ÖVP und FPÖ für Überwachung verschlüsselter Nachrichten im Internet,
Opposition spricht von unverhältnismäßigem Eingriff in Grundrechte
Wien (pk) - Mit den Stimmen der Regierungsparteien wurde am 20. April im Nationalrat das Sicherheitspaket
beschlossen. Für eine lebhafte Debatte sorgten dabei vor allem jene Bestimmungen, die eine Überwachung
von WhattsApp und Skype ermöglichen. Während ÖVP und FPÖ die neue Ermittlungsmaßnahme
als wirkungsvolle Handhabe im Kampf gegen schwere Kriminalität und Terrorismus begrüßten, sah die
Opposition darin einen unverhältnismäßigen Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte, warnte vor Missbräuchen
und sprach von "Überwachungsstaat". Ein gegen das Paket gerichteter Entschließungsantrag der
Liste Pilz fand keine Mehrheit.
Überwachung von WhattsApp und Skype, Videoüberwachung im öffentlichen Raum
Das Paket besteht zunächst aus einem Strafprozessrechtsänderungsgesetz, das den Einsatz staatlicher Spionagesoftware
– Stichwort Bundestrojaner - zur Überwachung verschlüsselter Nachrichten sowie von Massengerdiensten
wie WhattsApp und Skype im Internet regelt. Voraussetzung ist dabei das Vorliegen eines konkreten Verdachts. Die
Software kann somit bei Verbrechen mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei Verdacht auf terroristische
Straftaten oder bei Straftaten gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Integrität mit einer Strafobergrenze
von mehr als fünf Jahren eingesetzt werden. Vorgesehen ist auch der Einsatz von sogenannten IMSI-Catchern,
mit denen die Polizei Handys orten kann. Für beide Methoden braucht es neben der Anordnung durch die Staatsanwaltschaft
auch eine gerichtliche Bewilligung. Teil der Novelle ist zudem eine anlassbezogene Vorratsdatenspeicherung mit
einer nicht verlängerbaren Höchstfrist von zwölf Monaten.
Durch Änderungen im Sicherheitspolizeigesetz wiederum werden öffentliche und bestimmte private Rechtsträger
verpflichtet, der Exekutive auf Ersuchen Videomaterial von Überwachungskameras im öffentlichen Raum zur
Verfügung zu stellen bzw. Echtzeitstreaming zu ermöglichen. Dies gilt etwa für Bahnhöfe, Flughäfen,
aber auch für die ASFINAG. Das Paket enthält aber auch die Grundlage für den Einsatz von Kennzeichenerkennungssystemen,
die es der Polizei erlauben, nicht nur Kennzeichen verdeckt zu ermitteln, sondern auch Informationen über
LenkerIn und Fahrzeug zu verarbeiten. Änderungen im Telekommunikationsgesetz schließlich bedeuten das
Aus für anonyme Wertkartenhandys. Ab Jänner 2019 müssen sich KundInnen bei jedem Kauf einer SIM-Karte
identifizieren, wobei u.a. Namen und Anschrift durch den Telekom-Anbieter zu registrieren sind.
Gemeinsam mit dem Sicherheitspaket wurde auch ein Bundesgesetz beschlossen, das die justizielle Zusammenarbeit
in Strafsachen und in Finanzstrafsachen mit den Mitgliedstaaten der EU auf Basis der Gegenseitigkeit weiter ausbaut.
Konkret geht es dabei neben der Vereinfachung des Informationsaustausches vor allem um die Schaffung eines Rechtsrahmens
für die Vollstreckung einer Europäischen Ermittlungsanordnung eines anderen Mitgliedstaates im Inland
bzw. für die Erlassung einer Ermittlungsanordnung, die in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden soll,
durch eine österreichische Behörde. Für dieses Gesetz sprachen sich die Abgeordneten einstimmig
aus.
Kickl: Behörden erhalten Rüstzeug zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität
Die Polizei erhalte mit diesem Paket das notwendige Rüstzeug, um bei der Bekämpfung der schwersten
Kriminalität auf der Höhe der Zeit zu sein, betonte Herbert Kickl. Überwacht werde nicht die Masse,
die Maßnahmen richten sich vielmehr gegen jene, die die Sicherheit der Massen gefährden. Es gehe nicht
um den "Hendldieb", sondern um organisierte Kriminalität und Terrorismus, stellte der Innenminister
klar. Die Eingriffe seien auf den Einzelfall und auf einen konkreten Verdacht gerichtet, überdies habe man
die nötige Balance zwischen dem Schutz der Grund- und Freiheitsrechte und dem Schutzbedürfnis der Bevölkerung
gefunden. Mit Nachdruck unterstrich Kickl, dass die Maßnahmen von einem engmaschigen Netz aus richterlicher
Genehmigung und Kontrolle flankiert sind.
Köstinger schließt Massenüberwachung aus
Die Exekutive brauche zur Verbrechensbekämpfung Maßnahmen auf dem modernsten Stand der Technik,
bekräftigte auch Bundesministerin Elisabeth Köstinger, die den erkrankten Justizminister Josef Moser
vertrat. Es sei höchste Zeit, den Behörden in den Fällen schwerster Kriminalität die Möglichkeit
der Überwachung verschlüsselter Nachrichten im Internet zu geben. Die gesetzlichen Anforderungen dafür
seien jedenfalls sehr hoch. So garantiere das Sicherheitspaket Rechtsschutz und Transparenz und implementiere überdies
die Anregungen aus drei Begutachtungsverfahren. Faktum ist für Köstinger, dass es weder beim Zugriff
auf WhatsApp und Skype noch bei der Anlassdatenspeicherung zu einer Massenüberwachung und einer Online-Durchsuchung
kommen werde.
ÖVP sieht gute Balance zwischen Sicherheit und Grundrechten
Das Sicherheitspaket biete eine gute Balance zwischen der Sicherheit und der nötigen Freiheit und schaffe
nun die rechtliche Möglichkeit für einen anlassbezogenen Zugriff auf Datenmaterial, bekräftigte
Werner Amon. Mit Massenüberwachung habe das alles nichts zu tun. Vielmehr gehe es darum zu verhindern, dass
Datenschutz zum Schutz der Kriminellen diene. ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker erinnerte an die geschärften
Voraussetzungen für die Überwachung, so etwa an das Vorliegen eines konkreten Verdachtes einer schweren
strafbaren Handlung sowie die richterliche Genehmigung. Es werde zu einem sorgsamen Einsatz der Überwachungsmaßnahmen
kommen, zeigte sie sich überzeugt. Ihr Fraktionskollege Karl Mahrer begrüßte die nunmehr der Exekutive
eingeräumten Möglichkeit, im Einzelfall Videomaterial von Bahnhöfen oder Flughäfen auszuarbeiten,
und erwartet sich davon wesentliche Erleichterungen bei der Ausforschung von Kriminellen. Datenschutz dürfe
kein Tatenschutz sein, unterstrich Friedrich Ofenauer. Wer nichts Böses im Schilde führe, brauche sich
auch nicht zu fürchten, pflichtete ihm Nikolaus Prinz bei. Es gehe einzig und allein um den Schutz der BürgerInnen,
und nicht um Massenüberwachung, versicherte Johanna Jachs, die das Sicherheitspaket auch als Reaktion auf
die technologische Entwicklung interpretierte.
FPÖ: Sicherheitspaket ist Firewall zum Schutz der Bevölkerung
Harald Stefan sprach von einer gelungenen Abwägung zwischen den Notwendigkeiten der Strafverfolgung und dem
Schutz der Grund- und Freiheitsrechte. So sei die Anlassdatenspeicherung nur bei konkretem Verdacht möglich,
auch der Bundestrojaner dürfe nur bei einem Verdacht schwerster Straftaten eingesetzt werden. Von einer Massenüberwachung
könne keine Rede sein. Eine "Firewall" zum Schutz der österreichischen Bevölkerung sei
das Sicherheitspaket, meinte Philipp Schrangl. Der Staat dringe damit in die Komfortzone von Terrorismus und organisierter
Kriminalität vor. Was den Rechtsschutz betrifft, setzt Schrangl nun vor allem auf die Tätigkeit der unabhängigen
Rechtsschutzbeauftragten. Die Exekutive erhalte durch die neuen Maßnahmen das Handwerkszeug, das sie braucht,
um die Bevölkerung vor Terrorismus zu schützen, schloss sich Werner Herbert dem Chor der Zustimmung an.
Christian Lausch ging scharf mit den Kritikern ins Gericht und stellte fest, die SPÖ mache sich mit ihrer
Ablehnung zum Schutzpatron der Kriminellen. Günther Kumpitsch wiederum sieht vor allem in der Registrierungspflicht
für anonyme Handy-Wertkarten eine wirksame Handhabe bei Ermittlungen in der Drogenszene. "Der Rechtsstaat
zeigt mit diesem Paket bei der Verbrechensbekämpfung seine Zähne", freute sich Christian Ries. Die
neuen Maßnahmen haben nur einen Sinn, nämlich die Menschen davor zu schützen, Opfer von Verbrechen
zu werden, fasste Robert Lugar zusammen. Es gehe um die Verhinderung und Aufklärung schwerster Kriminalität,
bestätigte auch Walter Rosenkranz. "Fürchten müssen sich nur die Kriminellen, und das ist gut
so."
SPÖ: Bundestrojaner ermöglicht Eingriff in Privatsphäre
Für Johannes Jarolim ist das Sicherheitspaket reine "Augenauswischerei". Die Regierung wolle damit
nur über Defizite im Sicherheitsapparat hinwegtäuschen, die durch Einsparungen bei der Exekutive und
bei der Digitalisierung entstanden sind. Mit dem Bundestrojaner werde man jedenfalls die Sicherheitsprobleme nicht
lösen können. 15% mehr Polizei mit entsprechender Ausrüstung wären für die Sicherheit
der Bevölkerung wesentlich sinnvoller. Terroristen könne man mit der Überwachungssoftware nicht
bekämpfen, zeigte sich der SPÖ-Justizsprecher skeptisch. Vielmehr ermögliche der Bundestrojaner
ausufernde Zugriffe auf die Handys von unbeteiligten Dritten. Peter Wittmann wiederum qualifizierte den Bundestrojaner
als Eingriff in die Menschenrechte und warnte, aus Angst vor imaginären Gefahren überschreite man hier
eine Grenze und gebe gerade jene Freiheitsrechte auf, die man eigentlich verteidigen sollte. Das Paket treffe jeden,
der ein Handy hat, einen Computer benützt und sich im öffentlichen Raum bewegt, legte Angela Lueger nach.
Der Bundestrojaner sei ein ungerechtfertigter Eingriff in die Privat- und Intimsphäre, bestätigten Muna
Duzdar, Petra Bayr, Irene Hochstetter-Lackner und Rudolf Plessl unisono. Die Regierung opfere grundlegende Freiheitsrechte
für eine scheinbare Sicherheit, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein, schlug Klaus Uwe Feichtinger Alarm,
dem sein Fraktionskollege Reinhold Einwallner beipflichtete. Konrad Antoni wiederum befürchtet massive Bespitzelung
im Rahmen der im Paket verankerten Sicherheitsforen.
NEOS orten Schritt in Richtung Überwachungsstaat
"Das Paket ist ein tätlicher Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte und ein weiterer Schritt in Richtung
Überwachungsstaat", brachte Nikolaus Scherak seine Kritik auf den Punkt. Mit dem Bundestrojaner schieße
man weit über das Ziel hinaus, zumal der Zugriff nur auf bestimmte Nachrichten technisch nicht möglich
sei. Tatsächlich werde das gesamte Gerät und damit die Privatsphäre überwacht. Dass man die
dazu notwendige Software derzeit nur auf dem Schwarzmarkt kaufen kann, sieht Scherak als Alarmsignal. Auch die
übrigen Punkte, von den IMCI-Catchern bis zur Anlassdatenspeicherung, lehnt der Justizsprecher der NEOS als
Eingriffe in die Grundrechte ab, wobei er ebenso wie seine Fraktionskollegin Irmgard Griss die Warnung aussprach,
die Überwachungsmaßnahmen würden zu Missbrauch führen.
Liste Pilz: Grund- und Freiheitsrechte werden mit Füßen getreten
Der Bundestrojaner sei ein Instrument des "Staatsdatenterrorismus", der alles vernichtet, was man
zur Internetsicherheit braucht, kritisierte Alfred Noll, der überdies an der Effizienz der neuen Ermittlungsmaßnahme
zweifelt. Die Software für die Zugriffe werde pro Objekt und Überwachung 1 Mio. € kosten. Dafür
gebe es aber kein Budget. Die Grund- und Freiheitsrechte würden mit Füßen getreten, die offene
Gesellschaft falle einer scheinbaren Sicherheit zum Opfer, gab Alma Zadic zu bedenken. Mit dem Sicherheitspaket
komme Österreich dem Überwachungsstaat einen Schritt äher.
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