Projekt der FH St. Pölten entwickelte Abwehr gegen ungewolltes Audiotracking durch akustische
Cookies
St. Pölten (fh) - Mobiltelefone und Tablets können durch sogenanntes Audiotracking mittels Ultraschall
unbemerkt das Verhalten ihrer BenutzerInnen verfolgen – etwa das Betrachten bestimmter Videos oder den Aufenthalt
an bestimmten Räumen und Plätzen. Im Projekt SoniControl entwickelte die Fachhochschule St. Pölten
eine Methode, wie dieses unbemerkte (und meist ungewollte) Ausspionieren enttarnt und blockiert werden kann. Daraus
entstanden ist die weltweit erste Ultraschall-Firewall, die nun im App Store gratis verfügbar ist.
Die permanente Vernetzung mobiler Endgeräte kann die Privatsphäre der BenutzerInnen gefährden und
zu neuen Formen der Überwachung führen. Neue Technologien wie Google Nearby und Silverpush verwenden
Ultraschalltöne, um Informationen zwischen Geräten über Lautsprecher und Mikrofon auszutauschen
(auch „data over audio“ genannt).
Immer mehr unserer Geräte kommunizieren über diesen unhörbaren Kommunikationskanal. Ultraschallkommunikation
ermöglicht es, Geräte zu koppeln, Informationen auszutauschen, aber auch BenutzerInnen und ihr Verhalten
über mehrere Geräte hinweg zu verfolgen, ähnlich wie mit Cookies im Web. Jedes Gerät mit einem
Mikrofon und einem Lautsprecher kann Ultraschalltöne senden und empfangen. Die BenutzerInnen sind sich in
der Regel dieser unhörbaren und versteckten Datenübertragung nicht bewusst.
Das Projekt SoniControl der FH St. Pölten entwickelte eine mobile Anwendung, die akustische Cookies aufspürt,
die NutzerInnen darauf aufmerksam macht und auf Wunsch das Tracking blockiert. Die App ist damit gewissermaßen
die erste verfügbare Ultraschall-Firewall für Smartphones und Tablets. „Das herausforderndste an der
Entwicklung der App war es, eine Methode zu entwickeln, die unterschiedliche existierende Ultraschallübertragungstechniken
zuverlässig und in Echtzeit erkennen kann“, sagt Matthias Zeppelzauer, Leiter des Projekts und Senior Researcher
in der Forschungsgruppe Media Computing am Institut für Creative\Media/Technologies der FH St. Pölten.
Ausforschen von Interessen und Standort
Ultraschallsignale können für sogenanntes „Cross-device-tracking“ verwendet werden. Damit kann das Verhalten
von Benutzerinnen und Benutzern über mehrere Geräte hinweg verfolgt werden und entsprechende Benutzerprofile
können miteinander verschmolzen werden. So lassen sich akkuratere BenutzerInnen-Profile für zielgerichtete
Werbung und die Filterung von Internetinhalten erstellen.
Akustische Cookies konnten bisher jedoch nicht – so wie ihre elektronischen Gegenstücke beim Besuch von Webseiten
– blockiert werden. „Das Handymikrofon ist oft permanent aktiv, um Sprachbefehle entgegen zu nehmen. Jede mobile
Anwendung, die Zugriff auf das Mikrofon hat, sowie das Betriebssystem selbst können jederzeit das Mikrofon
eines mobilen Endgerätes ohne Benachrichtigung aktivieren, abhören, akustische Cookies erkennen und über
das Internet abgleichen“, sagt Zeppelzauer. Die NutzerInnen werden über diese Informationsübermittlung
im laufenden Betrieb oft nicht informiert. Nur eine permanente Deaktivierung des Mikros hätte bisher Abhilfe
geschafft, wodurch jedoch das Gerät als Telefon unbrauchbar wird.
Maskieren von Ultraschall-Coockies
Im Projekt SoniControl entwickelte Zeppelzauer mit seinen Kollegen Peter Kopciak, Kevin Pirner, Alexis Ringot und
Florian Taurer ein Verfahren, um akustische Datenübertragung zu erkennen und GerätebenutzerInnen zu informieren:
Basis sind Signalverarbeitungsmethoden, die kontinuierlich auf das Ultraschallfrequenzband angewendet werden. Zur
Maskierung und Blockierung des Ultraschalldatenaustauschs werden Störsignale über den Lautsprecher des
eigenen Mobilgeräts gesendet. So können akustische Cookies neutralisiert werden, bevor Betriebssystem
oder mobile Applikationen darauf zugreifen können. BenutzerInnen können Cookies selektiv blockieren,
ohne die Funktionsweise des Smartphones zu beeinträchtigen.
Die für Menschen unhörbare Maskierung der Cookies erfolgt mittels Ultraschall. „Es gibt derzeit keine
Technologie am Markt, die akustische Cookies erkennen und blockieren kann. Die in diesem Projekt entwickelte Applikation
repräsentiert den ersten Ansatz, Menschen die Kontrolle über diese Art des Trackings zu geben“, sagt
Zeppelzauer.
Sämtliche Projektergebnisse und die Applikation wurden öffentlich zur Verfügung gestellt. Das System
ist somit für jede und jeden direkt nutzbar und erweiterbar. Sämtliche Projektergebnisse wurden unter
Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht.
Datenaustausch mittels Ultraschall im Internet of Things
Die Technik wird nun in einem Folgeprojekt weiterentwickelt: Durch Internet-of-Things (IoT)-Technologien kommunizieren
zunehmend mehr Geräte miteinander. Ultraschallkommunikation wird immer häufiger für den Datenaustausch
zwischen Mobiltelefonen und Endgeräten eingesetzt, weil sie unhörbar ist und mit Mikrofon und Lautsprecher
nur ein Minimum an Hardware benötigt. So ist Ultraschallkommunikation eine alternative Technologie für
Ad-hoc-Datenaustausch, Nahfeldkommunikation (NFC) und als Kanal für Zwei-Faktor-Authentifizierung, den Nachweis
der Identität von Nutzerinnen und Nutzern durch Kombination zweier unterschiedlicher und unabhängiger
Komponenten.
Das neue Projekt SoniTalk will Benutzerinnen und Benutzern die volle Kontrolle darüber geben, was von welcher
App gesendet werden darf und soll helfen, die eigene Privatsphäre effektiv zu schützen. SoniTalk setzt
sich ein quelloffenes, transparentes und vollständig privatsphäre-orientiertes Protokoll für Ultraschallkommunikation
zum Ziel. Im Gegensatz zu existierenden proprietären Lösungen für nur einzelne Anwendungen können
BenutzerInnen sämtliche Privatsphäreeinstellungen für jede Anwendung separat verwalten.
SoniTalk will damit die Grundlage für einen neuen freien Standard im Bereich der Ultraschallkommunikation
legen, der sichere Kommunikation ermöglicht und die Privatsphäre der AnwenderInnen schützt. Auf
dieser Basis sollen in Zukunft sichere und transparente Lösungen für Internet of Things (IoT) und Industrie
4.0 entwickelt werden. Sämtliche Projektergebnisse werden auch in diesem Projekt wieder unter Creative-Commons-Lizenz
als Open Source veröffentlicht.
Projekt SoniTalk
Das Projekt wird von der Initiative netidee (www.netidee.at) gefördert. Organisiert und finanziert wird die
Förderaktion von der gemeinnützigen Internet Foundation Austria (IPA).
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