Lärmsituation in Innsbruck erstmals umfassend erhoben
Innsbruck (lk) - Die Belastung und Belästigung durch Lärm sind die am häufigsten wahrgenommenen
Formen der Umweltbelastung und gleichzeitig eines der meistverdrängten Umweltprobleme überhaupt. Speziell
im alpinen urbanen Raum stellt Lärm die EntscheidungsträgerInnen vor immer größere Herausforderungen.
Dabei fehlte es bislang nicht primär an wissenschaftlichen Grundlagen, sondern schlicht an umfassenden, nachvollziehbaren
und stabilen Daten. Das Pilotprojekt Gesamtlärmbetrachtung Innsbruck hat sich daher zum Ziel gesetzt, erstmals
eine repräsentative, nachvollziehbare Datengrundlage für die Beurteilung der Gesamtbelastung und -belästigung
der Innsbrucker Stadtbevölkerung zu schaffen.
Die vom Land Tirol beauftragte unabhängige Studie entstand in Zusammenarbeit mit der Stadt Innsbruck, dem
Österreichischen Arbeitsring für Lärmbekämpfung (ÖAL) sowie den Infrastrukturträgern
Asfinag, ÖBB und der Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft – am 11. April wurden die Ergebnisse im Rahmen
einer Pressekonferenz präsentiert. LHStvin Ingrid Felipe und die Innsbrucker Vizebürgermeisterin Sonja
Pitscheider wollen die Ergebnisse als Grundlage für künftige Verkehrs- und Stadtplanung nutzen.
LHStvin Felipe streicht die Einzigartigkeit der Erhebung hervor: „Lärm wird sehr persönlich wahrgenommen.
Alle bislang durchgeführten Studien haben diese subjektive Ebene der Gesamtlärmbelastung nicht ausreichend
mitberücksichtigt. Großartig, dass Christoph Lechner und David Schnaiter diese krank machende Belastung
erhoben und gleichzeitig auch schützenswerte Ruheoasen ausgeforscht haben und wir diese Daten nutzen können.“
Vizebürgermeisterin Pitscheider sieht die Möglichkeit, regionale Ableitungen aus den Ergebnissen zu ziehen:
„Als Verantwortliche für Umwelt war es mir ein großes Anliegen, diese Studie zu unterstützen. Gerade
Straßenverkehrslärm wird als ständige Belästigung und Belastung empfunden. Hier kann mit klugen
Lenkungsmaßnahmen das Belastungsniveau gesenkt werden“.
Da Innsbruck nicht isoliert betrachtet werden könne und immer im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Umland
stehe, brauche es verstärkte Bemühungen, den derzeit autolastigen Verkehr auf den Öffentlichen Verkehr
umzulenken, betonen die beiden Politikerinnen unisono.
„Relationen müssen dort geschaffen werden, wo die Menschen hin wollen!“, ist die Innsbrucker Vizebürgermeisterin
überzeugt und macht auch den Fluglärm zum Thema: „Ein weiteres Augenmerk muss auf den Flugverkehr gelegt
werden. Den zwar punktuell auftretenden, jedoch stark belastenden Lärmpegel durch Start und Landung kann durch
verstärkte Bemühungen, lärmarme Flugzeuge zu priorisieren, entgegengewirkt werden."
Insgesamt wurden mehr als 1.000 Personen im gesamten Stadtgebiet persönlich befragt und 140.000 Euro in die
Studie investiert.
Die Ergebnisse im Detail:
Methoden
Das Studiendesign für das Pilotprojekt Gesamtlärmbetrachtung Innsbruck sah neben der detailgenauen Erarbeitung
von Lärmindizes für Straße, Schiene und Flugverkehr mit über 280.000 Einzelpunktberechnungen
eine repräsentative Vor-Ort-Befragung vor. Um eine hohe Repräsentativität der Befragungen sicherzustellen,
wurde eine geschichtete Clusterauswahl, verteilt auf Lärmkorridore (neun Belastungsgruppen) unter Einbeziehung
der einzelnen Verkehrsträger, der demographischen Parameter und nach Katastralgemeinden (Stadtteilen) vorgenommen.
Die insgesamt 1.031 Befragungen wurden durch geschulte InterviewerInnen des Marktforschungsinstituts IMAD durchgeführt
und die Lärmeinwirkungen auf Basis des Jahresverkehrsaufkommens für jeden Verkehrsträger in Form
von Lärmindizes bei jedem Gebäude mit Hauptwohnsitzgemeldeten berechnet. Besonderes Augenmerk wurde dabei
auf die durchgängige Berücksichtigung der gängigen Qualitäts- und Datenschutzstandards gelegt.
Die erzielte Rücklaufquote von 47,8 Prozent liegt auch im Vergleich zu anderen internationalen Großstudien
in urbanen Räumen außerordentlich hoch.
Ergebnisse
Unter der Leitung von Christoph Lechner wurden wirkungsbezogene Darstellungen der einzelnen Lärmpegel für
den 24h- und den Nachtzeitraum für sämtliche Verkehrsträger und sämtliche Gebäude in Innsbruck
erarbeitet sowie Gesamtlärmkarten dargestellt, welche verbleibende Ruhezonen ebenso wie sogenannte Hotspots
identifizieren.
Die deutlich stärkste Lärmbelastung geht in Innsbruck vom Straßenverkehrslärm aus, der im
Mittel mit einem 24h-Dauerschallpegel von rund 55 dB auf die InnsbruckerInnen einwirkt und damit rund 10 dB über
den Durchschnittspegeln für Flug-, Schienen- und Autobahnlärm (diese liegen nahezu gleichauf) zu liegen
kommt. Über 50 Prozent aller Gebäude in Innsbruck sind als stark straßenverkehrslärmbelastet
einzustufen, nur rund acht Prozent als geringbelastet (<45 dB).
Die erarbeiteten Lärmkarten zeigen aber unter anderem auch die deutlichen Einwirkungen des Flugverkehrs auf
das Stadtgebiet: Insbesondere im Westen Innsbrucks sind kaum mehr unbelastete Ruhezonen (Innenhöfe, Parks
usw.) vorhanden. Für die Vor-Ort-Befragungen und die Basisauswertungen zeichnete David Schnaiter verantwortlich.
Im frei zugänglichen und interaktiv verlinkten
Gesamtbericht finden sich hunderte Darstellungen zu den Themenbereichen Lärmwahrnehmung, Lebensbedingungen,
Lebensqualität, Lärmempfindlichkeit, Gesundheit, Belästigung / Störung durch Lärm allgemein
und im Schlaf, Mobilität, Umgang mit Lärm etc..
So zeigen sich die befragten InnsbruckerInnen überwiegend sehr zufrieden mit ihren Lebens- und Wohnbedingungen,
wobei insbesondere die Güte der öffentlichen Verkehrsmittel in Innsbruck sehr hoch eingeschätzt
wird. Auch fühlen sich die meisten Befragten der Stadt Innsbruck stark verbunden und schätzen ihre persönliche
Lebensqualität sehr hoch ein.
Allerdings empfinden sich über zwölf Prozent vom Lärm insgesamt stark belästigt und mehr als
die Hälfte aller Befragten ist der Gruppe der mittelgradig Lärmbelästigten zuzuordnen. Besonders
der Flugverkehrslärm stört die InnsbruckerInnen und stellt die am meisten belästigende Lärmquelle
Innsbrucks dar.
Nichtsdestotrotz schlafen die InnsbruckerInnen gerne und vorwiegend bei geöffnetem oder gekipptem Fenster.
Interessant ist auch der Umstand, dass über 75 Prozent aller Befragten der Meinung sind, ihr eigener Lärmbeitrag
sei gering bis sehr gering.
Die Auswertungen zeigen, dass deutliche Bezüge zwischen einer ganzen Reihe von Parametern und der Lärmbelästigung
bestehen und etwa die Einschätzung der eigenen Lebensqualität bei ansteigender Belästigung sinkt.
Insgesamt wünscht sich eine Zweidrittelmehrheit, dass weitere Maßnahmen zur Lärmreduktion in Innsbruck
getroffen werden – ein Auftrag auch an die EntscheidungsträgerInnen.
Die vorliegende Studie mit ihrer breit gefächerten Schwerpunktsetzung und ihrem modularen Aufbau zeigt sich
durch ihre Methodik auch im internationalen Vergleich in ihrer Qualität herausragend und ist damit auch für
anschließende vertiefende Forschungen und die Beantwortung offener Fragen bestens geeignet. Eine Reihe weiterführender
Nutzungen durch die EntscheidungsträgerInnen und die Wissenschaft werden ermöglicht.
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