Seismologen "hören" den Knall der Gasexplosion
 in Baumgarten auf Erdbebensensoren

 

erstellt am
09. 04. 18
13:00 MEZ

Wien (universität) - Der Gasunfall mit einem Toten in der Verteilerstation Baumgarten vom Dezember 2017 war über 150 Kilometer weit zu hören – allerdings nicht für Menschen. ForscherInnen am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien um Götz Bokelmann haben die Druckwelle der Gasexplosion in Form von sogenanntem Infraschall nachgewiesen – mit hoch empfindlichen Sensoren, die eigentlich die Erschütterungen von Erdbeben aufzeichnen.

Nach Bekanntwerden des Zwischenfalls haben SeismologInnen am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien gezielt nach möglichen Signalen der Explosion gesucht. Die ForscherInnen sind Teil des europäischen AlpArray-Projekts, in dessen Rahmen über den gesamten Alpenraum flächendeckend hoch empfindliche Seismometer installiert wurden, um den Untergrund der Alpen zu erforschen und die Erdbebenaktivität besser zu verstehen – in jede Himmelsrichtung nimmt nun alle 40 Kilometer ein Sensor die Erschütterungen des Erdbodens auf. Die Universität Wien betreibt dreißig solcher Erdbebenstationen im Osten von Österreich und in der Slowakei.

Diese Erdbebenstationen zeichneten ein deutliches Signal der Gasexplosion von Baumgarten auf – bis zu 180 Kilometer von Baumgarten entfernt. "Zu unserem Erstaunen breitete sich das Signal jedoch sehr langsam aus und war fast ausnahmslos nördlich und östlich von Baumgarten zu beobachten", erklärt Götz Bokelmann. Schnell war klar, dass die Erdbebensensoren die Druckwelle der Gasexplosion gemessen hatten, welche sich allerdings weniger als seismische Welle durch den Erdboden ausgebreitet hatte, sondern als akustische Druckwelle durch die Atmosphäre, während sie für den Menschen unhörbar blieb.

Diese Infraschallwellen werden häufig bei Explosionen oder Vulkanausbrüchen beobachtet oder zur Detektion von Nukleartests untersucht. Überraschend für die SeismologInnen war jedoch, wie deutlich diese akustischen Signale in den Erdboden eindringen und somit für die Erdbebensensoren sichtbar werden. "Für uns wirft das die spannende Frage auf, wie viele der 'seismischen Rauschsignale' in Wahrheit auf akustische Signale zurückzuführen sind, die gar nicht aus dem Untergrund stammen", so Bokelmann.

MeteorologInnen des Instituts für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien lieferten schließlich auch die Erklärung, weshalb das Signal ausschließlich nach Norden und Osten hin nachgewiesen werden konnte: In den Stunden vor der Gasexplosion schob sich eine Kaltfront von Westen kommend über den Osten von Österreich, die eine außergewöhnliche Reihung der Luftschichten innerhalb der Atmosphäre zur Folge hatte: Die Lufttemperatur nahm nicht wie üblich mit der Höhe ab und die kalte Luft war am Boden gefangen – somit auch die Schallwellen der Gasexplosion. Diese spezielle Wetterlage ermöglichte eine Detektion der Druckwelle im weiteren Umkreis von Baumgarten. Kräftiger Wind aus Westen sorgte zudem dafür, dass die Druckwelle vor allem nach Norden und Osten getragen wurde. Andere Infraschallwellen wurden noch in über 100 Kilometer Entfernung festgestellt, nachdem sie bis in über 30 Kilometern Höhe in die Stratosphäre aufgestiegen waren.

Die GeophysikerInnen simulierten am Computer die erwartete Ausbreitung der Druckwelle anhand von Wettervorhersagemodellen der MeteorologInnen – und konnten auf beeindruckende Weise zeigen, dass die Seismometer genau dort die Signale der Gasexplosion aufzeichneten, wo es anhand des Atmosphärenmodells zu erwarten war. So war es mittels der Simulationen möglich, den Zeitpunkt der Explosion auf die Sekunde genau zu bestimmen, was für die Landespolizei Niederösterreich bei der Aufklärung des Unfallhergangs hilfreich war.

 

 

 

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