Nur Liste Pilz stimmt gegen umfangreiches Gesetzespaket
Wien (pk) - Breiten Konsens gab es am 20. April im Nationalrat für die Reform des Vergaberechts. Neben
den Koalitionsparteien stimmten auch die SPÖ und die NEOS für das von der Regierung vorgelegte umfangreiche
Gesetzespaket. Ziel des Pakets ist es, Vergabeverfahren zu modernisieren und zu vereinfachen und das Bestbieterprinzip
zu stärken, außerdem müssen EU-Vorgaben umgesetzt werden. Mit dem Beschluss werde das österreichische
Vergaberecht fit gemacht für das 21. Jahrhundert, betonte FPÖ-Abgeordneter Markus Tschank. Auch von Seiten
der Opposition gab es allgemeines Lob.
Dass die Liste Pilz dennoch gegen das Gesetzespaket stimmte, begründete Alfred J. Noll damit, dass sämtliche
rechtsanwaltlichen Dienstleistungen vom Bundesvergabegesetz ausgenommen sind. Österreich schreibe in diesem
Bereich entgegen der sonst immer wieder hochgehaltenen nationalen Eigenständigkeit und des Subsidiaritätsprinzips
die EU-Richtlinie "ganz und gar uninspiriert" ab, kritisierte er. Dabei sei diese Bestimmung nur aufgrund
erfolgreicher Lobby-Arbeit britischer und anderer internationaler Großkanzleien in die Richtlinie aufgenommen
worden.
Kein Problem mit der von Noll kritisierten Bestimmung hat hingegen Klaus Fürlinger (ÖVP), wie Noll ebenfalls
Rechtsanwalt. Das Gesetz sei weder schludrig noch schleißig, bekräftigte er und begrüßte
es ausdrücklich, dass EU-Vorgaben nicht übererfüllt werden. Das Vergaberecht sei eine unglaublich
komplexe Materie, unterstrich Fürlinger, auf der einen Seite brauche es gleiche Chancen für Unternehmen,
auf der anderen Seite müsse man aber auch dafür sorgen, dass gerade kleine Gemeinden nicht in Bürokratie
ersticken. Mit dem Gesetzespaket habe man sich den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Sparsamkeit
und Wirtschaftlichkeit verschrieben und nehme auch auf kleine und mittlere Unternehmen Rücksicht.
Personenverkehrsdienste auf der Schiene sind vom Vergaberecht nicht umfasst
Seitens der SPÖ machte Peter Wittmann (SPÖ) darauf aufmerksam, dass die Regierungsvorlage im Wesentlichen
eins zu eins dem Vorschlag entspreche, den die SPÖ vor acht Monaten vorgelegt hat. Damals habe die ÖVP
eine Beschlussfassung jedoch "mit teilweise absurden Forderungen" verhindert. Das Gesetz sei eine der
Materien gewesen, an denen die ÖVP die alte Koalition scheitern habe lassen. Nun würde das Gesetz in
der ursprünglichen Version beschlossen. "Die Bestimmungen, dass Leistungen der ÖBB nicht direkt
ausgeschrieben werden dürfen, kommen nicht." Allgemein würden mit dem Gesetz Vergabeverfahren erleichtert,
Ausschreibungen im Unterschwellenbereich flexibilisiert und das Bestbieterprinzip ausgeweitet.
Der allgemein positiven Beurteilung des Gesetzes schloss sich auch Melanie Erasim (SPÖ) an. Durch das Paket
werde das Überleben vieler österreichischer Unternehmen gesichert, ist sie überzeugt. Wichtig sei
es nun, dass das Gesetz mit Leben erfüllt werde. Vor allem im Busverkehr sieht Erasim die Notwendigkeit, Ausschreibungen
nach dem Bestbieterprinzip durchzuführen, um Lohn- und Sozialdumping zu beenden. Zum Thema Schienenverkehr
merkte Erasim an, die SPÖ wolle nicht, dass ausländische Verkehrs-Großkonzerne zu Lasten der rot-weiß-roten
ÖBB mit Steuergeldern gefördert werden.
Bedauern darüber, dass sich die ÖVP in Sachen Liberalisierung von Bahn-Dienstleistungen nicht durchgesetzt
hat, äußerten hingegen die NEOS. Für Douglas Hoyos-Trauttmansdorff ist es nicht einsichtig, dass
Jahr für Jahr bei den ÖBB Personenkilometer ohne Ausschreibungen bestellt werden. Zumindest im wettbewerbsfähigen
Fernverkehr gelte es, möglichst bald mit kompetitiven Ausschreibungen zu starten und nicht erst 2023, wie
von der EU gefordert, meinte er. Ein von den NEOS eingebrachter Entschließungsantrag zielte darauf ab, eine
Studie über die Auswirkung von Ausschreibungen bzw. Direktvergaben im Verkehrsbereich zu erstellen, er erhielt
bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.
Hoyos' Fraktionskollege Nikolaus Scherak hob hervor, dass Österreich die einschlägige EU-Vergaberechtsrichtlinie
viel zu spät umsetze. Den Ausbau des Bestbieterprinzips wertete er als sinnvoll, damit könne die Qualität
von Produkten besser in die Ausschreibung einbezogen werden.
Verantwortlich für die verzögerte Beschlussfassung des Gesetzes machte Markus Tschank (FPÖ) den
ehemaligen Bundeskanzler Christian Kern. Die SPÖ habe geschlafen, kaum seien die Freiheitlichen an der Regierung,
werde umgesetzt, hielt er ungeachtet des Hinweises von Wittmann auf den ursprünglichen Entwurf fest. Mit dem
Paket werde das österreichische Vergaberecht fit gemacht für das 21. Jahrhundert.
ÖVP erwartet sich bessere Chancen für lokale Betriebe
Ziel des Bundesvergabegesetzes sei es, faire und transparente Vergaben zu gewährleisten, hielt ÖVP-Abgeordneter
Friedrich Ofenauer fest. Gleichzeitig hält er es für wichtig, dass bei Auftragsvergaben von Gemeinden
lokale Unternehmen zum Zug kommen. Damit würden Arbeitsplätze in der Region abgesichert. Das Bestbieterprinzip
verhindere auch Lohn- und Sozialdumping, die öffentliche Hand habe hier eine Vorbildwirkung.
Ofenauers Fraktionskollegen Nikolaus Berlakovich und Klaus Lindinger gingen insbesondere auf die Beschaffung von
Lebensmitteln für öffentliche Kantinen, etwa durch Kasernen, Spitäler, Altersheime und Kindergärten
ein. Bereits vor zwei Jahren habe man hier für bestimmte Produkte das Bestbieterprinzip eingeführt, erinnerte
Berlakovich. Allerdings sei das zum Teil durch besonders niedrige Preise einiger Anbieter ausgehebelt worden. Durch
das neue horizontale Bestbieterprinzip könnten bestimmte Qualitätsbedingungen bereits in der Ausschreibung
gefordert und nicht erst bei der Bewertung von Anboten berücksichtigt werden. Nicht der Preis, sondern die
Qualität solle entscheiden, was auf dem Teller der KonsumentInnen landet, bekräftigte Lindinger.
Das Vergaberegime gilt nicht nur für Bund, Länder und Gemeinden, sondern auch für Auftragsvergaben
in bestimmten Sektoren wie etwa der Wasser- und Energieversorgung und Teilen des öffentlichen Verkehrs. Ab
dem Erreichen bestimmter Schwellenwerte ist eine EU-weite Ausschreibung erforderlich, wobei im Verfassungsausschuss
ausdrücklich klargestellt wurde, dass Dienstleistungsaufträge für ein bestimmtes Vorhaben, etwa
einer Gemeinde, nur dann zusammenzurechnen sind, wenn es sich um Dienstleistungen desselben Fachgebiets handelt.
Diese Klarstellung wurde in der Sitzung von Friedrich Ofenauer und weiteren Abgeordneten ausdrücklich begrüßt.
In Kraft treten kann das neue Bundesvergabegesetz nur, wenn auch die Länder zustimmen.
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