Klima- und Energiestrategie gute Diskussionsgrundlage, aber Finanzierbarkeit weitgehend unbeantwortet
– Hohe Lehrabschlussquote in der Industrie
Wien (pwk) - „Mit einem Produktionswert von fast 160 Mrd. Euro im Jahr 2017 hat die österreichische
Industrie ihr Wachstum deutlich beschleunigt. Die Industrieproduktion stieg nominell um 8,9 Prozent, der beste
Wert seit 10 Jahren! Das ist auch wertmäßig ein sattes Plus von 13 Mrd. Euro, der Wehrmutstropfen: Die
positive Entwicklung zeichnet sich nicht in allen Branchen so deutlich ab“, betonte der Geschäftsführer
der Bundessparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Andreas Mörk, am 6. April
im Rahmen der Jahrespressekonferenz. Als „gute Diskussionsgrundlage“ bewertet Mörk den vor einigen Tagen präsentierten
Entwurf der Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung. „Das Papier ist sehr ambitioniert – jedenfalls bei
den Zielen. Für die erfolgreiche legistische Umsetzung der zahlreichen Einzelmaßnahmen muss aber vor
allem die Frage der Finanzierbarkeit schlüssig beantwortet werden“, so Mörk, der die deutliche Verbesserung
der Investitionssicherheit zur Bewältigung der klima- und energiepolitischen Herausforderungen als zentrales
Element der Strategie herausstreicht.
Positiv sieht die Industrie das klare Bekenntnis der Bundesregierung zur Wettbewerbsfähigkeit des Standortes
Österreich und zur heimischen Industrie mit besonderem Fokus auf die mehrfach belasteten energieintensiven
Betriebe. „Für eine erfolgreiche Energiewende muss die Energieinfrastruktur dringend verbessert werden. Dazu
sind die Mobilisierung von privatem Kapital, die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren und die deutliche Effizienzsteigerung
und Technologieneutralität bei Förderungen richtige Ansätze“, bekräftigt Mörk.
Der vorgeschlagene CO2-Mindestpreis im EU-Emissionshandel ist für die Erreichung des Minus 36%-Zieles irrelevant,
da die ETS-Sektoren hier nicht mitberücksichtigt werden. Kritisch bewertet die Industrie auch, dass die quantitativen
Zielsetzungen der Strategie keinem transparenten Impact-Assessment punkto Machbarkeit, Leistbarkeit und ökonomischen
Auswirkungen unterzogen wurden. „Bei Maximalzielen wie 100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030 besteht die große
Gefahr, dass es zu einer zwanghaften Fehlallokation von Mitteln kommt, die für andere Maßnahmen effizienter
eingesetzt werden könnten", hält Mörk fest.
Als heikles Thema sieht Mörk die Überführung des Fördersystems zum Ausbau erneuerbarer Energie
aus dem derzeitigen Ökostromgesetz in das geplante neue Österreichische Energiegesetz für den Strom-
und Wärmesektor, das 2020 in Kraft treten soll. „Die Förderungen müssen deutlich effizienter werden
und die Kosten sinken“, so Mörk. Kritisch bewertet die Industrie auch das unreflektierte Bashing gegen Ölheizungen.
Einseitige Verbote würden hier die wichtige Weiterentwicklung und Erforschung neuer Technologien sowie Kraft-
und Brennstoffe verhindern.
Industriewachstum 2017 als Aufholeffekt nach schwierigen Jahren
„Im Rückblick betrachtet, zeigt sich 2017 in fünf Branchen – Bergwerke & Stahl, Mineralöl,
Bau, Gas/Wärme und NE-Metall – ein überdurchschnittliches Produktionswachstum, drei Fachverbände
– Glas, Nahrungs- und Genussmittel sowie Textil/Bekleidung/Schuh/Leder – konnten ihr vorjähriges Niveau nicht
erreichen“, erläutert der Geschäftsführer der BSI, Andreas Mörk. Der Produktionsindex der österreichischen
Industrie betrug 2017 im Jahresdurchschnitt 112,3 (Basis 2010 = 100). Gegenüber dem Vorjahr legte er um 3,4
Prozent zu. Im 3. Quartal wies der Industrie-Produktionsindex mit + 5,2 Prozent den stärksten Zuwachs (1.Quartal:
+ 2,1 %, 2. Qu.: + 2,9 %, 4. Qu.: + 3,6 %) im Berichtsjahr aus.
Deutlicheres Plus bei Inlandsaufträgen gegenüber Auslandsaufträgen
Die um die Storni bereinigten Auftragseingänge der Industriebetriebe betrugen im Gesamtjahr 2017 nach
den vorläufigen Ergebnissen der Statistik Austria 101,4 Mrd. Euro. Sie lagen damit um fast 10 Mrd. Euro bzw.
um 10,7 Prozent über den Auftragseingängen des Vorjahres. Die inländischen Auftragseingänge
der Industriebetriebe erhöhten sich im Berichtsjahr um 15,8 Prozent auf 27,5 Mrd. Euro stärker als die
ausländischen Auftragseingänge, die eine Steigerung um 9,0 Prozent auf 73,8 Mrd. Euro auswiesen. Über
dem Durchschnitt liegende Auftragseingänge verzeichneten 2017 die Industriebranchen Bergwerke/Stahl, Bauindustrie,
NE-Metallindustrie, Fahrzeugindustrie und die Elektro- und Elektronikindustrie.
Was die Beschäftigungssituation in der Industrie betrifft, erhöhte sich die Anzahl des Eigenpersonals
leicht um 0,4 Prozent auf insgesamt 409.641 Arbeitnehmer und lag damit um rund 1.700 Beschäftigte über
dem Jahresdurchschnitt 2016. Zählt man zum Eigenpersonal das in der Industrie tätige Fremdpersonal hinzu,
so wies der Gesamtbeschäftigtenstand im Jahr 2017 insgesamt 437.150 Arbeitnehmer aus, ein Plus von 1,1 Prozent
zum Stand des Vorjahrs.
Positive Einschätzung auch für 1. Quartal 2018
Für 2018 zeigen die bisher durchgeführten Konjunktureinschätzungen der Industriefachverbände
zu den Bereichen „Produktion“, „Auftragseingänge“ sowie „Beschäftigte“ eine Fortsetzung des Industriewachstums,
so Mörk. Bei der Produktion ergibt der Saldo der erfassten 14 Fachverbandseinschätzungen „steigend“ minus
„fallend“ „+7“, wobei die eine Hälfte der Fachverbände eine gleichbleibende Entwicklung, die andere Hälfte
eine steigende Industrieproduktion (Metalltechnik, PROPAK, Chemie, Bergbau/Stahl, Fahrzeuge, NE-Metall und Holz)
erwarten. Die Einschätzung der Auftragseingänge für das 1. Quartal 2018 fällt mit dem Saldo
„+7“ ähnlich gut aus wie jene der Produktion. Die Einschätzung der Beschäftigung fällt bei
fast allen Branchen gleichbleibend aus. Nur die Bauindustrie rechnet mit einer Steigerung.
Plus 6 Prozent mehr Lehrlinge im ersten Lehrjahr
Angesichts der aktuellen Diskussion aus Deutschland zur hohen Drop-Out-Rate von Lehrlingen, betont Mörk
den hohen Prozentsatz erfolgreicher Lehrabschlüsse in der österreichischen Industrie: „96,5% der Lehrlinge
in der Industrie beenden erfolgreich die Lehrabschlussprüfung. Generell ist der Trend bei den Lehrlingen sehr
erfreulich. 2017 bildeten die 1.261 Ausbildungsbetriebe 15.159 Lehrlinge aus (+ 1 Prozent im Vergleich zu 2016).
Damit ist die österreichische Industrie der zweitgrößte Lehrlingsausbilder nach dem Gewerbe“, so
Mörk.
Betrachtet man die Anzahl der Lehrlinge im ersten Lehrjahr, so stieg dieser Wert in der Industrie sogar um 6,0%
auf 4.121. Die durchschnittliche Anzahl der Lehrlinge pro Ausbildungsbetrieb ist in der Industrie mit Abstand am
höchsten. Im Jahr 2017 wurden 12 Lehrlinge pro Industriebetrieb ausgebildet.
Im Innovationsbereich sind weitere Anstrengungen nötig!
„Die vorliegenden Daten zeigen, dass die heimische Industrie – trotz ihres kleinen Anteils von zwei Prozent an
der Gesamtzahl der Unternehmen in der gewerblichen Wirtschaft – treibender Faktor am österreichischen Wirtschaftsstandort
ist. Denn auf das Konto unserer Betriebe geht mehr als ein Viertel der gesamten Bruttowertschöpfung sowie
mehr als ein Drittel des Produktionswerts der gesamten gewerblichen Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund hat sich
die Industrie auch zum größten Player im Innovationsbereich entwickelt. Ich erwarte mir, dass ein zusätzlicher
Impuls für einen weiteren Anstieg der unternehmensfinanzierten F&E von der Anhebung der Forschungsprämie
auf 14 % ab Jänner 2018 ausgehen wird. Dennoch sind in den nächsten Jahren weitere Anstrengungen nötig,
um den Herausforderungen global schnellerer Innovationszyklen und der Technologiebrüche in vielen Branchen
gerecht zu werden. Nur mit ausreichend hohen Investitionen in Forschung und Innovation kann sich Österreich
zu einem leistungsfähigen und international wettbewerbsfähigen F&E-Standort weiterentwickeln“, unterstrich
Mörk abschließend.
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