ForscherInnen am IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften –gewinnen neue Erkenntnisse zur Krebsentstehung, wie das Open Access Journal Elife
aktuell berichtet.
Wien (imba) - Krebs wird nicht umsonst als „Der König aller Krankheiten“ bezeichnet. Die Krankheit
ist so komplex wie vielseitig. Im Gegensatz zu normalen Zellen zeigen Krebszellen unbeschränktes Wachstum
- sie lassen sich nicht durch wachstumshemmende Signale des Organismus bremsen. Unkontrollierte Wucherung der Zellen
ist die Folge, es bilden sich Tumore mit katastrophalen Folgen für den Wirtsorganismus. Außerdem sind
Krebszellen extrem wandlungsfähig. Sie können sich innerhalb von sehr kurzer Zeit an neue Bedingungen
anpassen, indem sie Gene wieder "anschalten", die zum Beispiel in der Embryonalentwicklung wichtig sind,
für gesunde, "erwachsene" Zellen aber längst stillgelegt wurden. Krebszellen nützen etwa
genetische Programme, die eigentlich in ganz anderen Organen oder Gewebetypen aktiv sein sollten. Im Fokus der
Grundlagenforschung steht die „ewige Jugend“ der Krebszelle. Denn im Gegensatz zu anderen Zellen „hören“ die
Tumorzellen nicht mehr auf die Wachstumssignale des Körpers. Sie vermehren sich unbegrenzt und werden praktisch
unsterblich.
Doch wie und warum entwickeln sich „normale“ Stammzellen zu Tumorstammzellen?
Was macht eine Krebszelle „unsterblich“?
Um die Krebsentstehung im Laufe der Organentwicklung zu verstehen, ist ein wichtiger Mechanismus maßgeblich
- die sogenannte asymmetrische Zellteilung. Wenn eine Stammzelle sich teilt, wird einerseits eine weitere Stammzelle
gebildet, während sich die zweite Tochterzelle zu einer spezialisierten Zelle entwickelt. Gerät dieser
Prozess aus dem Gleichgewicht – etwa durch eine Mutation – kann dies zur Folge haben, dass aus einer Stammzellen
nur noch Stammzellen hervorgehen. Man spricht von sogenannten Tumorstammzellen, die sich - wie auch Stammzellen
- durch „Unsterblichkeit“ auszeichnen.
ForscherInnen rund um IMBA Vize-Direktor Jürgen Knoblich gingen dieser Frage nach und identifizierten bei
der Fruchtfliege Drosophila einen bisher unbekannten Faktor zur Krebsentstehung.
Denn genau wie Säugetiere, können auch Fruchtfliegen an Tumoren erkranken. Bereits in den 1980er Jahren
konnte anhand des Modelorganismus Drosophila die Existenz von Tumorsuppressor-Genen nachgewiesen werden - das sind
Gene, deren Produkte die unkontrollierte Teilung genomisch geschädigter Zellen unterdrücken, und dadurch
die Entstehung von Tumoren verhindern können. Ist ein solches Gen defekt – etwa durch eine Mutation – können
sich in Folge Tumoren entwickeln.
„Cherub“ als Jungbrunnen der Krebszelle
Überraschenderweise entscheiden nicht nur Mutationen der DNA über weiteres Zell- oder Tumorschicksal.
Auch eine lange, nicht kodierende RNA, mit dem engelsgleichen Namen „Cherub“ scheint eine Schlüsselrolle zu
spielen. „Interessanterweise wird Cherub bei normalen Fruchtfliegen nicht gebraucht, ist aber kritisch für
die Krebsentstehung. Denn wenn sich Zellen in Tumoren teilen, entstehen dabei aus Nervenstammzellen unter Einfluss
von „Cherub“ Tumorstammzellen,“ sagt Lisa Landskron Erstautorin der Studie. Während ihrer Doktorarbeit am
Vienna BioCenter beschäftigte sie sich mit Aspekten der Tumorentstehung, die jenseits von DNA Mutationen liegen.
„RNAs wie Cherub spielen offensichtlich für die Krebsentstehung eine zentrale Rolle, die bislang wenig erforscht
war,“ ergänzt Landskron. Cherub trägt dazu bei, dass eine Krebszelle sich nicht weiter in eine Körperzelle
entwickeln kann und so „für immer jung“ bleibt. Das Besondere daran: Verändert man Cherub durch eine
Mutation, ist das Wachstum der Krebszellen eingeschränkt.
Jürgen Knoblich, renommierter Stammzellforscher und Vize-Direktor des IMBA hat mit seinen Gehirnorganoiden
mittlerweile ein völlig neues Modelsystem erschlossen – zahlreiche seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse
verdankt er aber der altbekannten Fruchtfliege Drosophila. „Viele der fundamentalen Prozesse in Zellen funktionieren
bei Menschen, Mäusen und Fruchtfliegen ähnlich. Bei Drosophila konnten wir nun ein wichtiges Rätsel
der Krebsentstehung lüften. Könnten wir auch beim Menschen einen ähnlichen Mechanismus nachweisen,
so wäre dies eine Basis für eine vollkommen neue Behandlungsmöglichkeit. Dazu arbeiten wir bereits
am Tumormodel“, sagt Jürgen Knoblich.
Originalpublikation: “The asymmetrically
segregating lncRNA cherub is required for transforming stem cells into malignant cells”, Landskron et al. (2018),
Elife, https://doi.org/10.7554/eLife.31347
Über IMBA
Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie gehört zu den führenden biomedizinischen Forschungsinstituten
in Europa. Im Fokus stehen medizinisch relevante Fragestellungen aus den Bereichen Stammzellbiologie,RNA-Biologie,
Molekulare Krankheitsmodelle und Genetik. Das Institut befindet sich am Vienna Biocenter, einem dynamischen Konglomerat
aus Universitäten, akademischer Forschung und Biotechnologie-Unternehmen. Das IMBA ist ein Institut der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften, der führenden Trägerin außeruniversitärer Forschung in Österreich.
http://www.imba.oeaw.ac.at
Über das Vienna Biocenter
Das Vienna BioCenter (VBC) ist einer der führender Life-Science-Standorte Europas und vereint die außergewöhnliche
Kombination aus Forschung, Lehre und Privatwirtschaft an einem Campus: 1.700 MitarbeiterInnen, 1.300 StudentInnen,
88 Forschungsgruppen und 18 Biotech-Unternehmen. WissenschaftlerInnen aus 69 Nationen schaffen ein hochdynamisches
Umfeld auf internationalem Top-Niveau.
http://www.viennabiocenter.org
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