EU-Ausschuss beschließt zwei kritische Mitteilungen an die EU-Institutionen
Brüssel/Wien (pk) – Der EU-Ausschuss des Bundesrats sprach sich am 25. April dezidiert gegen die völlige
Öffnung des nationalen Marktes im Bereich des grenzüberschreitenden Personenverkehrs aus. Damit kämen
die heimischen Verkehrsunternehmer und die gemeinwirtschaftlichen Aufgaben unter Druck, so die Sorge. Auch die
Vorschläge der EU-Kommission zur Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge stieß
auf wenig Gegenliebe, obwohl die Ziele zur CO2-Reduktion durchaus unterstützt werden. Die Vorgaben seien jedoch
kaum machbar, man müsse den Ländern und Gemeinden einen realistischen Zeitraum und machbare Ziele setzen,
sagte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (ÖVP/V). Michael Lindner (SPÖ/O) unterstrich seinerseits die
Notwendigkeit, dass die EU bei der CO2-Reduktion eine Vorreiterrolle spielen sollte, seiner Meinung nach sollten
aber die Investitionen in die Infrastruktur nicht in die Schulden eingerechnet werden. Der EU-Ausschuss schickte
daher einstimmig zwei kritische Mitteilungen an die EU-Institutionen.
Die Vorschläge der EU-Kommission sind Teil eines Legislativpaketes, das auf die Reduktion der CO2-Emissionen
abzielt und die Nutzung von elektrischen Straßenfahrzeugen fördern soll. Bereits in der Sitzung vom
4. April 2018 (siehe Meldung der Parlamentskorrespondenz Nr. 347/2018) äußerten die Ausschussmitglieder
Bedenken zu den vorliegenden EU-Dokumenten. Auch liegen seitens der Länder gemeinsame kritische Stellungnahmen
vor.
Bundesrat befürchtet zu hohe Kosten und hält die Vorgaben für überschießend
Mit der Richtlinie über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (Clean Vehicles
Directive) will die EU bei öffentlichen Ausschreibungsverfahren der Nachfrage und der weiteren Verwirklichung
sauberer Mobilitätslösungen verstärkt Impulse gegeben. Da die öffentliche Beschaffung als starker
Nachfrageanreiz für die Industrie angesehen wird, sollen daher nun auch alle öffentlichen Auftraggeber
– also Bund, Länder und Gemeinden - im Bereich der Vergaberichtlinien vom Anwendungsbereich der neuen Richtlinie
erfasst werden. Neben dem Kauf wird gemäß dem Entwurf auch die Miete, das Leasing und der Ratenkauf
von Straßenfahrzeugen erfasst. Ferner sollen bestimmte Erbringer öffentlicher Dienstleistungen - insbesondere
der öffentliche Verkehr, aber etwa auch die Müllabfuhr etc. - den Verpflichtungen der Richtlinie unterliegen.
Außerdem wird eine einheitliche Definition des Begriffs "sauberes Straßenfahrzeug" für
bestimmte Fahrzeugklassen vorgeschlagen.
Als Ziele der CO2-Reduktion für die Neubeschaffung nennt die EU-Kommission im Bereich der Pkw und Lkw (bis
3,5 t) 35% bis 2025; für Busse sind 50% bis 2025 und 75% bis 2030 vorgesehen, für schwere Lkw ab 2025
10% und ab 2030 15%.
Die österreichischen Bedenken betreffen nicht nur den Zeitplan und die Kosten, seitens des Infrastrukturministeriums
wird auch kritisch festgehalten, dass die Richtlinie im Gegensatz zu anderen EU-Vorschriften nicht technologieneutral,
sondern im Hinblick auf die Technologien sehr eng gefasst ist. Bundesrat Ferdinand Tiefnig (ÖVP/O) befürchtet,
dass die verschiedenen Energieformen in den Städten dann oft nicht kompatibel sein könnten. Wie Bundesrat
Wolfgang Beer (SPÖ/W) erfuhr, ist der Schiffsverkehr vom Entwurf nicht betroffen.
In seiner Mitteilung an die EU-Institutionen nennt der EU-Ausschuss die Ziele des Kommissionsvorschlags als überschießend.
Zudem seien vor allem für Busse und schwere Lkw nur vereinzelt elektrische Modelle, bzw. lediglich Prototypen
am Markt erhältlich, was die Erreichung der Vorgaben weiter erschweren würde. Außerdem seien die
Anschaffungskosten zur Erreichung der vorgeschriebenen Quoten enorm und unverhältnismäßig. Die
Bundesrätinnen und Bundesräte halten einen Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Ziele
des Mobilitätspakets für unabdinglich. Kritik hagelte es zudem an den von der Kommission geplanten delegierten
Rechtsakten, da damit relativ kurzfristige Änderungen der Rahmenbedingungen für die Beschaffungen zu
befürchten sind.
Völlige Liberalisierung im Bereich der Kabotage im Linienverkehr wird strikt abgelehnt
Auf breite Ablehnung des Ausschusses stieß der Vorschlag der Kommission zu einer Verordnung über den
grenzüberschreitenden Personenkraftverkehr, mit der die Entwicklung von Fernbusverbindungen in ganz Europa
und die Eröffnung von Alternativen zur Nutzung privater Pkw gefördert werden soll. Die Kommission hat
diesen Schritt in Richtung Liberalisierung vorgelegt, weil sie zu viele Hindernisse auf nationalen Märkten
ortet. Der Vorschlag ist Teil des zweiten Mobilitätspakets, das laut Kommission darauf abzielt, eine Führungsrolle
bei der Bekämpfung des Klimawandels zu übernehmen.
Die im Entwurf vorgesehene völlige Liberalisierung der Kabotage im Linienverkehr mit eigenen Verfahrensvorschriften
lehnt der Bundesrat unisono mit Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer strikt ab. Laut Kommissionsvorschlag soll
Kabotage unabhängig von einem internationalen Verkehr beantragt werden können und nach den Verfahrensvorschriften
und Ausschließungsgründen der EU-Verordnung genehmigt werden müssen. Ein diesbezüglicher Antrag
könnte demnach nur mehr aus Kapazitätsgründen verweigert werden. Das käme nach Ansicht der
LändervertreterInnen einer Aushebelung des Kraftfahrliniengesetzes samt Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz
gleich, argumentieren die Ausschussmitglieder. Die EU-Pläne würden vor allem für regionale Betreiber
im grenznahen Gebiet zu großen Problemen führen, meinte dazu Peter Samt (FPÖ/St). Die derzeitige
Rechtslage erlaubt demgegenüber Kabotage nur im Anschluss an einen internationalen Verkehr und diese muss
von der jeweiligen nationalen Behörde nach eigenen Vorschriften für den nationalen Markt genehmigt werden.
Ebenfalls nicht nachvollziehen kann man die Liberalisierung der Genehmigungserteilung für Linien über
100 km Luftlinie. Hier entscheidet die Genehmigungsbehörde, das ist die Behörde jenes Mitgliedstaats,
in dem sich der Ausgangspunkt der Linie befindet.
Auf wenig Gegenliebe stößt zudem die Schaffung einer eigenen Regulierungsstelle. Diese soll eine unabhängige
Behörde mit Sanktionsbefugnis gegenüber mitbeteiligten Behörden, Busterminalbetreibern und Antragstellern
sein und über Beschwerden bezüglich des Zugangs zu Busterminals entscheiden. Diese Entscheidungen wären
verbindlich und mittels Sanktionen durchsetzbar.
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