Tansania/Innsbruck (universität) - Seit 15 Jahren erforschen die H.E.S.S.-Teleskope die Milchstraße
im Gammalicht. Aus diesem Anlass hat die H.E.S.S.-Kollaboration nun ihre bisher größte Zusammenstellung
von wissenschaftlichen Ergebnissen in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Astronomy and Astrophysics veröffentlicht.
Unter den mehr als einem Dutzend Beiträgen befinden sich eine umfangreiche Durchmusterung der Galaktischen
Ebene, Studien von Populationen von Pulsarwindnebeln und Supernova-Überresten, sowie Suchen nach neuen Arten
von zuvor im sehr hochenergetischen Gammalicht noch nicht entdeckten Objekten wie Mikroquasaren oder Schockwellen
um schnelle Sterne. Dieser umfassende Datensatz wird in den Jahren bis zur Inbetriebnahme des Nachfolgeprojekts
Cherenkov Telescope Array in den 2020er-Jahren den Stand der Forschung in der Hochenergie-Astrophysik darstellen.
Noch während der Bauzeit des H.E.S.S-Teleskopsystems wurden im Frühjahr 2003 die beiden ersten Teleskope
auf das Zentrum der Milchstraße und den Überrest eines explodierten massereichen Sterns gerichtet. Von
beiden Zielen registrierten sie Gammastrahlung und haben so ein neues Fenster zur Erforschung der Milchstraße
im sehr hochenergetischen Gammalicht geöffnet. In den folgenden 15 Jahren haben die H.E.S.S.-Teleskope kontinuierlich
die Milchstraße und ausgewählte einzelne Quellen ins Visier genommen. Dabei hat H.E.S.S. zahlreiche
neue Quellen und neue Arten von Objekten entdeckt, und so das Gebiet der bodengebundenen Gamma-Astronomie wesentlich
vorangetrieben. Die wichtigsten Ergebnisse erscheinen nun gebündelt als eine Serie von Publikationen in einer
Sonderausgabe von Astronomy & Astrophysics mit dem Titel „H.E.S.S. phase-I observations of the plane of the
Milky Way“.
Zwei der 14 Beiträge befassen sich mit den beiden ersten bereits 2003 beobachteten und später detailliert
untersuchten Objekten, dem Galaktischen Zentrum und dem explodierten Stern RX J1713-3946, und runden damit eine
spannende Zeit von Entdeckungen und Präzisionsmessungen der Milchstraße im Gammalicht ab. „Diese Sonderausgabe
ist ein Meilenstein der Gamma-Astronomie und zeigt die enorme Breite und Tiefe des wissenschaftlichen Programms
von H.E.S.S. über 15 Jahre“, konstatiert Werner Hofmann vom MPI für Kernphysik, langjähriger Sprecher
von H.E.S.S. und Sprecher des Nachfolge-Projekts Cherenkov Telescope Array. „Wir konnten nur davon träumen,
beinahe 80 Quellen höchstenergetischer Gammastrahlen in der Milchstraße zu finden, als wir vor mehr
als einem Jahrzehnt mit der Durchmusterung der Galaktischen Ebene begannen“, ergänzt Mathieu de Naurois von
der Ecole Polytechnqiue (CNRS/IN2P3 Palaiseau), derzeitiger Sprecher von H.E.S.S.
Hochenergetisches Datenmaterial zur Milchstraße
Die mit den H.E.S.S.-Teleskopen durchgeführte Untersuchung der gesamten galaktischen Ebene der Milchstraße
(H.E.S.S. Galactic Plane Survey) bietet nicht nur einen tieferen Einblick in das Innere unserer Galaxie bei extremen
Energien, es ist eine sehr gründliche und systematische Studie, die zum ersten Mal wichtige Daten in diesem
Wellenlängenbereich der breiten astrophysikalischen Forschung zur Verfügung stellt. Objekte in zwei Quellklassen
sind nun so zahlreich vertreten, dass vom einzelnen Pulsarwindnebel oder Supernovaüberrest Populationsaspekte,
also Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen individuellen Objekten untersucht werden können.
Weitere Publikationen in der Sonderausgabe behandeln Präzisionsmessungen an einzelnen astronomischen Teilchenbeschleunigern
oder ganzen galaktischen Regionen. Diese Studien zeigen die detaillierten Eigenschaften der zugrunde liegenden
Teilchenbeschleuniger und werfen ein neues Licht darauf, wie sich die kosmische Strahlung durch den Weltraum bewegt
und ihre Umgebung beeinflusst. Schließlich wurden in den H.E.S.S.-Daten auch nach Objekten gesucht, deren
Hochenergieemission bisher noch nicht nachgewiesen werden konnte, wie zum Beispiel massive Schwarze Löcher,
die um Riesensterne kreisen, oder sogenannte „Ausreisser“-Sterne mit unerwartet hoher Eigenbewegung gegenüber
ihrer lokalen Umgebung. „Die vielfältigen Ergebnisse der Beobachtung unserer Galaxie im Lichte der sehr hochenergetischen
Gammastrahlen zeigen, dass die Astroteilchenphysik mit der abbildenden atmosphärischen Cherenkov-Technik zu
einem ausgereiften Forschungsfeld avanciert ist. Die Ergebnisse am energetischsten Ende des beobachtbaren elektromagnetischen
Spektrums prägen und ergänzen in vielerlei Hinsicht unser zumeist aus der Beobachtung bei niedrigen Frequenzen
gewonnenes Verständnis", erklärt Olaf Reimer.
Die H.E.S.S.-Teleskope in Namibia
Die Gammastrahlenastronomen bereiten derzeit den wesentlich empfindlicheren Nachfolger der H.E.S.S.-Teleskope,
das Cherenkov-Teleskop-Array (CTA) vor. Dieses wird an zwei Standorten in der nördlichen und südlichen
Hemisphäre errichtet. Es soll im nächsten Jahrzehnt den regulären Betrieb aufnehmen und ein noch
detaillierteres Bild unserer Milchstraße im Gammastrahlenlicht liefern. Bis dahin stellen die in dieser Sonderausgabe
veröffentlichten H.E.S.S.-Daten den Stand der Wissenschaft auf diesem Gebiet dar. Das internationale H.E.S.S.-Team
besteht aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Namibia,
Südafrika, Irland, Armenien, Polen, Australien, Österreich, den Niederlanden, Japan und Schweden.
Die H.E.S.S.-Teleskope stehen in Namibia, im Südwesten Afrikas. Das System aus vier 13-m-Teleskopen und dem
riesigen 28-m-Teleskop ist einer der empfindlichsten Detektoren für sehr hochenergetische Gammastrahlen. Bei
deren Eintritt in die Erdatmosphäre entstehen kurzlebige Teilchenschauer. Die H.E.S.S.-Teleskope registrieren
die schwachen bläulichen Blitze, die von den Teilchenschauern ausgehen (genannt Cherenkov-Licht, das einige
Milliardstel Sekunden dauert), indem sie das Licht mit ihren großen Spiegeln sammeln und es auf die extrem
empfindlichen Kameras fokussieren. Jedes Bild zeigt die Himmelsposition eines einzelnen Gammaphotons, und die gesammelte
Lichtmenge entspricht seiner Energie. Photon für Photon kann H.E.S.S. so Karten der astronomischen Objekte
im Gammalicht erstellen.
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