Brüssel/Berlin (ec) - Die Rechte europäischer Verbraucher sollen gestärkt und besser durchgesetzt
werden können. Dazu hat die Europäische Kommission am 11. April europäisch geregelte Verbandsklagen
für die Verbraucher vorgeschlagen. Zwar zählen die Verbraucherschutzvorschriften der EU zu den strengsten
weltweit, doch haben die jüngsten Fälle wie der Dieselskandal gezeigt, dass sie oft schwer durchzusetzen
sind. Deshalb sollen qualifizierte Einrichtungen wie Verbraucherorganisationen künftig die Möglichkeit
erhalten, Verbandsklagen im Namen von Verbrauchern zu erheben. Geplant sind auch strengere Sanktionen: wenn Unternehmen
in mehreren Mitgliedstaaten gegen das Verbraucherrecht verstoßen, sollen künftig Strafen von bis zu
4 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens möglich sein.
Ferner wird der Verbraucherschutz auf den Online-Bereich ausgeweitet und für mehr Transparenz auf Online-Marktplätzen
gesorgt. Der Erste Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans erklärte dazu: „Bei der heute vorgeschlagenen
Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher geht es darum, einen faireren Binnenmarkt für
Verbraucher und Unternehmen zu schaffen. Wir führen ein europäisches Recht auf kollektiven Rechtsschutz
in Fällen ein, in denen Verbrauchergruppen Schaden erlitten haben, wie wir es in der jüngsten Vergangenheit
gesehen haben. Dabei sorgen wir selbstverständlich für angemessene Schutzmechanismen, damit dieses Verfahren
nicht missbraucht werden kann. Die Verbraucher werden wissen, bei wem sie online einkaufen, und ob die Verkäufer
dafür bezahlt haben, dass sie bei den Suchergebnissen angezeigt werden. Die meisten Unternehmer, die sich
an die Regeln halten, werden entlastet. Die wenigen Unternehmer, die das Vertrauen der europäischen Verbraucher
gezielt missbrauchen, müssen mit höheren Geldstrafen rechnen.“
Vera Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, fügte hinzu: „In einer
globalisierten Welt, in der die großen Unternehmen enorme Vorteile gegenüber den einzelnen Verbrauchern
haben, müssen wir für gerechte Bedingungen sorgen. Auf europäische Art geregelte Verbandsklagen
werden mehr Fairness für die Verbraucher schaffen und nicht das Geschäft der Anwaltskanzleien ankurbeln.
Und mit schärferen Sanktionen, die vom Jahresumsatz des betreffenden Unternehmens abhängig sind, werden
die Verbraucherschutzbehörden endlich wirksame Mittel an die Hand bekommen, um die Betrüger zu bestrafen.
Betrüger dürfen nicht billig davonkommen.“
Die Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher bedeutet Folgendes:
Stärkung der Verbraucherrechte im Internet
Mehr Transparenz auf Online-Marktplätzen: Beim Kauf einer Ware von einem Online-Marktplatz müssen
die Verbraucher klar darüber informiert werden, ob sie Produkte oder Dienstleistungen von einem Unternehmer
oder einer Privatperson erwerben, damit sie wissen, ob sie bei Problemen durch Verbraucherrechte geschützt
sind.
Mehr Transparenz bei den Suchergebnissen zu Online-Plattformen: Bei der Suche im Internet wird den Verbrauchern
klar mitgeteilt, wann ein Suchergebnis von einem Unternehmer bezahlt wird. Außerdem müssen Online-Marktplätze
die Verbraucher über die wichtigsten Parameter für die Rangfolge der Ergebnisse informieren. Neue Verbraucherrechte
für „kostenlose“ digitale Dienstleistungen: Bei der Bezahlung einer digitalen Dienstleistung haben Verbraucher
bestimmte Informationsrechte und 14 Tage Zeit, ihren Vertrag zu kündigen (Widerrufsrecht). Durch die neuen
Rahmenbedingungen für die Verbraucher wird dieses Recht nun auf „kostenlose“ digitale Dienstleistungen ausgeweitet,
für die die Verbraucher ihre personenbezogenen Daten zur Verfügung stellen, aber kein Geld bezahlen.
Dies gilt in der Regel für Cloud-Speicherdienste, soziale Medien oder E-Mail-Konten.
Ausstattung der Verbraucher mit den Instrumenten, die sie benötigen, um ihre Rechte
durchzusetzen und Entschädigung zu erhalten
Verbandsklagen auf europäische Art
Nach den neuen Rahmenbedingungen für die Verbraucher kann eine qualifizierte Einrichtung, etwa eine Verbraucherorganisation,
im Namen einer Gruppe von Verbrauchern, die durch illegale Geschäftspraktiken Schaden erlitten haben, einen
Rechtsbehelf einlegen, um z. B. eine Entschädigung, einen Ersatz oder eine Reparatur zu erwirken. In einigen
Mitgliedstaaten können Verbraucher bereits Verbandsklagen vor Gericht erheben, doch von nun an wird es diese
Möglichkeit in allen EU-Ländern geben.
Dieses Modell verfügt über stabile Schutzmechanismen und unterscheidet sich deutlich von den Sammelklagen
nach US-amerikanischem Vorbild. Verbandsklagen können nicht von Anwaltskanzleien angestrengt werden, sondern
nur von Einrichtungen wie Verbraucherorganisationen, die keinen Erwerbszweck verfolgen und strenge Zulassungskriterien
erfüllen, die von einer Behörde überwacht werden. Dieses neue System wird dafür sorgen, dass
die europäischen Verbraucher ihre Rechte uneingeschränkt wahrnehmen können, und zugleich dem Risiko
missbräuchlicher oder unbegründeter Klagen entgegenwirken.
Besserer Schutz vor unlauteren Geschäftspraktiken
Die neuen Rahmenbedingungen werden gewährleisten, dass die Verbraucher in allen Mitgliedstaaten das Recht
auf individuelle Rechtsbehelfe (z. B. finanzielle Entschädigung oder Vertragskündigung) haben, wenn sie
von unlauteren Geschäftspraktiken wie aggressiver oder irreführender Werbung betroffen sind. Dieser Schutz
ist derzeit in der EU sehr unterschiedlich.
Einführung wirksamer Sanktionen bei Verstößen gegen das EU-Verbraucherrecht
Die EU-Verbraucherschutzbehörden sind nicht angemessen ausgerüstet, um Praktiken zu ahnden, die „Massenschadensereignisse“
zulasten einer großen Zahl von Verbrauchern in der EU verursachen. Aktuell ist die Höhe der Sanktionen
je nach Mitgliedstaat sehr unterschiedlich und häufig zu gering, um eine abschreckende Wirkung zu erzielen,
insbesondere bei großen, grenzüberschreitend tätigen Unternehmen.
Dem Vorschlag zufolge sollen die nationalen Verbraucherschutzbehörden befugt sein, in koordinierter Weise
wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu verhängen. Bei weitverbreiteten
Verstößen zulasten von Verbrauchern in mehreren EU-Mitgliedstaaten beläuft sich die Höhe der
Geldbuße auf maximal 4 % des Jahresumsatzes des Unternehmens im jeweiligen Mitgliedstaat. Den Mitgliedstaaten
steht es zudem frei, höhere Geldbußen einzuführen.
Bekämpfung des Vertriebs identischer Verbraucherprodukte von unterschiedlicher Qualität
Im Nachgang zu den LeitlinienDiesen Link in einer anderen Sprache aufrufenEN••• der Kommission vom September 2017
wird mit den neuen Rahmenbedingungen für die Verbraucher die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken
aktualisiert, um deutlich zu machen, dass die nationalen Behörden irreführende Geschäftspraktiken
zur Vermarktung von Produkten als identisch in mehreren Mitgliedstaaten, obgleich diese Produkte sich in ihrer
Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, beurteilen und gegen solche Praktiken
vorgehen können.
Bessere Bedingungen für Unternehmen
Die neuen Rahmenbedingungen werden unnötige Belastungen für Unternehmen beseitigen, u. a. durch die Abschaffung
von Verpflichtungen für Unternehmen hinsichtlich des Widerrufsrechts der Verbraucher. Beispielsweise dürfen
Verbraucher Produkte, die sie nicht nur ausprobiert, sondern bereits verwendet haben, nicht mehr zurückgeben,
und die Unternehmer müssen den Verbrauchern nicht mehr den Kaufpreis erstatten, bevor sie die betreffenden
Waren tatsächlich zurückerhalten.
Ferner wird mit den neuen Vorschriften auch mehr Flexibilität bezüglich der Kommunikationsmöglichkeiten
zwischen Unternehmern und Verbrauchern eingeführt: So können Unternehmer nun statt E-Mails auch Web-Formulare
oder Chats nutzen, sofern die Verbraucher ihre Kommunikation mit dem Unternehmer nachverfolgen können.
Nächste Schritte
Die Kommissionsvorschläge werden nun vom Europäischen Parlament und vom Rat erörtert.
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