World-Café im Parlament zur Gestaltung der digitalen Zukunft unserer Gesellschaft
Wien (pk) - Bundesratspräsident Reinhard Todt beleuchtet in seiner Präsidentschaft die sozialen
Auswirkungen der Digitalisierung. Am 11. April fand im Dachfoyer der Hofburg ein World Café statt, um zusätzlich
zu der von ihm gestarteten Online-Konsultation das Thema multimedial zu diskutieren. "Um die soziale Frage
für die Zukunft zu beantworten, müssen wir einen Fokus auf die digitale Dimension legen", betont
Todt. "Die fortschreitende Digitalisierung liegt zwar in aller Munde, aber nicht selten läuft die Diskussion
ins Leere, wenn es um die soziale Verantwortung geht. Dabei ist die zunehmende Digitalisierung im Alltag omnipräsent.
Für Jung und Alt. Im Privatleben sowie im Berufsleben", so Todt weiter.
Neue Technologien zum Nutzen der Allgemeinheit
Trotz vieler Vorteile der neuen Technologien stellt Todt bezüglich der Digitalisierung eine zunehmende Verunsicherung
in der Gesellschaft fest. Diese sei durch die rasanten Änderungen in der Arbeitswelt geprägt. "Neue
Technologien sollen der Allgemeinheit nutzen und nicht nur wenigen Profiteuren", streicht der Bundesratspräsident
heraus. Todt appellierte an die Gäste der Veranstaltung, die Digitalisierung aus zivilgesellschaftlicher Sicht
zu betrachten um Strategien gegen eine vorherrschende Schieflage zu entwickeln.
Die Moderation der fünf parallel geführten Diskussionen erfolgte durch ExpertInnen, die anschließend
die Ergebnisse vorstellten. Die Rahmenmoderation der Veranstaltung übernahm Andreas Kovar von Kovar &
Partners.
Bildung: Aspekt Life-Long-Learning besonders wichtig
Die Diskussion zum Thema Bildung wurde vom Pädagogen Daniel Landau geleitet und behandelte die Fragenkomplexe:
"In welcher Beziehung steht die Digitalisierung zu unserem aktuellen Bildungssystem?" sowie "Wer
definiert was 'die Digitalisierung' ist?" Es wurde der Ausbau des für die Partizipation wichtigen Breitbandangebots
bis hin zur Einführung der digitalen Kompetenz als vierte Grundkompetenz diskutiert. Auch der Aspekt des Life
Long Learning sei in Hinblick auf die digitale Welt besonders wichtig. Hier müsse die Rolle der Gesellschaft
als Bildungsvermittler gestärkt werden, die staatlichen Institutionen würden hier manchmal im Stich gelassen.
Grundkonsens, dass Grundwerte im Fokus stehen müssen
Ursula Seethaler (Liquid Participation) leitete die Diskussion zu Digitalisierung und Demokratie. Grundkonsens
war, dass wirtschaftliche Interessen in Hinblick auf die Digitalisierung nicht auf die Politik übertragen
werden sollen, sondern dass die demokratischen Grundwerte weiterhin im Fokus stehen müssen. In der Demokratie
könne die Digitalisierung dabei helfen, effizienter zu werden. Digitale Tools können zu mehr Transparenz
und Nachvollziehbarkeit der Prozesse und Inhalte führen, es sei jedoch ein Qualitätsmaß sicherzustellen.
Als positive Beispiele wurde das Einreichen von BürgerInneninitiativen im Parlament genannt, konkret das Volksbegehren
zum Nichtraucherinnen- und Nichtraucherschutz.
Sicherheit und Datenschutz eine große Herausforderung
Werner Ilsinger von Digital Society behandelte das Thema Sicherheit und Datenschutz. Man stehe besonders vor der
Herausforderung, dass für normale Benutzer nicht greifbar sei, was Sicherheit in der digitalen Welt bedeutet.
Technische Systeme sollten daher von Grund auf sicher designt werden. Die Datenschutzgrundverordnung sei grundsätzlich
ein wichtiges Instrument zur Reglementierung, es sei aber zu kritisieren, dass kleine Vereine oder Einzelpersonenunternehmen
gleich behandelt würden wie Facebook und Google.
Digitalen Wandel als Zivilbevölkerung mitbestimmen
Die Diskussion zum Thema Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitswelt, moderiert von Stephan Blahut vom
Gewerbeverein brachte ambivalente Ergebnisse. Digitalisierung brächte einerseits mehr sinnstiftende Arbeit
mit sich, während sie andererseits negativ auf die Balance zwischen Privatleben und Arbeit eingreift. Durch
die große Vielfalt an Geschäftsmodellen sei die Gesetzgebung überfordert. Das Zunehmen von atypischen
Arbeitsverhältnissen wie Teilzeit oder projektbezogene Arbeit stelle uns vor die Herausforderung der Gewährleistung
der sozialen Sicherheit. Deren Finanzierung müsse flexibler gestaltet und an die aktuellen Lebensrealitäten
angepasst werden.
Forderung an die Bildung sei, den Fokus weniger auf inhaltliche Details zu setzen, als einen Überblick und
Zusammenhänge zu vermitteln. Breiter Konsens herrschte darüber, dass man den digitalen Wandel als Zivilbevölkerung
mitbestimmen wolle, anstatt sich von Konzernen wie Google treiben zu lassen.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt im Rahmen der Digitalisierung
"Was ist Gesellschaft, welche Gruppierungen gibt es, wie fluide und durchlässig ist sie?", diese
Fragen standen in der Diskussionsrunde von Barbara Coudenhove-Kalergi von der Industriellenvereinigung auf der
Tagesordnung. Hauptakteur sei eindeutig die Wirtschaft, da digitale Techniken und Algorithmen für die Wirtschaft
optimiert seien und nicht für die Gesellschaft. So stehe man als Zivilgesellschaft und Staat vor der Herausforderung,
wie man mit diesem nicht aufholbaren Vorsprung der Wirtschaft umgehen könne. Solange Datenverwertung als Geschäftsmodell
fungiere, werde dies negative Auswirkungen auf das Gemeinwohl haben.
Positiv strich Coudenhove-Kalergi heraus, dass es viel ehrenamtliches Engagement gebe, das aber Unterstützung
in Sichtbarkeit und Vernetzung brauche. Außerdem seien Diskursräume wichtig, da Diskussion derzeit nicht
oder nur in thematischen Blasen (Bubbles) stattfinden würden. Wie kann Frauenförderung in den Männerdomänen
Digitalisierung und digitale Technologien aussehen? Allen voran solle die Frage nach einem verantwortlichen Umgang
gestellt werden, hier sei der Staat gefordert. Bildung werde hier jedenfalls als großer Hebel gesehen, um
kritisch reflektierte Bürgerinnen und Bürger im digitalen Bereich zu bilden. Die digitale Zukunft solle
sozial gerecht gestaltet werden – und zwar mit Mut und Tempo.
Als Diskussionsgrundlage dient etwa auch die Arena Analyse von Kovar & Partners "Wir und die anderen",
die im Jänner auf Einladung des Bundesratspräsidenten im Parlament vorgestellt wurde. Die umfassenden
Ergebnisse der Diskussion sind im Netz einsehbar. Bundesratspräsident Reinhard Todt lädt alle Interessierten
dazu ein, sich unter diesem Link bis zum 15. April 2018 an der Online-Konsultation zum Thema "Digitale Zukunft
sozial gerecht gestalten" zu beteiligen.
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