Brüssel (ec) - Die EU-Kommission will Hinweisgeber künftig mithilfe von am 23. April vorgeschlagenen
EU-weiten Mindeststandards besser schützen. Damit reagiert die Kommission auf Enthüllungen wie Dieselgate,
Luxleaks und die Panama Papers. „Viele der jüngsten Skandale wären nicht ans Licht gekommen, hätten
Hinweisgeber nicht den Mut gehabt, sie zu melden“, so der Erste Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans.
„Wer richtig handelt, sollte nicht bestraft werden. Mit dem Vorschlag werden zudem auch jene geschützt, die
investigativen Journalisten als Quelle dienen und damit dazu beitragen, dass die Meinungsfreiheit und die Medienfreiheit
in Europa gewahrt bleiben.“
Der vorgelegte Vorschlag soll Hinweisgebern, die Verstöße gegen das EU-Recht melden, ein hohes Schutzniveau
anhand EU-weiter Mindeststandards bieten. Mit der neuen Richtlinie werden sichere Kanäle für die Meldung
von Missständen sowohl innerhalb einer Organisation als auch an Behörden geschaffen. Darüber hinaus
werden Hinweisgeber vor Kündigungen, Zurückstufungen und anderen Repressalien geschützt, und nationale
Behörden werden verpflichtet, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und öffentliche Stellen
im Umgang mit Hinweisgebern zu schulen.
Vera Jourová, EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, sagte: „Mit den neuen Regeln
für den Hinweisgeberschutz wird sich das Blatt wenden. In einer globalisierten Welt, in der das Streben nach
Gewinnmaximierung mitunter zulasten der Gesetzestreue geht, müssen wir Menschen helfen, die das Risiko auf
sich nehmen und schwere Verstöße gegen das EU-Recht aufdecken. Das sind wir den ehrlichen Menschen Europas
schuldig.“
Hinweisgeber können dabei helfen, Verstöße gegen das EU-Recht aufzudecken, zu untersuchen und zu
ahnden. Sie tragen außerdem wesentlich dazu bei, dass Journalisten und die freie Presse ihrer grundlegenden
Aufgabe in unseren Demokratien nachkommen können. Darum müssen Hinweisgeber vor Einschüchterung
und/oder Vergeltung geschützt werden. Bürger, die illegale Handlungen aufdecken, sollten dafür nicht
bestraft werden. In der Praxis bezahlen sie jedoch für ihren Einsatz oftmals mit ihrem Arbeitsplatz, ihrem
Ruf oder sogar ihrer Gesundheit. 36 % der Arbeitnehmer, die Verstöße gemeldet haben, berichten von Vergeltungsmaßnahmen
(Global Business Ethics Survey (link is external) 2016). Der Schutz von Hinweisgebern wird auch zum Schutz der
Meinungs- und der Medienfreiheit beitragen und ist für die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie
in Europa von wesentlicher Bedeutung.
Schutz bei Meldungen von Verstößen in zahlreichen Bereichen des EU-Rechts
Der vorgelegte Vorschlag gewährleistet EU-weiten Schutz bei der Meldung von Verstößen gegen das
EU-Recht in den Bereichen öffentliche Auftragsvergabe, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
Produktsicherheit, Verkehrssicherheit, Umweltschutz, kerntechnische Sicherheit, Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,
Tiergesundheit und Tierschutz, öffentliche Gesundheit, Verbraucherschutz, Schutz der Privatsphäre, Datenschutz
und Sicherheit von Netz- und Informationssystemen. Die neuen Vorschriften sollen außerdem bei Verstößen
gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften und die Körperschaftsteuer-Vorschriften sowie bei Schädigungen der
finanziellen Interessen der EU zur Anwendung kommen. Die Kommission empfiehlt den Mitgliedstaaten, über diese
Mindeststandards hinauszugehen und darauf aufbauend umfassende Rahmenbedingungen für den Schutz von Hinweisgebern
zu schaffen.
Klare Mechanismen und Pflichten für Arbeitgeber
Alle Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. EUR müssen
ein internes Verfahren für den Umgang mit Meldungen von Hinweisgebern einführen. Auch alle Landes- und
Regionalverwaltungen und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern werden von der neuen Richtlinie erfasst.
Die erforderlichen Schutzmechanismen sollen Folgendes umfassen:
- klare Meldekanäle innerhalb und außerhalb der
Organisation, um die Vertraulichkeit zu wahren;
- ein dreigliedriges Meldesystem bestehend aus:
- internen Meldekanälen;
- Meldungen an die zuständigen Behörden – wenn interne
Kanäle nicht funktionieren oder nach vernünftigem Ermessen nicht funktionieren können (z. B. wenn
die Nutzung interner Kanäle die Wirksamkeit von Untersuchungsmaßnahmen der zuständigen Behörden
gefährden könnte);
- Meldungen in der Öffentlichkeit/den Medien – wenn nach
der Meldung über andere Kanäle keine geeigneten Maßnahmen ergriffen werden oder wenn eine unmittelbare
oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses oder die Gefahr eines irreparablen Schadens
besteht.
- Rückmeldepflichten für Behörden und Unternehmen‚
die innerhalb von drei Monaten auf Meldungen von Missständen reagieren und sie weiterverfolgen müssen.
- Vermeidung von Vergeltungsmaßnahmen und wirksamer
Schutz: Jegliche Vergeltungsmaßnahmen sind untersagt und sollen geahndet werden. Wenn ein Hinweisgeber Vergeltungsmaßnahmen
erleidet, soll er Zugang zu kostenloser Beratung und angemessenen Abhilfemaßnahmen erhalten (z. B. Maßnahmen
gegen Belästigung am Arbeitsplatz oder zur Vermeidung einer Entlassung). Die Beweislast wird in solchen Fällen
umgekehrt, sodass die von der Meldung betroffene Person oder Organisation nachweisen muss, dass sie keine Vergeltungsmaßnahmen
gegen den Hinweisgeber ergreift. Hinweisgeber werden auch in Gerichtsverfahren geschützt, etwa indem sie von
der Haftung für offengelegte Informationen befreit werden.
Wirksame Sicherungsmaßnahmen
Mit dem Vorschlag werden verantwortungsvolle Hinweisgeber geschützt, die tatsächlich im öffentlichen
Interesse handeln wollen. Daher enthält der Vorschlag auch Sicherungsmaßnahmen, durch die in böser
oder missbräuchlicher Absicht getätigte Meldungen unterbunden und Rufschädigungen vermieden werden
sollen. Für die von der Meldung eines Hinweisgebers betroffenen Personen gilt die Unschuldsvermutung, und
sie haben das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf, ein faires Verfahren und erteidigung.
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