Wien (öaw) - Das weltweite quantenphysikalische Mitmach-Experiment „BIG Bell Test“ sollte 2016 Albert Einsteins
Urteil über die Verschränkung von Teilchen widerlegen. Mit Erfolg, wie nun auch eine Publikation mit
Beteiligung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Fachmagazin „Nature“ bestätigt.
Als „spukhafte Fernwirkung“ tat Albert Einstein einst das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung
von Teilchen ab: Der berühmte Physiker hatte bezweifelt, dass bereits die Messung an einem verschränkten
Teilchen unmittelbar den identischen Zustand bei dem anderen Teilchen festlegen kann, ohne dass eine greifbare
Verbindung zwischen den beiden besteht. In vielen Experimenten konnte die Quantenphysik seither zwar genau das
nachweisen. Dennoch blieben bisher einzelne Schlupflöcher bestehen, sodass Einsteins Urteil nicht ganz entkräftet
werden konnte.
90 Millionen Nullen und Einsen erzeugt
Eines der größten dieser sogenannten „loopholes“ wurde am 30. November 2016 bei dem weltweiten Mitmach-Experiment
„BIG Bell Test“ geschlossen, benannt nach dem nordirischen Quantenphysiker John Stewart Bell: Organisiert von namhaften
wissenschaftlichen Einrichtungen rund um den Globus, darunter auch dem Institut für Quantenoptik und Quanteninformation
(IQOQI) Wien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), nahmen an diesem Versuch auf über
fünf Kontinenten über 100.000 Freiwillige, sogenannte „Bellsters“, teil.
Sie erzeugten in einem eigens entworfenen Online-Game am Computer, Tablet oder Smartphone willkürlich und
unbeeinflusst voneinander über 90 Millionen Nullen und Einsen. Diese wurden dann in Versuchsstationen in Echtzeit
in insgesamt 12 Quanten-Laboren eingespeist. So wurden unter anderem am IQOQI Wien der ÖAW diese Ziffern für
die Einstellung der Messgeräte herangezogen, mit denen die Verschränkung der Lichtteilchen – einmal mehr
– erfolgreich bestätigt werden konnte.
Riesiger menschlicher „Zufallsgenerator“
Was den Clou und zugleich den wissenschaftlichen Wert dieses weltweiten Experiments ausmachte, schildern die beteiligten
Wissenschaftler/innen nun auch im Fachmagazin „Nature“. Bei allen bisherigen Bell-Tests bestand immer noch die
theoretische Möglichkeit, dass die Messung der Teilchen verfremdet sein konnte. So könnte man etwa annehmen,
dass zwischen den bei Experimenten eingesetzten Zufallsgeneratoren und den Teilchen in einer gemeinsamen Versuchsanordnung
eine Verbindung besteht. Durch die Einbeziehung tausender Menschen beim „BIG Bell Test“ konnte dieses Schlupfloch
erfolgreich geschlossen werden, da die menschlichen Entscheidungen komplett unvorhersehbar und unabhängig
getroffen wurden.
„Dass mithilfe der zufälligen Entscheidungen von mehr als 100.000 Menschen die Verschränkung von Teilchen
nachgewiesen werden konnte, zeigt, dass die spukhafte Fernwirkung real ist“, kommentiert ÖAW-Quantenforscher
und Ko-Autor Thomas Scheidl das Ergebnis des „BIG Bell Tests“. Die enormen weltweiten Teilnehmerzahlen an dem Experiment
verdeutlichten zugleich, „wie groß das öffentliche Interesse an der ‚verrückten‘ Welt der Quanten
und ihrer Erforschung ist“, freut sich Scheidl. Auch in Österreich: Mehr als 10.000 „Bellsters“ aus Wien und
allen österreichischen Bundesländern beteiligten sich 2016 virtuell an dem Experiment, das vom spanischen
ICFO – The Institute of Photonic Sciences in Barcelona koordiniert wurde.
Publikation
"Challenging local realism with human choices", Carlos
Abellán, (...) Jorge Fuenzalida, Johannes Handsteiner, Bo Liu, Dominik Rauch, Thomas Scheidl, Rupert Ursin,
Anton Zeilinger (...), Nature, 2018.
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