IV-GS Neumayer: Industrie trägt Hochkonjunktur – Anhaltender Konjunktursommer zumindest
bis Herbst – IV-Chefökonom Helmenstein: Gute Auftragslage – Abnehmende Produktionszuwächse
Wien (pdi) - „Die österreichische Industrie durchläuft eine Phase der Hochkonjunktur. In ihrer
ganzen sektoralen Breite trägt sie derzeit mehr als 70 Prozent der wirtschaftlichen Expansion im Inland. Infolge
dieser Dynamik haben die meisten Branchen eine Dekade nach der – durch die Insolvenz von Lehman Brothers ausgelösten
– großen Rezession die früher markierten Höchststände bei der Ausbringung nicht nur wieder
erreicht, sondern übertreffen diese inzwischen zum Teil deutlich“, erklärte IV-Generalsekretär Mag.
Christoph Neumayer in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein bei der
Vorstellung der Resultate des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 1. Quartal 2018 am 24. April. „Trotz
anhaltend hoher geopolitischer Risken deutet derzeit auf Sicht eines halben Jahres nichts darauf hin, dass sich
aus ökonomischen Gründen ein vergleichbarer Einbruch wie im Jahr 2008 wiederholen könnte.“
Das IV-Konjunkturbarometer, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage
und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, verbessert sich nochmals um vier Punkte auf nunmehr
+47 Punkte. Der Grund dafür ist die Erwartung, dass sich die konjunkturelle Dynamik in den kommenden Monaten
zwar nicht mehr erhöhen, aber noch breiter im industriellen Branchenspektrum verankern wird. „Wenngleich die
österreichische Wirtschaft erst das dritte Jahr der Expansion erlebt, ist diese Entwicklung geradezu typisch
für eine bereits reifere Phase des Konjunkturzyklus. Denn anders als Österreich befindet sich Deutschland
je nach Auslegung zumindest im fünften, manche würden meinen sogar im neunten Jahr des Aufschwungs. Aufgrund
des Gewichts der größten europäischen Volkswirtschaft und den engen Handelsverflechtungen mit derselben
wirkt das dortige zyklische Muster sowohl direkt als auch indirekt über die Konjunkturlage in Zentral- und
Osteuropa auf das österreichische Konjunkturbild ein“, so Neumayer, der konstatierte: „Im Ergebnis erwarten
wir einen zumindest bis in den Herbst hinein anhaltenden Konjunktursommer, zumal von der flankierenden europäischen
Geldpolitik weiterhin expansive Impulse ausgehen.“
Die Ergebnisse im Detail
Der Indikator für die aktuelle Geschäftslage verharrt auch in seinen Teilkomponenten zum Vorquartal gänzlich
unverändert auf einem Niveau von +71 Punkten. Hingegen verbessern sich die Geschäftserwartungen von +16
Punkten auf +23 Punkte. „Der erst zu diesem Termin merklich verringerte Unterschied zwischen dem aktuellen und
dem erwarteten Konjunkturverlauf zeugt von der nur allmählich erfolgenden Überwindung des Vertrauensdefizits
in die Robustheit der zyklischen Expansion. Dass dafür eine ganze Dekade erforderlich war, unterstreicht retrospektiv
nochmals das dramatische Ausmaß des konjunkturellen Fadenrisses, welcher seinerzeit in die große Rezession
mündete“, erläuterte Helmenstein. „Bei einem dennoch zu verzeichnenden Unterschied von 48 Punkten zwischen
beiden Indikatoren lässt sich mithin bestenfalls von einer zögerlichen Normalisierung des Erwartungsbildes
sprechen, während sich nach wie vor keine Anzeichen einer durch Euphorie geprägten Erwartungshaltung
zeigen. Letzteres ist eine probate Voraussetzung, um nicht dem Risiko von Überinvestitionen zu erliegen, welches
insbesondere bei einem ultraexpansiven geldpolitischen Umfeld wie gegenwärtig bestehen könnte“, so Helmenstein.
Die Gesamtauftragsbestände legen um 4 Punkte von +67 Punkten auf nunmehr +71 Punkte zu. Einen positiven Verlauf,
wenngleich auf einem etwas niedrigeren Niveau und wie schon zum Vortermin einen Tick schwächer in der Dynamik,
zeigen auch die Auslandsaufträge (+66 Punkte nach +63 Punkten). Die starke Entwicklung letzterer Komponente
ist umso bemerkenswerter, als der Euro gegenüber dem US-Dollar binnen eines Jahres um über 13 Prozent
aufgewertet hat. Maßgeblich für diesen Befund ist einerseits, dass die gemeinsame europäische Währung
derzeit exportstabilisierend wirkt. Aufgrund ihrer nach wie vor ausgeprägten Fokussierung auf die europäischen
Absatzmärkte profitiert die österreichische Wirtschaft von der Stabilität des Euro in besonderer
Weise. Die Rückkehr der Eurozone auf den Wachstumspfad wird nicht mehr durch Wechselkursschwankungen zwischen
den Mitgliedsländern der Eurozone konterkariert. Andererseits wird der – aus der Sicht europäischer Exporteure
– wechselkursbedingte Verlust an preislicher Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt bis dato weitgehend von
der konjunkturbedingt gestiegenen mengenmäßigen Nachfrage und der damit einhergehenden höheren
Zahlungsbereitschaft kompensiert. Letzteres Phänomen hat allerdings lediglich einen vorübergehenden Charakter
– schon eine geringfügige globale Abschwächung würde genügen, die Nachfrage nach österreichischen
Exportgütern auf außereuropäischen Märkten spürbar zu dämpfen.
Das favorable internationale Konjunkturumfeld nutzend, planen die Unternehmen im Einklang mit der günstigen
Auftragslage zwar eine neuerliche Ausweitung ihrer Produktionstätigkeit, doch wird das Expansionstempo deutlich
zurückgenommen. Bei der Veränderung des saisonbereinigten Wertes von +33 Punkten auf +25 Punkte handelt
es sich um den ersten Rückgang des Indikators seit 8 Quartalen und zugleich um dessen ausgeprägteste
Abschwächung seit 15 Quartalen. Somit erfährt die Ausweitung der Industrieproduktion im Vergleich zum
jeweiligen Vorquartal nunmehr eine erheblich vorsichtigere Einschätzung – es ist dies ein starkes Indiz dafür,
dass die Zunahme der Industrieproduktion im weiteren Jahresverlauf gegenüber den letzten Monaten spürbar
an Kraft einbüßen wird.
Bei einer anhaltend hohen Einstellungsneigung in der österreichischen Industrie setzt sich die Beschäftigungsexpansion
fort. Der Indikator zur Entwicklung des Beschäftigtenstandes steigt zu diesem Termin auf +30 Punkte nach zuvor
+15 Punkten. Während die primär exportorientierten Unternehmen ihren Personalstand schon seit geraumer
Zeit aufzubauen bestrebt sind und dabei vor allem von dem ausgeprägten Mangel an Fachkräften beschränkt
werden, sind es zu diesem Termin vor allem kleinere Unternehmen, welche nunmehr ebenfalls einen höheren Beschäftigtenstand
anstreben.
Bei der Entwicklung der Verkaufspreise erzwingen steigende Marktnotierungen für Industrierohstoffe und Energie
eine Kostenüberwälzung, sodass ein Saldo von +8 Punkten nach +17 Punkten resultiert. Die Ära fallender
Verkaufspreise für Industriegüter ist Geschichte, doch wird der Anstieg der Verkaufspreise in den kommenden
Monaten wettbewerbsbedingt einen eher inkrementellen als sprunghaften Charakter aufweisen.
Vor dem Hintergrund der einerseits günstigen Mengenkonjunktur bei einem andererseits zunehmenden Kostendruck
verharrt der Saldo der Ertragslage bei +42 Punkten. Bei einer leichten Rücknahme der Ertragserwartungen von
+13 Punkten auf +10 Punkte ist zwar noch mit einer Fortsetzung der zuletzt kräftigen Investitionsaktivität
zu rechnen, allerdings dürfte auch hier die Phase ihrer stärksten Zuwächse bereits durchschritten
sein.
Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 407 Unternehmen mit rund 278.000
Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt die folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen
werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten)
Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver
und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.
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