Wien (öaw) - Klimawandel war für Schwächung des Osmanischen Reiches im Konflikt mit den Habsburgern
mitverantwortlich, zeigt neue Studie von Naturwissenschaftler/innen und Historiker/innen mit Beteiligung der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften.
Das Ende des 16. Jahrhunderts war in Europa geprägt durch den „Langen Türkenkrieg“ zwischen dem Osmanischen
Reich und der Habsburgermonarchie. Der seit 1593 andauernde Konflikt endete im Jahr 1606 mit einem Friedensschluss
der beiden Kriegsgegner. Wie ein internationales Team von Forscher/innen mit Beteiligung der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften (ÖAW) nun in der Fachzeitschrift „Human Ecology“ berichtet, dürfte dabei
auch das Wetter eine entscheidende Rolle gespielt haben.
Missernten, Rinderpest und Viehsterben lösten Aufstände aus
Im 14. Jahrhundert ging die „mittelalterliche Warmzeit“ langsam in eine sogenannte „Kleine Eiszeit“ über,
die um 1600 ihren Höhepunkt erreichte. Der Klimawandel führte in den Kerngebieten des Osmanischen Reiches
im östlichen Mittelmeerraum zu extremen Kälte- und Dürreperioden. Die Folge waren Missernten, Rinderpest
und Viehsterben. Verschärft wurde die Situation in den betroffenen Gebieten durch den ungebremsten Bedarf
des Osmanischen Reiches an Nahrungsmitteln. Es brachen Hungersnöte und in Anatolien die sogenannten Celali-Aufstände
aus, die von 1596 bis 1610 andauerten. Durch die klimatisch ausgelösten inneren Unruhen, so die Wissenschaftler/innen
um die Klimaforscherin und Erstautorin Elena Xoplaki von der Universität Giessen, sei die Verteidigungsbereitschaft
der Osmanen stark geschwächt und der „Lange Türkenkrieg“ verkürzt worden.
„Damals hatte ganz Europa unter diesen extremen Wetterbedingungen zu leiden. Das Osmanische Reich, das in den Jahrzehnten
zuvor ein starkes Bevölkerungswachstum erlebt hatte, traf es aber besonders hart“, erläutert Byzantinist
und Ko-Autor Johannes Preiser-Kapeller vom Institut für Mittelalterforschung der ÖAW.
Für ihre Studie verglich das interdisziplinäre Team aus Klimatolog/innen, Umweltarchäolog/innen
und Historiker/innen archäologische und historische Erkenntnisse mit paläoklimatischen Daten, die aus
der Analyse von natürlichen „Klimaarchiven“ wie Baumringen oder den Wachstumsspuren in Tropfsteinhöhlen
und von Korallenriffen gewonnen wurden. So begünstigen etwa warme Sommer das Baumwachstum, was sich in dicken
Jahresringen abzeichnet, während kühlere Jahre an schmaleren Ringen ablesbar sind.
Kreuzfahrer hatten mehr Glück mit dem Wetter
Durch diese Methoden konnten die Wissenschaftler/innen beispielsweise auch feststellen, dass die Kreuzfahrer
einige Jahrhunderte vor den Osmanen mehr Glück mit dem Wetter hatten. Einem Aufruf des Papstes folgend eroberten
die Ritter aus Westeuropa im Jahr 1099 Jerusalem und trafen in der Region auf vergleichsweise günstige klimatische
Bedingungen. Dadurch konnten sie im Jordan-Tal den wasserintensiven Anbau von Zuckerrohr betreiben. Der Export
der begehrten Kostbarkeit nach Westeuropa wurde für die christlichen Pilger im Morgenland zu einem lukrativen
Geschäftszweig. „Der Zuckeranbau in großen Plantagen, der später samt der Sklaverei in den Kolonien
in Amerika eingeführt wurde, ist hier erstmals von den Europäern in Übersee erprobt worden“, erklärt
ÖAW-Forscher Preiser-Kapeller.
Den Nachfolgern der Kreuzfahrer machte dann abermals das Wetter einen Strich durch die Rechnung: Die Mamluken,
die zwischen 1260 und 1516 herrschten, betrieben den Zuckeranbau noch weiter, als im 14. Jahrhundert das Klima
immer trockener wurde. Wasser war nun knapp, und der Zuckeranbau ging auf Kosten der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln.
Unruhen und die Pest brachen aus. Diesmal zählten die Osmanen zu den Gewinnern des schlechteren Wetters: Sie
eroberten 1517 das vom Klima geschwächte Reich der Mamluken.
Publikation:
E. Xoplaki, J. Luterbacher, S. Wagner, E. Zorita, D. Fleitmann,
J. Preiser-Kapeller, A. M. Sargent, S. White, A. Toreti, J. F. Haldon, L. Mordechai, D. Bozkurt, S. Akçer-Ön,
A. Izdebski. “Modelling Climate and Societal Resilience in the Eastern Mediterranean in the Last Millennium”, Human
Ecology 2018
https://doi.org/10.1007/s10745-018-9995-9
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