Wenn man einzelne Atome abbilden will, darf das Mikroskop nicht wackeln. Um das zu erreichen
entwickelte man an der TU Wien eine patentierte Schwingungsdämpfung, die höchste Bildqualität ermöglicht.
Wien (tu) - Es gehört zu den präzisesten Messgeräten, die es heute gibt: Im Hochleistungsmikroskop
am Institut für Angewandte Physik der TU Wien erzeugt man Bilder einzelner Atome, indem man eine extrem feine
Nadelspitze über eine Oberfläche bewegt. Die Position dieser Spitze muss dabei mit einer Präzision
im Bereich von Picometern kontrolliert werden – das sind Milliardstel eines Millimeters. „Es ist als müsste
man eine Nadel mit der Länge des gesamten Erddurchmessers mit einer Präzision im Millimeterbereich steuern“,
erklärt Prof. Michael Schmid vom Institut für Angewandte Physik der TU Wien.
Jede Art von Vibration kann das Messergebnis unbrauchbar machen, daher ist es eine große technische Herausforderung,
aus einem solchen Mikroskop die optimale Leistung herauszuholen. An der TU Wien gelang das mit Hilfe einer speziellen
Vorrichtung, die selbst Schwingungen mit sehr niedriger Frequenz fast vollständig dämpft. Das ganze Mikroskop
wurde auf Bungee-Seilen aufgehängt, eine elektronische Steuerung justiert die Aufhängung ständig
nach, um das Gerät gerade zu halten. Diese neuentwickelte Schwingungsdämpfung wurde nun patentiert.
Messen mitten in der Stadt
„Andere Forschungsgruppen, die ähnliche Mikroskope betreiben, stellen sie im speziell schwingungsgedämpften
Kellern auf, oder in eigens dafür vorgesehenen Gebäuden“, sagt Prof. Ulrike Diebold. Sie wurde 2013 mit
dem Wittgenstein-Preis ausgezeichnet, und ein Teil des Preisgeldes wurde in die Anschaffung eines besonders leistungsfähigen
Mikroskops investiert, das Rastertunnelmikroskopie mit Rasterkraftmikroskopie verbindet. „Wenn ich dann erzähle,
dass wir dieses Gerät in einem Hochhaus mitten in Wien betreiben, direkt über der U-Bahn, ernte ich auf
Konferenzen oft nur ungläubige Blicke“
„Uns war recht rasch klar, dass herkömmliche Schwingungsdämpfungen für unseren komplizierten Fall
nicht ausreichen“, sagt Michael Schmid. „Kommerziell erhältliche Lösungen filtern zwar hochfrequente
Schwingungen, aber die niedrigen Frequenzen wird man damit kaum los.“
Michael Schmid versuchte zunächst also, die auftretenden Schwingungen genau zu analysieren: Das Gebäude
selbst schwingt mit einer Frequenz von wenigen Hertz – angetrieben vom Wind. Auch die U-Bahn regt jedes Mal Schwingungen
an, wenn sie unter dem Haus hindurchfährt. Manchmal war fast Detektivarbeit nötig – etwa bei einer anfangs
mysteriös erscheinenden 20-Hertz-Schwingung, die sehr stark zu spüren war und Messungen unmöglich
machte – allerdings nur zu bestimmten Tageszeiten. „Es dauerte eine Weile, bis wir erkannten, dass es sich dabei
um die Schwingung der Kompressoren im Keller handelt, mit denen Helium verflüssigt wird“, erzählt Michael
Schmid.
Gelöst wurde das Schwingungsproblem schließlich, indem man das ganze Mikroskop und die Metallkonstruktion,
auf der es montiert ist, an die Decke hängte – an Bungeeseilen, deren elastische Eigenschaften besonders gut
geeignet sind, niederfrequente Schwingungen zu dämpfen. Sie wurden in einer speziellen, verwinkelten Anordnung
befestigt, um verschiedene Schwingungsrichtungen gleichzeitig dämpfen zu können. Die Vorrichtung schwebt
etwa zwei Millimeter über dem Boden, dort sind Abstandssensoren angebracht. Ändert sich der Abstand,
wird automatisch nachjustiert, indem einer von drei verschiedenen Elektromotoren an zusätzlichen Bungee-Seilen
zieht. „Das ist wichtig, weil es während der Experimente zu Gewichtsverlagerungen kommt“, erklärt Michael
Schmid. „Wir verwenden flüssigen Stickstoff, um unsere Proben zu kühlen. Der Stickstoffvorrat befindet
sich direkt am Mikroskop, wenn er verdampft, wird er leichter – die Gesamtkonstruktion muss aber exakt horizontal
bleiben.“
Perfekte Bilder
Mit dieser Spezialaufhängung gelang es schließlich, die Möglichkeiten des Hochleistungsmikroskops
voll auszunützen – trotz des auf den ersten Blick ungünstigen Standortes. „Wir hätten sonst in ein
anderes Gebäude ausweichen müssen, aber das hätte wiederum andere Nachteile mit sich gebracht“,
sagt Ulrike Diebold. „So hätten wir anderswo keinen so leichten Zugang zu flüssigem Stickstoff und flüssigem
Helium – die Infrastruktur für unsere Messungen ist eben genau hier im Freihaus der TU Wien mitten in der
Stadt optimal, wo aber eben die Vibrationsverhältnisse alles andere als optimal sind.“
Mit der speziellen Vibrationsdämpfung wurden bereits zahlreiche wissenschaftliche Messungen erfolgreich durchgeführt,
mehrere wissenschaftliche Publikationen wurden überhaupt erst durch die Schwingungsdämpfung möglich.
Nun wurde die Erfindung mit Unterstützung des Forschungs- und Transfersupports der TU Wien in Österreich
patentiert – eine internationale Anmeldung wurde bereits durchgeführt. „Wir hoffen natürlich, dass auch
andere Institutionen unsere Idee aufgreifen und ebenfalls ihre Ergebnisse so drastisch verbessern können wie
wir“, sagt Michael Schmid.
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