EU-Gesetzesinitiative steht im Einklang mit EU-Datenschutz-Grundverordnung
Brüssel/Wien (pk) - Allgemeine Zustimmung fanden am 4. April im EU-Ausschuss des Bundesrats die beiden
Verordnungsentwürfe der EU-Kommission zur Vernetzung (Interoperabilität) zwischen den EU-Informationssystemen
im Zusammenhang mit den Personenkontrollen an den EU-Außengrenzen. Dabei handelt es sich um zwei weitgehend
idente Vorschläge, die sich einerseits an die Schengen-Mitgliedstaaten und andererseits an alle EU-Mitgliedstaaten
richten.
Die Union verfügt bereits über verschiedene Informationssysteme im Zusammenhang mit Grenzübertritten,
die jedoch nicht miteinander verbunden sind, wodurch die Datenverwaltungsarchitektur für das Grenzmanagement
und die Sicherheit derzeit fragmentiert und nicht kompatibel sind, gibt die Kommission in den Erläuterungen
zu bedenken. Außerdem haben Strafverfolgungsbehörden praktisch keinen Zugang zu diesen Daten. Die Folge
sind Informations- und damit auch Sicherheitslücken, die nun geschlossen werden sollen. Ziel ist laut Kommission
eine Verbesserung des Grenzmanagements an den Schengen-Außengrenzen und damit auch ein Beitrag zur inneren
Sicherheit der EU. Begründet wird die Initiative mit den steigenden Zahlen irregulärer Grenzübertritte
in die EU und mit einer sich wandelnden, ständig präsenten Bedrohung der inneren Sicherheit, wie dies
etliche Terroranschläge gezeigt hätten. Es sei daher notwendig, die Personenkontrollen an den Außengrenzen
aber auch innerhalb des Schengen-Raums wirkungsvoll zu gestalten, um eine effektive Steuerung der Migration zu
ermöglichen. Als Voraussetzung dafür sollen nun die Informationsinstrumente der EU für Grenzmanagement,
Migration und Sicherheit zusammengeführt und gestärkt werden. Die Kommission unterstreicht in diesem
Zusammenhang jedoch die "uneingeschränkte Achtung der Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Schutz
personenbezogener Daten".
Konkret will man damit seitens der EU einen raschen, unterbrechungsfreien, systematischen und kontrollierten Zugang
zu den Informationen ermöglichen, eine Lösung bereitstellen, um Mehrfachidentitäten aufzudecken,
ferner die Identitätsprüfung von Drittstaatsangehörigen vereinfachen und schließlich eine
einheitliche Regelung des Zugangs der Strafverfolgungsbehörden zu den Informationssystemen anderer Behörden
auf EU-Ebene erleichtern. Zur technischen und operativen Umsetzung wird auch von den Mitgliedstaaten ein Beitrag
erwartet. Außerdem sollen die Bedingungen für den Datenschutz und die Datensicherheit verschärft
und vereinheitlicht und die Anforderungen an die Datenqualität verbessert und harmonisiert werden. Es werden
keine neuen Daten geschaffen, wurde im Ausschuss seitens des Innenministeriums festgehalten, auch an den Grundrechtsakten
ändere sich nichts. Die statistischen Daten sollen auch zu strategischen Zwecken, etwa im Hinblick auf bedenkliche
Reisebewegungen, genutzt werden.
Wie der zuständige Experte des Innenministeriums unterstrich, erwartet man sich von dieser Interoperabilität
der unterschiedlichen Datenbanken einen hohen Mehrwert. Die Verhandlungen dazu verlaufen gut, berichtete er, während
der österreichischen Präsidentschaft sind bereits Trilog-Verhandlungen möglich, sodass ein Abschluss
im Jahr 2019 durchaus realistisch sei. Als Umsetzungszeitraum nannte er das Jahr 2023, was durchaus ambitioniert
ist.
Er zeigte sich zuversichtlich, dass man in Zukunft international tätige Kriminelle, die oft ihre Namen wechseln
und daher derzeit nicht zu finden sind, verfolgen könne. Die Erfassung der Daten werde bei Übertritt
der EU-Außengrenzen erfolgen, betonte er gegenüber den Bundesräten Edgar Mayer (ÖVP/V) und
Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O). Was den Datenschutz betrifft, so sei die Übereinstimmung mit der neuen Datenschutz-Grundverordnung
geprüft worden. Es werde bestimmte Behördenberechtigungen für den Zugang geben - je nachdem dürfe
dann gesucht werden und je nachdem werde bestimmt, welcher Datenumfang bereitgestellt wird. Bei Vorliegen eines
Datenmissbrauchs sei ein "Red link" vorgesehen, die Betroffenen werden dann das Recht zur Überprüfung
haben, betonte der Experte gegenüber Michael Lindner (SPÖ/O) und Hubert Koller (SPÖ/St). Der Wiener
FPÖ-Bundesrat Georg Schuster unterstützte seinerseits die Zielsetzungen des Vorschlags und hält
vor allem den Zugang der Strafbehörden zu den Daten für wichtig. Die EU müsse sich vor importiertem
Terrorismus schützen, sagte er, mittel- bzw. langfristiges Ziel sollte es sein, die Asylanträge außerhalb
der Schengen-Grenzen zu bearbeiten, nicht aber im Wunschland.
Vernetzung bestehender und geplanter Systeme
Konkret sollen das Schengener Informationssystem (SIS) mit seinem breiten Spektrum von Personenfahndungsausschreibungen,
das Visa-Informationssystem (VIS) mit Daten über Kurzaufenthaltsvisa und das European Dactyloscopy System
(Eurodac), das Fingerabdrücke von AsylwerberInnen und Drittstaatsangehörigen speichert, die die Außengrenzen
irregulär überschritten haben oder sich illegal in einem Mitgliedstaat aufhalten.
Weitere drei Systeme sind in Planung, sie sollen die bestehenden ergänzen: So wurde bereits Einigung darüber
erzielt, das Einreise-/Ausreisesystem (Entry-Exit-System – EES) zu etablieren, das das derzeitige System des manuellen
Abstempelns der Reisepässe ersetzen soll. Im EES soll der Name des bzw. der Reisenden, die Art des Reisedokuments,
biometrische Daten sowie Zeitpunkt und Ort der Ein- und der Ausreise von Drittstaatsangehörigen, die für
einen Kurzaufenthalt in den Schengen-Raum kommen, elektronisch erfasst werden. Das vorgeschlagene Europäische
Reiseinformations- und Genehmigungssystem (ETIAS) dient der Erfassung und Überprüfung von Angaben, die
von der Visumpflicht befreite Drittstaatsangehörige vor ihrer Reise in den Schengen-Raum übermitteln.
Bei dem in Aussicht genommenen Europäischen Strafregisterinformationssystem für Drittstaatsangehörige
(ECRIS-TCN) wiederum handelt es sich um ein elektronisches System für den Austausch von Informationen über
frühere Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen durch Strafgerichte in der EU.
Diese sechs Systeme ergänzen einander und zielen ausschließlich auf Drittstaatsangehörige ab.
Der Vorschlag der EU-Kommission umfasst jedoch auch die Interpol-Datenbank für gestohlene und verlorene Reisedokumente
(SLTD) sowie die Interpol-Datenbank zur Erfassung von Ausschreibungen zugeordneten Reisedokumenten (TDAWN). Außerdem
erstreckt er sich auf die Europol-Daten (EIS), soweit diese für das vorgeschlagene System ETIAS und für
die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Abfrage von Daten über terroristische und sonstige schwere
Straftaten von Bedeutung sind.
Zur Herstellung der Interoperabilität müssen auch technische Voraussetzungen geschaffen werden. Zu diesem
Zweck sollen vier Interoperabilitätslösungen geschaffen werden: Ein Europäisches Suchportal (European
Search Portal - ESP) mit einer einheitlichen Suchmaske für alle Informationssysteme. Dieses würde die
gleichzeitige Abfrage mehrerer Systeme ermöglichen. Ferner ist ein gemeinsamer Dienst für den Abgleich
biometrischer Daten (Shared biometric matching service, BMS) vorgesehen. Der gemeinsame Speicher für Identitätsdaten
(Common identity repository - CIR) für alphanummerische Daten wäre die gemeinsame Komponente für
die Speicherung biografischer und biometrischer Identitätsdaten von Drittstaatsangehörigen. Mit dem Detektor
für Mehrfachidentitäten (Multiple Identity Detector - MID) würde geprüft, ob die abgefragten
Identitätsdaten bereits in einer anderen Datenbank gespeichert sind.
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