Entwicklung der Landesumlagen bringen Solidarsystem ins Kippen – Bruttoeinnahmen der Gemeinden
zwischen 2013 und 2018 um zwölf Prozent gestiegen, ihr „Netto“ um fast zehn Prozent gesunken – Neuordnung
der Finanzbeziehungen dringend gefordert
Linz (stadt) - Beim 67. Oberösterreichischen Städtetag steht einmal mehr die schwierige finanzielle
Lage der oberösterreichischen Gemeinden im Mittelpunkt. Eine Übersicht über die Entwicklungen der
Einnahmen und der direkt vom Land einbehaltenen Umlagen seit 2001 führt den TeilnehmerInnen den drastischen
Spielraumverlust vor Augen. So konnten 2001 die Gemeinden nach Abzug der Bedarfszuweisungsmittel, der Landesumlage,
der Umlage für das Chancengleichheitsgesetz und den Beitrag für die Krankenanstalten noch über rund
60 Prozent ihrer Einnahmen verfügen. 2018 hingegen verbleibt den Kommunen nicht einmal mehr die Hälfte
des für sie vorgesehenen Steuergelds. „Dabei sind so wichtige, sich dynamisch entwickelnde Aufgaben wie die
Kinderbetreuung und Altenpflege da noch nicht eingerechnet“, sieht Bürgermeister Klaus Luger, Präsident
des OÖ. Städtebundes, immer weniger Spielraum für die Gemeinden, ihre Kernaufgaben zu erledigen,
wenn sich an den unverhältnismäßigen Abzügen an das Land nichts ändert.
Aktuell weist bedauerlicherweise nichts auf eine Verbesserung der Lage hin. Ganz im Gegenteil sind insbesondere
in den vergangenen fünf Jahren die Aufwendungen teils dramatisch gestiegen: seit 2013 ein Viertel mehr für
das Chancengleichheitsgesetz, ein Drittel mehr für die Krankenanstalten, 40 Prozent mehr für die Mindestsicherung.
Vorhaben in der Arbeitsmarktpolitik des Bundes, Änderungen bei den sozialen Dienstleistungen des Landes sowie
die nach wie ungeklärten Fragen um den Pflegeregress stellen für die Gemeindebudgets Bedrohungsszenarien
dar. „Darum ist es höchst an der Zeit, den Kompetenz- und Transferdschungel gemeinsam zu lichten“, appelliert
Luger an Landeshauptmann Thomas Stelzer.
Starke soziale Netze sind der „USP“ der oberösterreichischen Städte
Oberösterreichs Kommunen sind stolz darauf, dass sie sowohl zum wirtschaftlichen Wohlergehen im Land beitragen
können, als auch den sozialen Zusammenhalt in Oberösterreich gewährleisten. „Von der Kinderbetreuung
bis zur Altenpflege – die oberösterreichischen Gemeinden, insbesondere die Städte, kennen ihre Verantwortung
für die Gesellschaft und sind sich ihrer solidarischen Pflicht bewusst“, fasst der Präsident des OÖ.
Städtebundes, der Linzer Bürgermeister Klaus Luger, einen Grundsatz der Vereinigung der oberösterreichischen
Städte zusammen. In den 40 Mitgliedsgemeinden des Städtebundes in Oberösterreich leben zirka 43
Prozent der oberösterreichischen Bevölkerung. Ihre Repräsentantinnen und Repräsentanten treffen
am Montag, dem 16. April 2018, zum 67. Städtetag in der Stadtgemeinde Engerwitzdorf zusammen.
Die beiden Hauptreferate dieses Städtetages können dabei aktueller nicht sein: das erste behandelt am
Beispiel der Stadtgemeinde Engerwitzdorf die Notwendigkeit neuer Datenmanagementsysteme für besseren Datenschutz
und höhere Datensicherheit. Im Mittelpunkt stehen dann allerdings die Ausführungen über die Entwicklungen
der diversen Landesumlagen zur Finanzierung des Sozial- und Gesundheitswesens in Oberösterreich. „Das von
den nackten Zahlen vermittelte Bild könnte dabei dramatischer nicht sein“, so Bürgermeister Klaus Luger.
„Die Gemeinden sind die absoluten Verlierer im bundesweiten und im oberösterreichischen Finanzausgleich. Hier
sind dringende Reformen notwendig, sonst droht den Heimatorten der Oberösterreicherinnen und Oberösterreicher
der finanzielle Kollaps.“
Vier „Umlagen“ verschlingen bereits über 50 Prozent der Grundeinnahmen – Kinderbetreuung, Altenpflege,
Mindestsicherung, Straßen- und Schulerhalt sind dabei noch unberücksichtigt
Die so genannten „Bruttoertragsanteile“ bilden die Haupteinnahmequelle der Gemeinden. Von diesen verbleiben
zuerst die Bedarfszuweisungsmittel beim Land, die dem Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkräfte der Gemeinden
dienen. Darüber hinaus greift das Land mit der Landesumlage auf Gemeindemittel zu, um überregionale Projekte
zu finanzieren. Von den Kosten für die Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigung nach dem
Oberösterreichischen Chancengleichheitsgesetz erhalten die Gemeinden 40 Prozent in Rechnung gestellt, ebenso
für die Finanzierung der Krankenanstalten. „Alleine durch diese vier Umlagen verlieren die Gemeinden mittlerweile
mehr als die Hälfte der Bruttoertragsanteile. Oder anders gerechnet: für die großen kommunalen
Aufgaben, wie die Kinderbetreuung, die Finanzierung der Altenpflege, die Mindestsicherung, den Straßenbau
und den Erhalt der Schulgebäude verbleiben den Gemeinden weniger als 50 Prozent ihrer Haupteinnahmequelle“,
rechnet Klaus Luger vor.
Dass das oberösterreichischen Finanzausgleichssystem im historischen Verlauf immer schlechter für die
Gemeinden wurde, belegt der Vergleich mit früheren Jahren. 2001 etwa betrug der Anteil der den Gemeinden für
ihre Kernaufgaben zur Verfügung stehenden Ertragsanteile noch fast 60 Prozent.
Das Land hat zwar in der Vergangenheit versucht, die Dynamik der Gesamtbelastungen zu bremsen, etwa durch die Spitalsreform.
„Leider war diesen Absichten kein nachhaltiger Erfolg beschieden, in den vergangenen fünf Jahren stiegen die
Beitragsbelastungen der Gemeinden für diese Landesaufgaben stärker denn je“, sieht Klaus Luger eine bedenkliche
Entwicklung.
Oberösterreichs Gemeinden verlieren seit 2013 fast zehn Prozent ihrer Nettoertragsanteile
Die Bruttoertragsanteile, also der Anteil der Gemeinden am gesamten Steueraufkommen, sind von 2013 bis 2018
um rund 13 Prozent gestiegen. Im gleichen Fünf-Jahres-Vergleich sind die Beiträge für das Chancengleichheitsgesetz
um beinahe ein Viertel gestiegen, jene für die Krankenanstalten sogar um ein Drittel explodiert. Geradezu
minder nimmt sich die Ausgabenentwicklung für die Kinder- und Jugendhilfe aus, mit plus 14 Prozent hielten
diese Aufwendungen mit der Einnahmenentwicklung mit.
Im eigenen Aufgabenbereich der Gemeinden, etwa der Armutsbekämpfung sowie der Altenpflege und -betreuung,
arbeiten die Städte (mit Ausnahme der Statutarstädte) in den Sozialhilfeverbänden zusammen. Die
Umlagen hierfür stiegen ebenso kräftiger als die Einnahmen: die Aufwendungen für die Altenpflege
um 18 Prozent, jene für die Mindestsicherung um 40 Prozent.
Die nach Abzug dieser Aufwendungen bei den Gemeinden verbleibenden „Netto-Ertragsanteile“ halten deshalb nicht
nur real nicht mit den Einnahmensteigerungen mit. In absoluten Zahlen können die oberösterreichischen
Gemeinden für die Aufgaben der Kinderbetreuung, für den Straßen- und Schulerhalt oder für
die aktuell in Diskussion befindlichen Bäder im Jahr 2018 über knapp 400 Millionen Euro verfügen.
Das entspricht etwa einem Viertel der Bruttoertragsanteile – und liegt rund 40 Millionen Euro oder fast zehn Prozent
unter dem Betrag von 2013.
Keine weitere Steuerreform – erst Aufgaben- und Finanzausgleichsreform
Angesichts der dramatischen Entwicklungen sieht die Landesgruppe Oberösterreichs des Städtebunds mehr
denn je dringenden Handlungsbedarf auf Landes- und Bundesebene. „Wenn der Bund eine weitere Steuerreform verspricht,
so ist das für uns eine gefährliche Drohung“, so der Städtebundpräsident Klaus Luger. Nach
der letzten Steuerreform sind die Bruttoeinnahmen der Gemeinden um mehr als 30 Millionen Euro zurückgegangen.
Vielmehr müssten erst die Kompetenzen deutlicher zugeteilt werden und diesen Zuständigkeiten auch die
Mittelzuteilung aus den Steuereinnahmen des Gesamtstaates folgen. „Dann passiert es auch nicht mehr, dass der Bund
in seiner Kompetenz etwa den Pflegeregress abschafft, aber nach wie vor niemand weiß, wer das bezahlen soll“,
erläutert Luger. Folgende Reformnotwendigkeiten sieht der Präsident des OÖ. Städtebundes als
dringend an:
1) Auf Bundesebene
Beschleunigung der Bemühungen um einen aufgabenorientierten Finanzausgleich, wie im Regierungsprogramm
versprochen, und Lichtung des Kompetenzdschungels
2) In Oberösterreich
Vorreiterrolle bei der Lichtung des Kompetenzdschungels, etwa nur noch eine Zuständigkeit in der Kinderbetreuung
– Entlastung der Gemeinden durch neuen inneroberösterreichischen Finanzausgleich: weniger, einheitlichere
und transparentere Umlagen, im besten Fall nur noch eine.
„Nicht nur die aktuellen Entwicklungen machen den Mitgliedsgemeinden des Städtebunds Sorgen. Die Abschaffung
des Pflegeregresses hat Folgewirkungen bei den Leistungen nach dem OÖ. Chancengleichheitsgesetz“, weiß
Bürgermeister Klaus Luger. Das Land plant hier eine gänzliche Abschaffung des Vermögensregresses
für Menschen mit Beeinträchtigungen, ohne Differenzierung, ob diese Pflegeeinrichtungen in Anspruch nehmen.
Das geht nach Meinung renommierter Juristen über den Wortlaut der Verfassungsbestimmung hinaus. „So sehr ich
das sozialpolitisch begrüße, sehe ich dieses Vorgehen aus heutiger Sicht als voreilige Regelung, die
wieder anteilsmäßig zu Lasten der Gemeinden geht“, erklärt Bürgermeister Klaus Luger. „Vorab
müsste jedenfalls die Finanzierung des Kostenersatzes für die Abschaffung des Vermögensregresses
in Altenpflegeeinrichtungen geklärt werden. Denn die Gemeinden sehen sich außerstande, ohne die Gegenfinanzierung
dieses Einnahmenentfalls auch noch weitergehende Verbesserungen für Menschen mit Beeinträchtigungen zu
finanzieren“, so Klaus Luger.
„Wenn die Städte weiter so über Gebühr belastet werden, kippt unsere Solidargemeinschaft. Ohne Neuregelung
unserer Finanzbeziehungen werden wir künftig jedes Mittel ausschöpfen, etwa den Konsultationsmechanismus
bei jedem Vorhaben auslösen. Damit können wir weitere finanzielle Belastungen zwar nicht verhindern,
aber zumindest hinauszögern“, meint Städtebundpräsident Klaus Luger. „Wenn Oberösterreich ein
Land der Möglichkeiten werden soll, dann darf man den Gemeinden nicht die Luft zum Atmen nehmen“, ergeht einmal
mehr der Appell an Landeshauptmann Stelzer, Verhandlungen über eine Neuordnung der Finanzverflechtungen zwischen
dem Land und den Gemeinden aufzunehmen.
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