Bundeskanzler Sebastian Kurz: Wir haben Verantwortung gegenüber jenen, die vertrieben
und nicht zurückgeholt wurden – Eric Kandel erhält Ehrendoktorat der MedUni Wien
New York/Wien (bka) - „Eric Kandel ist einer der ganz wenigen lebenden Nobelpreisträger mit Wurzeln
in Österreich. Damit allein ist er ein großes Vorbild für uns alle“, sagte Bundeskanzler Sebastian
Kurz am 24. April anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Eric Kandel in Wien.
Kandel emigrierte als neunJähriger nach dem „Anschluss“ Österreichs und der Machtübernahme durch
die Nationalsozialisten aufgrund der antisemitischen Anfeindungen und Übergriffe in die USA. Den traumatischen
Erlebnissen seiner Kindheit im Wien entsprang der Wunsch, den menschlichen Geist mit seinem kreativen und positiven
Potenzial, aber auch den zerstörerischen und gewalttätigen Neigungen, zu erforschen.
80 Jahre nach dem „Anschluss“ hat es sich die Bundesregierung im heurigen Gedenkjahr zur Aufgabe gemacht, auch
an die dunklen Seiten der Geschichte unseres Landes zu erinnern. „Österreich hat lange gebraucht, um sich
seiner Vergangenheit offen und ehrlich zu stellen. Wir müssen uns eingestehen, dass sich Österreich seiner
historischen Verantwortung erst spät bewusst geworden ist. Die Mehrheit der über 100.000 vertriebenen
Österreicherinnen und Österreicher wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zurückgeholt. Bestohlen
und beraubt, waren sie hier in Österreich nicht mehr willkommen“, so der Bundeskanzler.
„Wir haben daher heute eine Verantwortung gegenüber jenen, die vertrieben wurden und die keiner mehr zurückgeholt
hat. Eric Kandel verkörpert als Mahner der Republik den Blick zurück und als erfolgreicher Wissenschaftler
und Vorbild den Blick nach vorne“, so Sebastian Kurz.
Kandels Arbeiten auf dem Gebiet der Hirnforschung verdanken wir fundamentale Einblicke in die Funktionsweisen des
menschlichen Gehirns sowie die Erkenntnis, wie Erinnerung funktioniert. So konnte Kandel die Funktion von Synapsen
durch Versuche mit Meeresschnecken nachweisen. Bei seinen Forschungen entdeckte er ein Protein, das eine Schlüsselrolle
beim Erinnern und Lernen spielt. Kandel wird auch als Vater der modernen Neurowissenschaften bezeichnet.
1974 wurde er Professor an der Columbia University in New York und Mitglied der National Academy of Sciences der
USA. Im Jahr 2000 wurde ihm der Nobelpreis für Medizin verliehen. Kandel wurde mit dem Österreichischen
Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet und ist Kuratoriumsmitglied des Institute of Science
and Technology Austria in Klosterneuburg.
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Eric Kandel erhält Ehrendoktorat der MedUni Wien
Wien (med-uni) - Markus Müller, Rektor der Medizinischen Universität Wien, verlieh dem Neurowissenschaftler
Eric Kandel das Ehrendoktorat der MedUni Wien. Kandel, der im November 1929 als zweiter Sohn eines Spielwarenhändlers
in Wien geboren wurde, erhielt im Jahr 2000 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin. Ausgezeichnet wurde
er für seine Forschung auf dem Gebiet des Gedächtnisses. Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz und Wissenschaftsminister
Heinz Faßmann gratulierten persönlich.
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland musste Kandel mit seiner Familie
im Jahr 1939 in die USA emigrieren. 1945 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sein Interesse an
der Erforschung physiologischer Vorgänge im Gehirn erwuchs zunächst auf seinem Interesse an der Psychologie
und den Thesen Sigmund Freuds. Kandel begann 1952 an der New York University Medizin zu studieren, um ursprünglich
Psychiater oder Psychoanalytiker zu werden, entschied sich dann aber dazu, in der Grundlagenforschung tätig
zu werden und sich der experimentellen Untersuchung biologischer und molekularer Vorgänge im Gehirn zu widmen.
Im Jahr 2000 erhielt Kandel den Nobelpreis für Medizin für die Entdeckung, dass Veränderungen in
der Stärke von Verbindungen zwischen Nervenzellen die Grundlage für Lernvorgänge im Gehirn darstellen.
Durch seine Versuche in der Meeresschnecke konnte er weiters zeigen, dass die Veränderung existierender Proteine
für das Kurzzeitgedächtnis notwendig ist, während das Langzeitgedächtnis von einer Veränderung
der Genexpression und der Synthese neuer Proteine abhängig ist. Kandel konnte so nachweisen, wie geistige
Vorgänge biologische Veränderungen produzieren und dass Lernen und Gedächtnis molekulare und anatomische
Veränderung im Gehirn bewirken.
„Eric Kandel ist einer der ganz wenigen lebenden Nobelpreisträger mit Wurzeln in Österreich. Damit allein
ein großes Vorbild von uns allen. Wir haben eine Verantwortung gegenüber jenen, die vertrieben wurden
und die keiner mehr zurückgeholt hat. Eric Kandel verkörpert als Mahner der Republik den Blick zurück
und als erfolgreicher Wissenschaftler und Vorbild den Blick nach vorne“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz.
„Als herausragender Forscher, Humanist und Nobelpreisträger des Jahres 2000 hat Professor Kandel die moderne
Medizin geprägt“, sagte MedUni Wien-Rektor Markus Müller. „Wir sind geehrt, dass er nach den traumatischen
Erlebnissen seiner Kindheit im Wien der 30er-Jahre, die schließlich zur Flucht der Familie mit Emigration
in die USA führten, für uns ein Lehrer und Freund geworden ist. Es ist uns eine große Freude, dass
er dieses Ehrendoktorat als Geste der besonderen Wertschätzung unserer Universität entgegennimmt.“
„Wir alle werden entscheidend von unseren Erinnerungen geprägt. Die Erkenntnisse, die aus der jahrzehntelangen
Forschung von Eric Kandel hervorgehen und Einblicke in die biologischen Fundamente von Lernen und Gedächtnis
bis auf die Ebene einzelner Moleküle gewähren, sind ein Geschenk an die Menschheit.“, sagte Laudatorin
Daniela D. Pollak. Sie war drei Jahre als Postdoktorandin im Labor von Eric Kandel tätig und hat sich dort
mit der Erforschung der molekularen Grundlagen der erlernten Sicherheit im Mausmodell beschäftigt.
Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs-
und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische
Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit 5.500 MitarbeiterInnen, 26 Universitätskliniken und
drei klinischen Instituten, 12 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt
sie auch zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.
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