Kunststoff beeinflusst auch die Basis der Nahrungsnetze im Ozean
Wien (universität) - Welche Auswirkungen Plastik und die darin enthaltenden Inhaltsstoffe wie Weichmacher
auf die Basis der Nahrungsnetze, im Wesentlichen die Bakteriengemeinschaften des Meeres, haben, steht im Fokus
der ForscherInnen um Gerhard J. Herndl von der Universität Wien. Sie untersuchen insbesondere, wie diese Inhaltsstoffe
von den Bakterien, die als Biofilm auf dem Plastik "wachsen", aufgenommen werden. Dabei fanden sie heraus,
dass die Freisetzung von organischem Material aus Kunststoffen den Kohlenstoffkreislauf in den Ozeanen drastisch
verändert. Die Ergebnisse der Studie erscheinen aktuell im renommierten Fachjournal "Nature Communications".
Die Produktion von Plastik stieg weltweit von rund 140 Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf 300 Millionen Tonnen im
Jahr 2017. Eine große Menge dieses Plastiks landet letztlich in der Umwelt und somit auch im Meer. Schätzungen
zufolge schwimmen an der Wasseroberfläche der Ozeane ca. 250.000 Tonnen an Plastik: Von großen Plastikfolien,
PET-Flaschen, bis zu Mikroplastik – kleinste Plastikteilchen, die sich auch in Kosmetika finden. Erhebliche Mengen
an größeren Kunststoffteilen wurden bereits in Walen und Großfischen gefunden. Kleinere Plastikpartikel
hingegen werden mit pflanzlichem Plankton verwechselt und von tierischem Plankton gefressen. Somit beeinflusst
Plastik die Nahrungskette in den Meeren – von Plankton bis zu den Raubfischen.
Die Wirkung von Plastik auf die Basis der Nahrungsnetze und auf die Bakteriengemeinschaften der Meere, die für
die Aufbereitung von Nährstoffen unerlässlich sind und somit erst die Grundlagen für die Ausprägung
des vielfältigen Lebens im Meer schaffen, sind bislang kaum erforscht. Die häufigsten Plastikmaterialien,
die im Meer an der Wasseroberfläche treiben, sind Polyethylen und Polypropylen. Praktisch alle Plastikmaterialien
sind mit Zusatzstoffen versetzt, die vorwiegend als Weichmacher fungieren.
An der Meeresoberfläche treibendes Plastik ist dem ultravioletten Licht der Sonne ausgesetzt und wird von
Bakterien und Algen besiedelt – dadurch bildet sich ein sogenannter Biofilm auf dem Kunststoff. Die ForscherInnen
widmeten sich der Frage, welchen Einfluss die Sonneneinstrahlung auf das Plastik sowie die darin enthaltenen Inhaltsstoffe
hat und wie die Freisetzung des mikrobiellen Biofilms auf die Aktivität der Mikroben im Meer wirkt.
Mikroben gedeihen auf Plastik
In ihrer aktuellen Studie untersuchten WissenschafterInnen um Gerhard J. Herndl von der Universität Wien
die Menge an organischem Material, das im Meer aus Plastik herausgelöst wird und wie dieses die Aktivität
der Bakterien beeinflusst. Die Messungen ergaben, dass die etwa 10 Millionen Tonnen Plastik, die jährlich
im Meer landen, rund 23.600 Tonnen an gelösten organischen Verbindungen ins Wasser abgeben. In den Experimenten
nahmen die Bakterien innerhalb von fünf Tagen etwa 60 Prozent der gelösten organischen Verbindungen aus
dem Plastik auf, wodurch die Aktivität der Mikroben stimuliert wurde. Im Gegenzug dazu zeigte sich, dass diese
Aktivität durch Sonneneinstrahlung wieder reduziert wird. "Die UV-Strahlung führt offenbar zu strukturellen
Veränderungen der sich aus dem Plastik lösenden organischen Verbindungen, sodass Bakterien diese weniger
effizient aufnehmen können", erklärt Gerhard J. Herndl.
Zunehmende Verschmutzung verändert Kohlenstoffkreislauf
Aktuelle Prognosen weisen darauf hin, dass sich die Verschmutzung durch Plastik in den Meeren in den kommenden
zehn Jahren verzehnfachen wird. Damit geht auch eine drastische Zunahme von organischem Material einher, das sich
aus dem Plastik löst und damit die Aktivität der Bakterien anregt. "Das führt dazu, dass sich
der natürliche Kohlenstoffkreislauf im Meer verändert, nicht nur jener an der Basis des marinen Nahrungsnetzes",
so Herndl abschließend.
Die Studie über den Einfluss von Plastik auf marine Mikroben wurde vom Wissenschaftsfonds (FWF) gefördert.
Publikation in "Nature Communications"
"Dissolved organic carbon leaching from plastics stimulates microbial
activity in the ocean": Cristina Romera-Castillo, Maria Pinto, Teresa Langer, Xose Anton Álvarez-Salgado,
Gerhard J. Herndl. Nature Communications.
doi: 10.1038/s41467-018-03798-5
https://www.nature.com/articles/s41467-018-03798-5
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