Die brandneue Lehrlingsstudie des Instituts für Jugendkulturforschung in Kooperation mit
der tfactory Trendagentur gibt topaktuelle Einblicke in die Arbeits- und Lebenswelt der österreichischen Lehrlinge.
Wien (jugendkultur) - Eines der Kernergebnisse der aktuellen Lehrlingsstudie ist, dass der durchschnittliche
österreichische Lehrling mit beiden Beinen am Boden steht und pragmatisch ist. Werte, die sein Leben bestimmen,
sind materielle Sicherheit, der Wunsch nach Anerkennung sowie stabile private, berufliche und gesellschaftliche
Verhältnisse. Daraus resultiert ein starkes Bedürfnis nach einem kontinuierlichen und planbaren Leben.
Im Berufsumfeld wünscht sich der Lehrling vor allem eines: Sicherheit. Selbstverwirklichung und Sinnfindung
findet er in der Freizeit und im Konsum.
Trend zur Freizeitidentität und Bedürfnis nach einer guten Work-Life-Balance
Für Lehrlinge ist die Freizeitidentität wichtiger als ihre Berufsidentität. Was sie sind und wie
sie gesehen werden wollen ist in erster Linie eine Folge ihrer Freizeitaktivitäten. Musik, Mode und Online-Kommunikation,
um nur einige Freizeitfelder zu nennen, sind wichtiger für die Sinnfindung als der Beruf. Das führt dazu,
dass Österreichs Lehrlinge immer weniger bereit sind, auf den Großteil ihres privaten Lebens im Austausch
für den Berufserfolg zu verzichten. Karriere ist für sie nur dann erstrebenswert, wenn trotzdem ein erfülltes
Freizeitleben möglich ist.
Und was machen die österreichischen Lehrlinge in der für sie so wichtigen Freizeit? Zu ihren liebsten
Freizeitbeschäftigungen gehören unterschiedliche sportliche Aktivitäten, Aktivitäten mit Freunden
und Freundinnen und die Beschäftigung mit unterschiedlichen Unterhaltungsmedien. So wählen sie bei der
Frage nach den drei liebsten Freizeitbeschäftigungen „Zeit mit Freunden und Freundinnen verbringen“ – für
44 Prozent unter den 3 liebsten Freizeitbeschäftigungen – „sportliche Aktivitäten“ (35 Prozent), „Musik
hören“ (27 Prozent), „Chillen“ (27 Prozent) und „Videospiele spielen“ (22 Prozent) in die Top 5. Unabhängig
von der konkreten Ausgestaltung ist den österreichischen Lehrlingen zudem eine möglichst aktive und soziale
Freizeitgestaltung wichtig. So stimmen zwei Drittel eher der Aussage „Ich versuche, nach der Arbeit/Berufsschule
möglichst viel zu unternehmen.“ als der Aussage „Ich brauche nach der Arbeit/Berufsschule Entspannung und
Ruhe. Nur an freien Tagen unternehme ich etwas.“ zu. Und der Aussage „Meine Freizeit verbringe ich am liebsten
mit anderen.“ stimmen sogar vier von fünf Lehrlingen eher zu als der Aussage „Meine Freizeit verbringe ich
am liebsten allein.“
Bedürfnis nach einer zukunftssichernden Ausbildung
Vor allem der zunehmende Verlust der Arbeitsplatzsicherheit und die zunehmende Sorge, das soziokulturelle Niveau
der Herkunftsfamilie durch eine Lehre nicht mehr halten zu können, bewirken bei Österreichs Lehrlingen
eine zunehmende Verschiebung der Arbeitsmotivation und verändert ihre Anforderungen an Ausbildung und Beruf.
Aufgrund der Gefährdung ihres Lebensideals, das in einem stabilen Leben in der Mitte der Gesellschaft auf
der Grundlage eines klassischen Normalarbeitsverhältnisses besteht, werden Selbstverwirklichungsbedürfnisse
im Beruf zurückgestellt und die Absicherung des sozialen Status und die Planbarkeit des eigenen Lebens treten
als zentrale Motive an ihre Stelle. Lehrlinge suchen bzw. wollen also keinen Beruf erlernen, der mit der Möglichkeit
zur Selbstverwirklichung lockt, sondern einen Beruf, der die von ihnen angestrebte Normalbiographie garantiert.
Für den Großteil der Lehrlinge scheint eine Lehre diese Anforderungen zu erfüllen, so verbinden
beinahe vier von fünf die Lehre eher mit guten als mit schlechten Zukunftschancen und 70 Prozent bringen mit
der Lehre eher ein langfristiges als ein kurzfristiges berufliches Ziel in Verbindung.
Im Zusammenhang mit den Anforderungen von Lehrlingen an ihre berufliche Zukunft verwundert es auch wenig, dass
ihnen auch bei der Wahl des Lehrberufes und des Ausbildungsbetriebes Aspekte besonders wichtig sind, die in der
aktuellen Lebensphase und für die Zukunft Stabilität und Sicherheit versprechen.
Die Gewährleistung einer guten und fundierten Ausbildung als Grundlage für eine sichere Zukunft am Arbeitsmarkt,
die Möglichkeit, im Ausbildungsbetrieb nach Abschluss der Lehre übernommen zu werden und eine möglichst
hohe Lehrlingsentschädigung in der Ausbildung selbst.
So ist es rund 90 Prozent der österreichischen Lehrlinge sehr bzw. eher wichtig, einen Lehrherrn bzw. Ausbildner
zu haben, der ihnen viele Dinge beibringen kann und 80 Prozent ist es sehr bzw. eher wichtig, die Möglichkeit
zu haben, im Betrieb Dinge zu lernen, die über das hinausgehen, was sie für den Lehrabschluss brauchen.
Zudem erwarten sie sich von einem Ausbildungsbetrieb nicht nur auf die Zukunft vorbereitet zu werden, sondern im
besten Fall auch, dass man im Ausbildungsbetrieb selbst den Einstieg ins „richtige“ Berufsleben machen kann. Das
ist vier von fünf Lehrlingen sehr bzw. eher wichtig. Und „last but not least“ ist natürlich Geld immer
ein wichtiger Stabilitäts- und Sicherheitsfaktor. So ist eine hohe Lehrlingsentschädigung für 83
Prozent der Lehrlinge sehr bzw. eher wichtig.
Lehrlinge sehr zufrieden mit der Ausbildungswahl
Wie haben Österreichs Lehrlinge ihren Weg in die Lehre gefunden und wie zufrieden sind sie eigentlich
mit ihrer Entscheidung, eine Lehre zu machen?
Großen Wert legen sie auf alle Fälle darauf, dass sie ihre Entscheidung, eine Lehre zu machen, weitgehend
autonom getroffen haben. Mit dieser Entscheidung sind die Lehrlinge alles in allem recht zufrieden. Drei von vier
Lehrlingen tendieren dazu, wieder eine Lehre zu machen, wenn sie noch einmal wählen müssten. Und auch
ihren Ausbildungsbetrieben stellen die meisten österreichischen Lehrlinge ein gutes Zeugnis aus. Über
70 Prozent geben an, in einem Betrieb mit gutem Betriebsklima und guten Arbeitsbedingungen zu arbeiten. Wenig verwundert
es daher, dass sich zwei von drei österreichischen Lehrlingen tendenziell auch heute wieder für ihren
aktuellen Ausbildungsbetrieb entscheiden würden.
In Fragen der Lehrlingsausbildung, dürfte vor allem die Industrie vieles richtig machen. In dieser Branche
finden sich die zufriedensten Lehrlinge sowohl in Hinblick auf die aktuelle Ausbildungssituation als auch in Fragen,
die den aktuellen Ausbildungsbetrieb betreffen. Aufholbedarf hingegen haben im Vergleich vor allem Ausbildungsbetriebe
aus der Gastronomie und Freizeitwirtschaft. In dieser Branche finden sich überdurchschnittlich viele Lehrlinge,
die mit der aktuellen Ausbildungssituation und ihren Ausbildungsbetrieben unzufrieden sind. Sie verbinden, im Vergleich
zu Industrielehrlingen, aber auch im Vergleich zu Lehrlingen aus dem Bereich des Handwerks und Gewerbes bzw. Handels,
überdurchschnittlich stark negative Eigenschaften mit der Lehre als Ausbildungsform und mit ihrer Arbeit im
Betrieb. Unter ihnen findet sich so auch eine im Vergleich zu den anderen drei Branchen besonders große Gruppe,
die überlegt, die Lehre in ihrem Lehrberuf abzubrechen (einer von fünf) oder die Lehre in einem anderen
Betrieb fortzusetzen (einer von vier).
Alle Themen der „Ersten österreichischen Lehrlingsstudie – Welle 3“
- Zugang und Einstellungen zur Lehre (mit Matura)
- Anforderungen an die Lehre / den Ausbildungsbetrieb
- Zugang und Einstellungen zum Thema Aus- und Weiterbildung
- Bewertung von unterschiedlichen Goodies / Benefits zur Lehrlingsakquise
- Nutzung von YouTube und Instagram: Art der Nutzung, Intensität
der Nutzung und relevante Inhalte
- Nutzung von Messengern (WhatsApp, Snapchat) für die
Lehrlingsakquise und in der Kommunikation mit Lehrlingen
- Bewertung von Kommunikationsmitteln bzw. Kommunikationsästhetiken
für die Lehrlingsakquise
- Kommunikationsprofile für die vier größten
Lehrlingsbranchen: Handwerk und Gewerbe, Handel, Industrie, Freizeitwirtschaft und Tourismus
- Gerechtigkeitsempfinden, Solidarität und soziale Gerechtigkeit
- Bewertung Lehrlinge betreffende politische Forderungen:
Flexible Arbeitszeiten, Arbeitszeitverkürzung, Mindestsicherung, Grundeinkommen
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