Von virtuellen Herzen und scharfen Bildern

 

erstellt am
03. 04. 18
13:00 MEZ

Grazer Spezialforschungsbereich im Bereich der Mathematischen Optimierung zieht erfolgreich Bilanz
Graz (universität) - Wissenschaft am Puls der Zeit steht hinter dem Spezialforschungsbereich (SFB) „Mathematical Optimization with Applications in Biomedical Sciences“. Die drei Grazer Universitäten Karl-Franzens-Universität Graz, Med Uni Graz und TU Graz kooperieren hierbei erfolgreich auf dem Gebiet der Mathematischen Optimierung, Numerischer Methoden, Biomedizin sowie Life Sciences und erreichten mit ihren Forschungsergebnissen weltweite Sichtbarkeit. Nach elf Jahren und drei Förderperioden des FWF-Wissenschaftsfonds, des Landes Steiermark, der Stadt Graz und den beteiligten Universitäten ziehen die WissenschafterInnen bei einem Abschlusssymposium am 4. April 2018 in Graz positive Bilanz.

„Das Besondere an diesem Forschungsschwerpunkt ist, dass er angewandte Mathematik mit zentralen biomedizinischen Anwendungen verbindet. So konnten wir in den vergangenen Jahren exzellente Ergebnisse bei der Modellierung vom menschlichen Herzen am Computer, sowie in der medizinischen Bildgebung erzielen. Daraus resultierten Kooperationen, zum Beispiel mit einer Forschungsgruppe des MIT und der Harvard Universität in Boston“, erklärt der Leiter des Mathematik-Instituts der Universität Graz und SFB-Sprecher O.Univ.-Prof. Dr. Karl Kunisch. Der Mathematiker erhielt unter anderem für seine Arbeit im SFB 2015 den „Advanced Grant“ des Europäischen Forschungsrates (ERC).

Darüber hinaus entstanden im SFB seit 2005 rund 600 Publikationen in renommierten Fachzeitschriften, 29 DoktorandInnen wurden im Rahmen dessen betreut und arbeiten heute an wissenschaftlichen Einrichtungen weltweit. Etliche SFB-Mitarbeiter sind mittlerweile Professoren an renommierten internationalen Universitäten, wie etwa am Courant Institut der New York University oder dem Weierstrass Institute for Applied Analysis und Stochastics in Berlin.

Die zwei großen Forschungsbereiche im Überblick
Das virtuelle Herz: Chaotische elektrische Aktivität des Herzens führt unbehandelt innerhalb weniger Minuten zum plötzlichen Herztod. Elektrische Defibrillation ist die einzig mögliche lebensrettende Therapie. Mithilfe von Computermodellen basteln ForscherInnen der Karl-Franzens-Universität Graz, Med Uni Graz und TU Graz an der Simulation eines virtuellen Herzens, um Erkenntnisse für die Optimierung von Defibrillationstherapien zu gewinnen. Durch die Gabe eines elektrischen Defibrillationsschocks, entweder über Elektroden an der Körperoberfläche oder mittels implantierter Elektroden im Körper, wirken elektrische Ströme auf das Herz ein, welche die chaotischen elektrischen Aktivierungsmuster auflösen können. Dabei sollte der Stromstoß so schwach wie möglich sein, um die Schädigung des Herzgewebes zu minimieren und um die mit dem Schock einhergehende Schmerzempfindung zu reduzieren. Durch die Simulation der gesamten Biophysik des Defibrillationsvorganges ist es möglich, elektrische Muster in der Tiefe des Herzmuskels zu beobachten. Diese Daten sind überaus wertvoll, da diese in der Praxis auch mit modernsten klinischen Modalitäten nicht zu ermitteln sind. In sogenannten „in silico-Modellen“ wird das menschliche Herz bis in das kleinste Detail am Computer nachgebaut und simuliert. Die Parameter reichen von der elektrophysiologischen Beschreibung des Herzens über die mechanische Koppelung mit anderen Organen bis hin zu zur Blutströmung im Herzen und den angeschlossenen Gefäßen. Solche umfassenden Modelle, welche die gesamte Physik eines Herzschlags quantitativ beschreiben, können vielseitig eingesetzt werden. In klinischen Anwendungen können Modelle zu genauerer Diagnose und Stratifizierung von Krankheitsbildern beitragen. Therapeutische Optionen, wie etwa die Implantierung von speziellen Schrittmachern oder prostethischen Klappen zur Behandlung von progressiven Erkrankungen des Herzens können bereits vor einem Eingriff ohne Risiko für den Patienten evaluiert werden und Vorhersagen über akute und längerfristige medizinischen Endpunkte werden möglich. Die in Graz entwickelten in silico Modelle werden auch bereits im Rahmen einer industriellen Kooperation mit dem Weltmarktführer für implantierbare Herzschrittmacher zum Zwecke der Therapieoptimierung eingesetzt.

Moderne mathematische Methoden in der medizinischen Bildgebung
Im Mittelpunkt der Forschung steht die Entwicklung neuer Methoden für die substantielle Beschleunigung und Verbesserung der Kernspintomographie. Dies ist insbesondere für die Entwicklung der Methode zu einer Biomarker-Imaging Technik für die stratifizierte Medizin von großer Bedeutung. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete variationelle Rekonstruktionsverfahren, die in Kombination mit der paralleler Datenakquisition und speziellen Kodierschemata zu einer Reduktion der Scanzeit auf ein Zehntel oder weniger von etablierten Techniken geführt haben. Für dynamische und quantitative Untersuchungen ist es nun sogar möglich, dreidimensional Volumen in weniger als einer Sekunde zu scannen. Ein weiterer Forschungsbereich ist die optimierte Signalerzeugung durch neuartig designte Radiofrequenzimpulse. Durch diese Impulse ist es möglich, mehrere Schichten gleichzeitig zu untersuchen (weitere Beschleunigung) oder spezifischen Anforderungen durch die physikalischen oder biologischen Randbedingungen zu erfüllen.

In beiden Forschungsbereichen wurde erfolgreich mit einem zweiten und einem ersten Platz an spezifischen internationalen Wettbewerben teilgenommen. Die entwickelten Methoden führten auch zu nationalen und verschieden Internationale Kooperation mit den besten Forschungsgruppen des Fachbereiches in den USA und Europa.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at