Schloss Eckartsau – das letzte Schloss des Kaisers in der Wildnis
Eckartsau/Perchtoldsdorf (bundesforste) - Das letzte Kapitel der Donaumonarchie wurde in den Räumen
eines Jagdschlosses geschrieben, das mitten in den Donauauen zwischen Wien und Bratislava liegt: Schloss Eckartsau.
Hier fand Kaiser Karl I. im Jahr 1918 seine letzte Zufluchtsstätte vor dem Exil, hier unterzeichnete er die
Verzichtserklärung für die ungarische Reichshälfte. Der Christian Brandstätter Verlag und die
Österreichischen Bundesforste (ÖBf) bringen anlässlich des Gedenkjahres „100 Jahre Republik“ nun
das erste Buch über dieses verborgene Kleinod in der Wildnis heraus. „Mit Rudolf I. und der Schlacht bei Dürnkrut
begann der Aufstieg der Habsburger, mehr als 600 Jahre später ging die Ära der Donaumonarchie unter Karl
I. in Schloss Eckartsau für immer zu Ende“, unterstreicht Rudolf Freidhager, Vorstand der Österreichischen
Bundesforste, die historische Bedeutung des ehemaligen Jagdschlosses im Marchfeld, das heute in der Obhut der Bundesforste
steht. „In den Novembertagen des Jahres 1918 wurde im Schloss Geschichte geschrieben, Eckartsau wurde zum Schauplatz
der Weltgeschichte.“
Ein Bildband mit aufsehenerregenden Fotos zeigt nun die Schönheiten dieses vergessenen Barockjuwels, das
heute als Geheimtipp unter den Ausflugszielen zwischen Wien und Bratislava gilt. „Der Name des Schlosses ist mit
vielen prominenten Persönlichkeiten wie Kaiserin Maria Theresia oder Erzherzog Franz Ferdinand verbunden“,
weiß Verleger Nikolas Brandstätter, „das Buch erzählt zum ersten Mal die spannende Geschichte dieser
prachtvollen Anlage von den Anfängen an.“ Unter dem Titel „Schloss Eckartsau – Schicksalsschloss in der Wildnis“
wurde das Buch dieser Tage vorgestellt und ist ab sofort im Buchhandel erhältlich.
Jagddomizil als letzter Zufluchtsort
Man schrieb den 11. November 1918. Karl I. brach mit seiner Familie von Schloss Schönbrunn aus in eine ungewisse
Zukunft auf. Ziel der Wagenkolonne, die Wien in östliche Richtung verließ, war Schloss Eckartsau, zuletzt
Jagdsitz Franz Ferdinands. Das Schloss zählte – im Unterschied zu den Hauptresidenzen – zum Privatbesitz der
Habsburger und bot wegen der Jagdmöglichkeiten Schutz vor drohendem Hunger. Nur wenige Stunden zuvor wurde
in Wien unter turbulenten Umständen die Republik ausgerufen. Vier Jahre nach der Ermordung des österreichischen
Thronfolgers in Sarajewo war der Krieg für Österreich endgültig verloren, die Monarchie lag in Trümmern.
In der Hoffnung auf eine politische Wende und ein Fortbestehen der Monarchie richtete sich der entthronte Kaiser
mit Kaiserin Zita und Kindern auf einen längeren Aufenthalt in Schloss Eckartsau ein. Doch die Träume
von der Fortsetzung der Monarchie wurden zerschlagen, vergeblich versuchte Kanzler Karl Renner ihn zur Abdankung
zu überreden. Am 13. November 1918 schließlich traf eine Delegation aus Ungarn in Eckartsau ein und
bewog Kaiser Karl I., auf eine ungarische Regierungsbeteiligung zu verzichten. Damit war das Ende der Monarchie
endgültig besiegelt. Ein Faksimile der Verzichtserklärung ist heute noch in Schloss Eckartsau zu besichtigen.
Im März 1919 begab sich die Kaiserfamilie zum nahe Eckartsau gelegenen Bahnhof Kopfstetten und trat von dort
die Reise ins Exil an. Nach mehr als 600 Jahren ging die Ära der Donaumonarchie für immer zu Ende.
Prachtband mit Luftaufnahmen und einzigartigen Naturfotos
„Das Buch gewährt erstmals Einblicke in das Alltagsleben der Kaiserfamilie in den letzten Tagen der Monarchie“,
so Brandstätter. Auf 144 Seiten erzählt der Prachtband die bewegte Geschichte dieses Barockschlosses,
dessen Anfänge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Ursprünglich als wehrhaftes Wasserschloss
mit Zugbrücke errichtet, wurde es unter Graf Kinsky zum Barockjuwel ausgebaut, bevor es unter Maria Theresia
und ihrem Gemahl Franz I. Stephan zum kaiserlichen Jagdschloss avancierte. Eine neuerliche Blüte erlebte Schloss
Eckartsau unter dem österreichischen Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand, der dem Anwesen seine heutige
Gestalt verlieh. Zahlreiche technische Errungenschaften gehen auf ihn zurück: ein Badezimmer mit großzügiger
Einbauwanne und Dusche, eine Toilette mit Wasserspülung, der Prototyp eines Staubsaugers. Das Buch verwebt
alte Fotografien, Luftaufnahmen, Schwarz-Weiß-Bilder und Fotos „hinter den Kulissen“ zu einer kunstvollen,
kurzweiligen Melange über Schloss Eckartsau ergänzt von einzigartigen Naturaufnahmen aus Schlosspark
und Auwäldern.
Geheimtipp zwischen Wien und Bratislava
Heute wird Schloss Eckartsau samt umliegenden Wäldern von den Bundesforsten betreut und dient als Sitz des
ÖBf-Nationalparkbetriebs Donau-Auen. „Wir haben die Räumlichkeiten Schritt für Schritt restauriert
und das Schloss für alle öffentlich zugänglich gemacht“, betont Rudolf Freidhager. „Allein in den
letzten Jahren wurden rund 4 Millionen Euro investiert, jüngst wurde der festliche Stiegenaufgang unter Auflagen
des Denkmalschutzes generalsaniert. Wir sehen uns als Bewahrer dieses historischen Juwels nicht zuletzt für
die nächsten Generationen.“ Neben zahlreichen Veranstaltungen und der Sonderausstellung „Kaiser Karl I. und
Zita im Schatten der Geschichte“ zum Gedenkjahr wird Schloss Eckartsau im September 2018 Austragungsort eines mehrtägigen
Zeitgeschichte-Symposiums, bei der sich namhafte Zeithistoriker aus der ganzen Welt mit der Entwicklung von Demokratien
heute beschäftigen verbunden mit der Fragestellung „Droht uns ein autoritäres Jahrhundert?“.
Schloss Eckartsau ist von April bis Oktober täglich geöffnet, der Schlosspark ist ganzjährig zugänglich.
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