Konjunktur gewinnt an Breite, aber verliert an Kraft

 

erstellt am
24. 04. 18
13:00 MEZ

IV-GS Neumayer: Industrie trägt Hochkonjunktur – Anhaltender Konjunktursommer zumindest bis Herbst – IV-Chefökonom Helmenstein: Gute Auftragslage – Abnehmende Produktionszuwächse
Wien (pdi) - „Die österreichische Industrie durchläuft eine Phase der Hochkonjunktur. In ihrer ganzen sektoralen Breite trägt sie derzeit mehr als 70 Prozent der wirtschaftlichen Expansion im Inland. Infolge dieser Dynamik haben die meisten Branchen eine Dekade nach der – durch die Insolvenz von Lehman Brothers ausgelösten – großen Rezession die früher markierten Höchststände bei der Ausbringung nicht nur wieder erreicht, sondern übertreffen diese inzwischen zum Teil deutlich“, erklärte IV-Generalsekretär Mag. Christoph Neumayer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der Vorstellung der Resultate des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 1. Quartal 2018 am 24. April. „Trotz anhaltend hoher geopolitischer Risken deutet derzeit auf Sicht eines halben Jahres nichts darauf hin, dass sich aus ökonomischen Gründen ein vergleichbarer Einbruch wie im Jahr 2008 wiederholen könnte.“

Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, verbessert sich nochmals um vier Punkte auf nunmehr +47 Punkte. Der Grund dafür ist die Erwartung, dass sich die konjunkturelle Dynamik in den kommenden Monaten zwar nicht mehr erhöhen, aber noch breiter im industriellen Branchenspektrum verankern wird. „Wenngleich die österreichische Wirtschaft erst das dritte Jahr der Expansion erlebt, ist diese Entwicklung geradezu typisch für eine bereits reifere Phase des Konjunkturzyklus. Denn anders als Österreich befindet sich Deutschland je nach Auslegung zumindest im fünften, manche würden meinen sogar im neunten Jahr des Aufschwungs. Aufgrund des Gewichts der größten europäischen Volkswirtschaft und den engen Handelsverflechtungen mit derselben wirkt das dortige zyklische Muster sowohl direkt als auch indirekt über die Konjunkturlage in Zentral- und Osteuropa auf das österreichische Konjunkturbild ein“, so Neumayer, der konstatierte: „Im Ergebnis erwarten wir einen zumindest bis in den Herbst hinein anhaltenden Konjunktursommer, zumal von der flankierenden europäischen Geldpolitik weiterhin expansive Impulse ausgehen.“
Die Ergebnisse im Detail

Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage verharrt auch in seinen Teilkomponenten zum Vorquartal gänzlich unverändert auf einem Niveau von +71 Punkten. Hingegen verbessern sich die Geschäftserwartungen von +16 Punkten auf +23 Punkte. „Der erst zu diesem Termin merklich verringerte Unterschied zwischen dem aktuellen und dem erwarteten Konjunkturverlauf zeugt von der nur allmählich erfolgenden Überwindung des Vertrauensdefizits in die Robustheit der zyklischen Expansion. Dass dafür eine ganze Dekade erforderlich war, unterstreicht retrospektiv nochmals das dramatische Ausmaß des konjunkturellen Fadenrisses, welcher seinerzeit in die große Rezession mündete“, erläuterte Helmenstein. „Bei einem dennoch zu verzeichnenden Unterschied von 48 Punkten zwischen beiden Indikatoren lässt sich mithin bestenfalls von einer zögerlichen Normalisierung des Erwartungsbildes sprechen, während sich nach wie vor keine Anzeichen einer durch Euphorie geprägten Erwartungshaltung zeigen. Letzteres ist eine probate Voraussetzung, um nicht dem Risiko von Überinvestitionen zu erliegen, welches insbesondere bei einem ultraexpansiven geldpolitischen Umfeld wie gegenwärtig bestehen könnte“, so Helmenstein.

Die Gesamtauftragsbestände legen um 4 Punkte von +67 Punkten auf nunmehr +71 Punkte zu. Einen positiven Verlauf, wenngleich auf einem etwas niedrigeren Niveau und wie schon zum Vortermin einen Tick schwächer in der Dynamik, zeigen auch die Auslandsaufträge (+66 Punkte nach +63 Punkten). Die starke Entwicklung letzterer Komponente ist umso bemerkenswerter, als der Euro gegenüber dem US-Dollar binnen eines Jahres um über 13 Prozent aufgewertet hat. Maßgeblich für diesen Befund ist einerseits, dass die gemeinsame europäische Währung derzeit exportstabilisierend wirkt. Aufgrund ihrer nach wie vor ausgeprägten Fokussierung auf die europäischen Absatzmärkte profitiert die österreichische Wirtschaft von der Stabilität des Euro in besonderer Weise. Die Rückkehr der Eurozone auf den Wachstumspfad wird nicht mehr durch Wechselkursschwankungen zwischen den Mitgliedsländern der Eurozone konterkariert. Andererseits wird der – aus der Sicht europäischer Exporteure – wechselkursbedingte Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt bis dato weitgehend von der konjunkturbedingt gestiegenen mengenmäßigen Nachfrage und der damit einhergehenden höheren Zahlungsbereitschaft kompensiert. Letzteres Phänomen hat allerdings lediglich einen vorübergehenden Charakter – schon eine geringfügige globale Abschwächung würde genügen, die Nachfrage nach österreichischen Exportgütern auf außereuropäischen Märkten spürbar zu dämpfen.

Das favorable internationale Konjunkturumfeld nutzend, planen die Unternehmen im Einklang mit der günstigen Auftragslage zwar eine neuerliche Ausweitung ihrer Produktionstätigkeit, doch wird das Expansionstempo deutlich zurückgenommen. Bei der Veränderung des saisonbereinigten Wertes von +33 Punkten auf +25 Punkte handelt es sich um den ersten Rückgang des Indikators seit 8 Quartalen und zugleich um dessen ausgeprägteste Abschwächung seit 15 Quartalen. Somit erfährt die Ausweitung der Industrieproduktion im Vergleich zum jeweiligen Vorquartal nunmehr eine erheblich vorsichtigere Einschätzung – es ist dies ein starkes Indiz dafür, dass die Zunahme der Industrieproduktion im weiteren Jahresverlauf gegenüber den letzten Monaten spürbar an Kraft einbüßen wird.

Bei einer anhaltend hohen Einstellungsneigung in der österreichischen Industrie setzt sich die Beschäftigungsexpansion fort. Der Indikator zur Entwicklung des Beschäftigtenstandes steigt zu diesem Termin auf +30 Punkte nach zuvor +15 Punkten. Während die primär exportorientierten Unternehmen ihren Personalstand schon seit geraumer Zeit aufzubauen bestrebt sind und dabei vor allem von dem ausgeprägten Mangel an Fachkräften beschränkt werden, sind es zu diesem Termin vor allem kleinere Unternehmen, welche nunmehr ebenfalls einen höheren Beschäftigtenstand anstreben.

Bei der Entwicklung der Verkaufspreise erzwingen steigende Marktnotierungen für Industrierohstoffe und Energie eine Kostenüberwälzung, sodass ein Saldo von +8 Punkten nach +17 Punkten resultiert. Die Ära fallender Verkaufspreise für Industriegüter ist Geschichte, doch wird der Anstieg der Verkaufspreise in den kommenden Monaten wettbewerbsbedingt einen eher inkrementellen als sprunghaften Charakter aufweisen.

Vor dem Hintergrund der einerseits günstigen Mengenkonjunktur bei einem andererseits zunehmenden Kostendruck verharrt der Saldo der Ertragslage bei +42 Punkten. Bei einer leichten Rücknahme der Ertragserwartungen von +13 Punkten auf +10 Punkte ist zwar noch mit einer Fortsetzung der zuletzt kräftigen Investitionsaktivität zu rechnen, allerdings dürfte auch hier die Phase ihrer stärksten Zuwächse bereits durchschritten sein.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 407 Unternehmen mit rund 278.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

 

 

 

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