Mitglieder katholischer Studentenverbände gehörten zu den ersten Opfern des NS-Regimes.
"Wir haben aus der Geschichte gelernt."
Wien (akv) - Die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände Österreichs (AKV) erinnerte anlässlich
des 80. Jahrestages des ersten Österreicher-Transportes in das KZ Dachau, der sich an diesem Oster-Wochenende
jährte, der Opfer dieses schrecklichen Geschehens.
„Viele Mitglieder aus den katholisch-korporierten österreichischen Studentenverbänden (CV, KV, MKV, Katholische
Landsmannschaften) gehörten zu den ersten Gefangenen des NS-Terrorregimes.“, stellte dazu AKV-Präsident
Staatssekretär a.D. Mag. Helmut Kukacka fest.
Von den Nationalsozialisten wurde dafür der verhöhnende Begriff „Prominententransport“ geprägt,
als am 1. April 1938 österreichische Gefangene, meist Prominente, von Wien in das KZ Dachau gebracht wurden.
Diese erste Gruppe von 151 Personen bestand aus bekannten Politikern und Gegnern des nationalsozialistischen Regimes.
Von diesen waren weit über ein Drittel, nämlich 63 Personen, Juden, ca. ein Drittel waren Anhänger
des „Ständestaates“, wobei sich diese ungefähr je zur Hälfte auf politische Funktionäre und
auf Polizei- und Justizfunktionäre aufteilten; etwa jeweils 10 % entfielen auf Sozialisten und Kommunisten.
Unter den Politikern der bürgerlichen Seite waren die Mitglieder katholischer Verbände überdurchschnittlich
vertreten. Zu den prominentesten gehörte Leopold Figl, vor 1938 niederösterreichischer Bauernbunddirektor,
und Alfons Gorbach, vor 1938 steirischer Landesführer der Vaterländischen Front, sowie deren Propagandaleiter
Fritz Bock, nachmaliger Handelsminister und Vizekanzler, der Landeshauptmann von Niederösterreich Josef Reither
und der Bürgermeister von Wien Dr. Richard Schmitz. (1)
Dem ersten Dachau-Transport folgten bald weitere: am 24. Mai kam ein aus Juden, „Vaterländischen“ und Linken
zusammengesetzter Transport mit 170 Personen, darunter die Landeshauptmänner von Oberösterreich und Burgenland,
Dr. Heinrich Gleißner und Dip.-Ing. Hans Sylvester (am 19. Jänner 1939 im KZ Dachau verstorben), oder
der spätere ÖVP-Nationalratspräsident Dr. Felix Hurdes. Am 17. Juni 1938 wurde der spätere
ÖVP-Nationalratspräsident Dr. Alfred Maleta, am 22. April 1939 Dr. Karl Maria Stepan, vormaliger Landeshauptmann
der Steiermark, eingeliefert.
Zu den ersten österreichischen Häftlingen im KZ Dachau gehörten auch die Söhne des 1914 erschossenen
Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand, (Herzog) Max und Ernst (von) Hohenberg, beide entschiedene NS-Gegner.
Bemerkenswertes Ereignis in diesem Zusammenhang war das 50. Stiftungsfest der Grazer Verbindung Carolina, das am
18.08.1938 in einer stillen Gedenkfeier in der Kantine des KZ Dachau begangen wurde, an der unter anderem die Mitglieder
Alfred Maleta, Karl M. Stepan und Friedrich Funder (Gründer der Zeitschrift „Die Furche“) teilnahmen.
Das erste Opfer aus den Reihen der katholisch-korporierten Couleurstudenten, der im KZ Dachau starb, war Hans Karl
Zeßner-Spitzenberg, Mitbegründer des
„Akademischen Bundes katholisch-österreichischer Landsmannschaften (KÖL)“. Er war Professor für
Verfassungs- und Verwaltungsrecht an der Hochschule für Bodenkultur, einer Hochburg der Deutschnationalen
und stellte sich dort ab 1933 couragiert den illegalen Umtrieben der Nazis entgegen. Der tief gläubige Zeßner-Spitzenberg
wurde am 18. März 1938 aus der Heiligen Messe in der Kaasgrabenkirche in Wien-Döbling heraus von der
GESTAPO verhaftet. Am 16. Juli kam er in das KZ Dachau. Er starb, 53-jährig, am 1. August 1938 an den ihm
von den NS-Schergen auf dem Transport zugefügten schweren inneren Verletzungen.
Obwohl politische Diskussionen im KZ strengstens verboten waren, kam es bald zu Gesprächen zwischen den inhaftierten
Österreichern der verschiedenen politischen Lager. Die Zusammenarbeit der einst bis zum Bürgerkrieg verfeindeten
Sozialdemokraten und Bürgerlichen hatte im „Geist der Lagerstraße“ und im gemeinsam erfahrenen Leid
ihre Wurzeln.
Aus diesem Geist heraus war es für viele dieser KZ-Insassen – an der Spitze Leopold Figl, der nur ganz knapp
vor Kriegsende der Hinrichtung entkam – eine patriotische Selbstverständlichkeit am Wiederaufbau eines demokratischen
Österreichs mitzuwirken.
„Die hohe Anzahl an katholisch-korporierten Gefangenen des „Dachauer-Prominententransportes“ zeigt mit aller Deutlichkeit,
dass auch Katholisch-Korporierte und andere Vertreter des katholischen Lagers zu den ersten Opfern des Nationalsozialismus
gehörten.“, stellt der AKV-Präsident fest.
Insgesamt kamen 26 Mitglieder katholisch-korporierter Verbände gewaltsam in den Lagern und Gefängnissen
des NS-Regimes zu Tode. Mindestens 415 Mitglieder (die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen) wurden
im Dritten Reich verfolgt und mehrere Hundert verloren ihre Berufsstellung nach der NS-Machtübernahme und
standen mittellos da.
„Dieser Widerstand gegen die unmenschliche NS-Diktatur und ihr Kampf für ein freies und demokratisches Österreich
darf nicht vergessen werden. Das Andenken daran muss uns bleibender Auftrag und Verpflichtung für die Zukunft
sein. Wir haben aus der Geschichte gelernt.“, schloss Kukacka.
(1) Diese Daten stammen aus:
Wolfgang Neugebauer, Peter Schwarz „Stacheldraht, mit Tod geladen … Der erste Österreichertransport in das
KZ Dachau 1938“, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Verbände und Widerstandskämpfer Österreichs,
2008
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