Schultes bezweifelt positive Ökobilanz des Neonicotinoid-Verbots bei Zuckerrüben
Brüssel/Wien (lk-ö) - Wissenschaftliche Ergebnisse fallen bei Entscheidungen des EU-Kommissars
für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, schwer ins Gewicht. "Ich möchte
sicherstellen, dass ich kohärent bleibe und Entschlüsse auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse
fälle", betonte Andriukaitis bei seinem Besuch in Wien. "Alle jene, die glauben, ich treffe Entscheidungen
aus dem Bauch heraus, denen kann ich sagen, sie leben auf dem Mond", fand der EU-Kommissar klare Worte gegenüber
seinen Kritikern. "Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) sagt, dass Glyphosat wahrscheinlich
nicht krebserregend ist, also ist es zu einer Zulassungsverlängerung des Herbizidwirkstoffs innerhalb der
EU gekommen. Wenn die EFSA sagt, Neonicotinoide sind bienengefährlich, werde ich den Verlust dieser bedeutenden
Bestäuber nicht riskieren und für ein Verbot plädieren", erklärte Andriukaitis.
Außerdem könne ein einzelnes Gebiet nicht eigene Regelungen erstellen, wie es etwa Kärnten beim
Verbot von Glyphosat vorhatte. "Ohne begründete wissenschaftliche Rechtfertigung bei der EU und Schadensmanagementpläne
ist so eine Vorgehensweise nicht möglich", unterstrich der EU-Kommissar.
"Nachhaltig ist das geplante Verbot von Neonicotinoiden bei Zuckerrüben nicht", gab Hermann Schultes,
Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, zu bedenken. "Es wird weniger heimischer Zucker
produziert und eine größere Menge Importzucker ins Land kommen, der zu anderen Standards erzeugt wurde.
Gleichzeitig würde dann eine mehrmalige flächendeckende Ausbringung von Insektiziden während der
Vegetationsperiode der Rübe erforderlich, wo man sich schon die Frage stellen kann, was besser ist",
so Schultes. Die Hoffnung in dieser Frage ruhe dennoch auf dem anstehenden demokratischen Abstimmungsprozess der
EU-Mitgliedstaaten, dass diese auch wissenschaftliche Bewertungen hinsichtlich eines vernünftigen Saatgutbezugs
berücksichtigen und somit mehrfache zusätzliche Insektizidanwendungen vermieden werden könnten.
Die Gesellschaft müsse wollen, dass die bäuerliche Landwirtschaft Bestand hat und die Bauern nach zehn
bis 15 Jahren ihre Investitionen wieder hereinwirtschaften können. "Das ist aber heute nicht möglich,
weil sich die Regulierungen und Vorschriften zu schnell ändern. Was die Landwirte in Österreich brauchen,
das sind Risikoausgleichsmaßnahmen, Investitionsförderungen, vernünftige Kooperationen mit dem
Handel, einen fairen Anteil am Preis, die Sicherheit, dass Produkte am Markt bestehen, sowie die Chance zum Dialog.
Wir brauchen auch eine sichtbare Information über die Herkunft der Lebensmittel", betonte Schultes.
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