschätzung teilte auch SPÖ-Abgeordneter Andreas Schieder. Er ortet einen internen Machtkampf
im Innenministerium "schwarz gegen blau", den Kickl offenbar für sich entscheiden wolle. Schieder
forderte Kickl auf, Rechtsstaatlichkeit zu achten, Kontrolle sicherzustellen und für Transparenz zu sorgen.
Sich hinter dem Generalsekretär des Justizministeriums zu verstecken, sei keine Option. Auch dass Bundeskanzler
Sebastian Kurz schweigt, ist Schieder ein Dorn im Auge.
Kickl fordert "Fakten statt Verschwörungstheorien"
"Jetzt ist es Zeit dafür, dass wir zu den Fakten kommen und dass wir die Verschwörungstheorien zur
Seite legen", leitete Innenminister Herbert Kickl die Beantwortung der Dringlichen Anfrage ein. Bei den durchgeführten
Hausdurchsuchungen handle es sich um ein rechtsstaatlich korrekt abgelaufenes Verfahren, das noch dazu nicht in
seine Verantwortung, sondern in jene des Justizministeriums fällt, sagte er. Es sei die Korruptionsstaatsanwaltschaft,
die als Herrin des Verfahrens die Ermittlungen leite und auch die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen beurteile.
Dieser rechtsstaatliche Vorgang werde von der SPÖ verunglimpft und skandalisiert, kritisierte Kickl.
Kickl vermutet, dass es der SPÖ nur darum geht, ihn anzupatzen, da sie mit seiner Politik – etwa der strengen
Trennung von Asyl und Migration oder der Abschiebung abgelehnter AsylwerberInnen nach Afghanistan – nicht einverstanden
sei. Er lasse sich dadurch aber nicht davon abhalten, gesetzeskonform zu agieren, betonte er. "Ich sage Ihnen
klipp und klar: Mich werden Sie nicht mundtot machen."
Stutzig mache ihn auch, dass die SPÖ jene, die einen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten leisten, so
hinstelle, als ob diese die Täter wären, sagte Kickl. Gleichzeitig würden die Beschuldigten im Ermittlungsverfahren
als Opfer dargestellt und Verstöße gegen den Datenschutz bagatellisiert. Er habe nichts gegen Gridling,
versicherte Kickl und sogar dem Bundespräsidenten dessen Funktionsverlängerung vorgeschlagen, er könne
die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den BVT-Leiter aber nicht ignorieren. Schließlich werde dieser
nach wie vor als Beschuldigter geführt. Mit parteipolitischer Umfärbung habe das nichts zu tun. Auch
die Kritik am Einsatz der EGS ließ Kickl nicht gelten: Diese habe nichts anderes gemacht, als den Auftrag
der Staatsanwaltschaft sauber und korrekt durchzuführen.
Die Sicherheit Österreichs sieht Kickl durch die Causa nicht in Gefahr. Die Zusammenarbeit mit den anderen
Staaten gehe sehr gut weiter. Zudem könne man nicht von einer Bedrohung der Sicherheit sprechen, nur weil
gegen fünf Beamte – von insgesamt 33.000 – ermittelt werde. In Zweifel zog Kickl die Sinnhaftigkeit eines
Untersuchungsausschusses.
Insgesamt 58 Personen bei Hausdurchsuchungen im Einsatz
Auch in Beantwortung der einzelnen Fragen verwies Kickl immer wieder auf die Zuständigkeit der Wirtschafts-
und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und des Justizministeriums. So bekräftigte er, dass die Betrauung
der EGS mit der Hausdurchsuchung beim BVT durch die Staatsanwaltschaft erfolgte. Die EGS habe über den Einsatzort
und die Einsatzzeit hinaus auch keinerlei Informationen erhalten. Falsch seien auch Berichte, wonach die EGS-BeamtInnen
Langwaffen, Sturmhauben oder Helme getragen hätten, einige waren Kickl zufolge aber mit Unterschutzwesten,
Polizeijacken und einer Dienstwaffe ausgerüstet. Aufgabe der EGS sei es gewesen, darauf zu achten, dass keine
Gegenstände beseitigt werden. Insgesamt waren bei den Hausdurchsuchungen laut Innenminister 58 Personen im
Einsatz. Die Arbeit des Extremismusreferats sei durch die beschlagnahmten Daten nicht gefährdet.
Dass ein Kabinettsmitarbeiter des Innenministeriums zwei Zeugen zur Staatsanwaltschaft begleitet hat, erfolgte
laut Kickl auf Wunsch der beiden. Er habe diese Beiziehung weder beauftragt noch sei er davon in Kenntnis gewesen.
Was die befürchtete Gefahr für Leib und Leben der Zeugen betrifft, verwies er auf die Zuständigkeit
der Ermittlungsbehörden.
Gegen Gridling ermittelt die Wirtschafts– und Korruptionsstaatsanwaltschaft Kickl zufolge wegen des Verdachts des
Amtsmissbrauchs. Durch diese Verdachtsmomente habe sich dessen Suspendierung als unumgänglich erwiesen. Neben
Gridling sind noch drei weitere Beamte des BVT vorläufig suspendiert, zusätzlich ist ein Vertragsbediensteter
vom Dienst frei gestellt. Ein Disziplinarverfahren wurde noch nicht in die Wege geleitet.
Das Dekret zur Weiterbestellung Gridlings als BVT-Leiter lag laut Kickl bis zum Tag vor der erfolgten Übergabe
beim Leiter der Sektion I des Innenministeriums. Der nunmehrige provisorische Leiter des BVT Dominik Fasching sei
bereits von Gridling als dessen Stellvertreter eingesetzt worden, ausgeschrieben werden soll die Stelle in den
nächsten Tagen. Der Vorwurf des Innenministeriums gegenüber Medien, "Fake news" zu verbreiten,
hat sich laut Kickl auf die falsche mediale Darstellung der Rolle der EGS bei der Hausdurchsuchung und deren Ausrüstung
bezogen.
Amon: Justiz entscheidet über Korrektheit der Hausdurchsuchungen
Auch wenn manche der Meinung sein mögen, dass die durchgeführten Hausdurchsuchungen überschießend
waren und man das Ganze mit weniger öffentlicher Aufmerksamkeit im Dienstweg erledigen hätte können,
letztendlich sei es die Justiz, die entscheide, ob die Vorgangsweise gerechtfertigt war, sagte ÖVP-Sicherheitssprecher
Werner Amon. Schließlich handle es sich bei einer Hausdurchsuchung um einen nicht unwesentlichen Eingriff
in Grundrechte. Dass es überhaupt dazu gekommen ist, daran trägt seiner Ansicht nach auch "SPÖ-Parteianwalt"
Gabriel Lansky einen nicht unwesentlichen Anteil, habe dieser doch eine Anzeige eingebracht. Lansky habe dafür
gekämpft, dass Daten gelöscht werden, die offenbar auch für die SPÖ heikel seien. Vielleicht
sei die SPÖ deshalb nervös, mutmaßt Amon.
Dem BVT gestand Amon zu, in den letzten Jahren eine hervorragende Arbeit geleistet zu haben. Österreich sei
eines der sichersten Länder der Welt, warnte er davor, das Vertrauen in wichtige staatliche Einrichtungen
zu gefährden. Was den in Aussicht gestellten Untersuchungsausschuss betrifft, meinte Amon, es sei der SPÖ
unbenommen, einen solchen einzusetzen. Für ihn ist die Frage allerdings berechtigt, ob ein solcher zum jetzigen
Zeitpunkt sinnvoll ist. Zunächst seien einmal die Gerichte und die Justiz am Wort.
Rosenkranz: Anschuldigungen gegenüber Innenministerium sind haltlos
Eine "große Blase" und ein "Stürmchen im Wasserglas" nannte Walter Rosenkranz (FPÖ)
die Anschuldigungen gegen das Innenressort. Sowohl die Hausdurchsuchung als auch die Beschlagnahme von Unterlagen
seien auf Initiative der Staatsanwaltschaft erfolgt, machte er geltend. Zudem sei Kickl angesichts der Ermittlungen
gegen Gridling nichts anderes übrig geblieben, als diesen zu suspendieren.
Dass die SPÖ trotzdem den Innenminister attackiert, führt Rosenkranz darauf zurück, dass dieser
von Anfang an nicht das Vertrauen der Sozialdemokraten gehabt habe. Zu Unrecht, wie er meint. Auch der Vorwurf,
dass das BVT gelähmt sei, geht für ihn angesichts des Umstands, dass lediglich fünf Personen suspendiert
sind, ins Leere. Im Gegensatz zu Amon würde Rosenkranz einen Untersuchungsausschuss begrüßen: Es
werde dabei nichts herauskommen und die SPÖ "sich bis auf die Knochen blamieren", prophezeite er.
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Strolz ortet Machtkampf im Innenministerium
Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sprach sich auch NEOS-Chef Matthias Strolz aus. Es gebe
nach wie vor viele Fragen, die nicht ausreichend geklärt seien, etwa was die Kriminalisierung des BVT-Leiters
betrifft. Außerdem sei es keine Kleinigkeit, wenn Vizekanzler Heinz Christian Strache vermute, dass das BVT
ein Staat im Staat und durch und durch korrupt sei, betonte er. Dazu kämen anonyme Anschuldigungen, die von
sexuellen Übergriffen über kriminelle Geschäfte und Erpressung bis hin zum Missbrauch von Geheimdienstinformationen
reichen. Letztlich gehe es um die Frage, ob sich die Bevölkerung auf die Regierung und die Polizei verlassen
könne, so Strolz.
Strolz selbst ortet einen generellen Machtkampf im Innenministerium. Es liefen dort Dinge, "die jenseits von
Gut und Böse sind". Was sichtbar sei, sei nur die Spitze eines Eisbergs. Es gehe nicht nur um eine Umfärbung
von schwarz auf blau, sondern auch um "einen schwarzen Bruderkrieg". Auch die SPÖ, die laut Strolz
ein "Stillhalteabkommen" mit der ÖVP hatte, will der NEOS-Klubobmann nicht aus der Verantwortung
lassen.
Liste Pilz spricht Kickl das Misstrauen aus
Die bisherigen Antworten seien nicht ausreichend, hielt auch Peter Kolba von der Liste Pilz fest. Die "überfallsartige
Hausdurchsuchung" werfe eine Reihe von dringlichen Fragen auf, die einer Aufklärung harren, meinte er.
Stattdessen würde die Öffentlichkeit aber bewusst falsch informiert, "um die Dimension des Skandals
zu vernebeln".
Kolba ist überzeugt, dass es im Grunde darum geht, das BVT umzufärben. Durch das Vorgehen werde die Arbeit
der Verfassungsschützer aber massiv behindert, und das im Vorfeld der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft,
kritisierte er. Innenminister Kickl habe dem BVT und dem Innenressort schweren Schaden zugefügt. Mit diesem
Argument begründete Kolba auch die Einbringung des Misstrauensantrags.
Opposition sieht Vertrauen in den Rechtsstaat gebrochen
Auch der weitere Verlauf der Debatte stand im Zeichen heftiger Kritik seitens der Opposition an der Vorgangsweise
gegenüber dem BVT, wobei die Wortmeldungen erkennen ließen, dass die Zeichen grundsätzlich auf
Untersuchungsausschuss stehen.
SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim erklärte die Art der Untersuchungen für fragwürdig und
übte überdies auch heftige Kritik am EGS-Leiter Wolfgang Preiszler, dem er vorwarf, rassistische und
antisemitische Kommentare in den sozialen Medien gepostet zu haben. Die Bevölkerung sei beunruhigt, das Vertrauen
sei gebrochen, gehe es doch um die Sicherheit des Staates und um die Zukunft einer Behörde, die den Staat
schützen soll, stellte seine Fraktionskollegin Angela Lueger fest. Es bestehe Anlass zur Sorge, dass sensible
Daten des Rechtsextremismus-Büros in unbefugte Hände gekommen seien, meinte sie ebenso wie Kai Jan Krainer
(SPÖ), für den in Anbetracht der Umstände der Suspendierung Gridlings der Verdacht der parteipolitischen
Umfärbung im Raum steht.
Seitens der NEOS sprach Stephanie Krisper von Machtübernahme im BVT mit der Brechstange und bezeichnete die
Hausdurchsuchung als nicht gerechtfertigt. Vieles werde sich über den Rechtsweg klären lassen, die politische
Ebene bleibe dabei aber unbeleuchtet, gab sie zu bedenken und plädierte für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.
Auch nach Ansicht von Irmgard Griss (NEOS) ist das Vertrauen in den Rechtsstaat durch die BVT-Affäre grundlegend
erschüttert worden. Kein Verständnis hat die ehemalige OGH-Präsidentin für das Weisungsrecht
des Justizministers über die Staatsanwaltschaft, wobei sie unterstrich, erst wenn es in Österreich einen
unabhängigen Generalstaatsanwalt gebe, werde das Vertrauen in die Justiz wieder hergestellt sein. Nicht durchsetzen
konnte sich Griss mit einem Entschließungsantrag, in dem sie standardisierte und regelmäßige Kontrollen
der Räumlichkeiten verfassungsmäßiger Institutionen auf Abhörsicherheit einmahnte.
Die Regierung habe das Vertrauen in eine der wichtigsten Sicherheitsbehörden erschüttert, schloss sich
auch Alma Zadic (PILZ) dem Chor der KritikerInnen an. Es herrsche nun europaweit die Sorge vor, ob denn Österreich
während der EU-Ratspräsidentschaft die Sicherheit der ausländischen Staats- und Regierungschefs
gewährleisten könne. Auch Zadic forderte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, zumal ihrer Meinung
nach eine Reihe offener Fragen besteht. So sei nicht geklärt, welche Daten des Rechtsextremismus-Büros
sichergestellt wurden und wer nun darauf Zugriff habe. Ihr Fraktionskollege Alfred Noll wiederum beleuchtete die
juristischen Aspekte und stellte fest, die Position des Generalsekretärs im Innenministerium hätte ausgeschrieben
werden müssen, auch seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Suspendierung von BVT-Chef Gridling
nicht vorgelegen. Man habe hier offenbar eine unliebsame Person aus dem Amt entfernen wollen.
ÖVP setzt auf die Arbeit der unabhängigen Justiz
Die Regierungsparteien wiesen die Behauptungen der Opposition einmal mehr mit Nachdruck zurück. So betonte
ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker, die Hausdurchsuchung sei auf Antrag der Staatsanwaltschaft von einem
unabhängigen Richter bewilligt worden. Über die Rechtmäßigkeit werde nun ein unabhängiger
Richtersenat entscheiden. Einen Untersuchungsausschuss parallel zu den Ermittlungen der Justiz hält Steinacker
für nicht zielführend. Die unabhängige Justiz werde die in der Dringlichen aufgeworfenen Fragen
klären, zeigte sich auch Karl Nehammer (ÖVP) überzeugt. Beleuchtet sollten seiner Meinung nach aber
auch die Rolle von Gabriel Lansky bei der Sanierung der SPÖ-Parteifinanzen und die Betrauung des Rechtsanwalts
mit einem ÖBB-Vertrag werden.
FPÖ und Kickl weisen Behauptungen der Opposition scharf zurück
Die SPÖ produziere eine Agentenkomödie und wolle damit nur vom Versagen ihres ehemaligen Bundeskanzlers
Kern ablenken, verschärfte Johann Gudenus (FPÖ) den Ton. Die Regierung bewege sich auf dem Boden der
Rechtsstaatlichkeit, schaffe mehr Sicherheit und sorge für mehr Polizei. Nachdem gerade Kanzler Kern die Grenzen
aufgemacht und den Terror importiert habe, sei nun das BVT umso wichtiger, steht für Gudenus fest. Die Opposition
werfe mit unwahren Behauptungen um sich, die schon mehrmals entkräftet worden sind, pflichtete ihm auch seine
Fraktionskollegin Marlene Svazek bei. Der Stoff, den die SPÖ vorlegt, eigne sich höchstens für einen
mittelmäßigen "Tatort", für das Hohe Haus sei er aber entbehrlich. Eine "Märchenstunde"
seien die Anschuldigungen, bekräftige auch Hans Jörg Jenewein (FPÖ), der dazu aufrief, mit parlamentarischen
Instrumenten vorsichtiger umzugehen. Wenn es schon einen Untersuchungsausschuss geben wird, dann sollte dieser
auch die Frage klären, wie es denn kommen konnte, dass in den letzten Jahren immer wieder geheime Akten an
die Medien weitergeleitet wurden.
Von "Räubergeschichten" im Zusammenhang mit der Sicherung der Daten des Rechtsextremismus-Büros
sprach Innenminister Herbert Kickl. Als Ressortleiter habe er selbstverständlich seit seinem Amtsantritt jeden
Zugriff zum Datenmaterial. Warum hätte er da "über zehn Ecken" agieren sollen, wo doch ein
Besuch bei der Behörde gereicht hätte, erwiderte Kickl auf die Anschuldigungen der Opposition.
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