Justizminister Moser erwartet sich mehr Rechtsklarheit und mehr Rechtssicherheit
Wien (pk) - Ende April hat Justiz- und Reformminister Josef Moser das Zweite Bundesrechtsbereinigungsgesetz
in Begutachtung geschickt. Mit einem Streich sollen mehr als 600 Bundesgesetze und mehr als 1.800 Verordnungen,
die vor dem Jahr 2000 kundgemacht wurden, außer Kraft gesetzt werden. Das sind rund 50% des betroffenen Rechtsbestands.
Außerdem will die Regierung in einem zweiten Schritt zahlreiche Gesetzesbestimmungen, die eine Übererfüllung
von EU-Vorgaben darstellen, streichen. Am 9. Mai fand im Verfassungsausschuss des Nationalrats dazu eine Diskussion
statt. Die Abgeordneten der Koalitionsparteien sehen die Rechtsbereinigung als wichtigen Schritt zu mehr Rechtssicherheit
und Rechtsklarheit, die Opposition fürchtet hingegen, dass dem Vorhaben auch Gesetze zum Opfer fallen könnten,
die noch benötigt werden. Die Begutachtungsfrist für den Regierungsentwurf läuft noch bis zum 1.
Juni, dann soll das Paket dem Parlament vorgelegt werden.
Im Rahmen der Debatte führten die Abgeordneten der Oppositionsparteien einige Normen an, die ihrer Meinung
nach entgegen dem vorgelegten Begutachtungsentwurf noch benötigt werden könnten. So gab Melanie Erasim
(SPÖ) zu bedenken, dass es immer noch Personen gebe, die aufgrund von Bescheiden in Pension gehen. Dafür
würde nun die Rechtsgrundlage entzogen. Außerdem fürchtet sie negative Auswirkungen auf Gemeinden,
die sich bei Entscheidungen auf das Eisenbahnenteignungs- und -Entschädigungsgesetz berufen. Ruth Becher (SPÖ)
sieht die Gefahr von Rechtsunsicherheiten durch die Aufhebung von Straßenabschnitts-Genehmigungen. Nikolaus
Scherak (NEOS) und Alfred Noll (PILZ) verwiesen auf das Linzer Hochschulfonds-Gesetz, auf dessen Basis das – noch
aktive – Kuratorium des Fonds eingerichtet wurde.
Auch grundsätzlich ist die Opposition von der Vorgangsweise der Regierung nicht überzeugt. Johannes Jarolim
(SPÖ) sprach von Zeitverschwendung und einem teuren "Blindflug", der viel koste, aber wenig bringe.
Im Wesentlichen würde nur totes Recht für totes Recht erklärt. Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden,
wäre es seiner Meinung nach außerdem notwendig, nicht nur die weiterhin gültigen Normen, sondern
auch die gestrichenen ausdrücklich im Gesetz aufzulisten.
Dem schlossen sich auch sein Fraktionskollege Thomas Drozda und Alfred Noll an. Noll sieht sich zwar in der Zielsetzung
des Vorhabens mit der Regierung einig, die Herangehensweise ist für ihn allerdings hinterfragenswert. Angesichts
der Menge der Normen sei es schwierig, einen Überblick zu bewahren. Insofern wäre es seiner Meinung nach
zielführend, auch den auszuscheidenden Rechtsbestand anzuführen. Er vermisst außerdem eine schlüssige
Antwort auf die Frage, was passiere, wenn sich hinterher herausstelle, dass zu viele Normen aufgehoben wurden.
"Was ist der konkrete Nutzen am Schluss?" ist auch NEOS-Abgeordneter Scherak skeptisch. Wenn Gesetze
gestrichen würden, die nicht mehr angewendet werden, sei das für die BürgerInnen irrelevant. Was
die Frage des "Gold Plating" betrifft, meinte Scherak, er gehe davon aus, dass das Parlament nur Gesetze
beschließe, die notwendig und nicht überschießend seien.
Wenn man ein Haar in der Suppe suchen wolle, könne man immer eines finden, hielt Josef Lettenbichler (ÖVP)
den Bedenken der Opposition entgegen. Er selbst wertete das Vorhaben als positiven Schritt. Auch Harald Stefan
(FPÖ) hält das Prinzip für sinnvoll, den bestehenden Rechtsbestand zu durchforsten.
Gleiche Vorgangsweise wie beim Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetz
Sowohl ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl als auch Justizminister Josef Moser hoben hervor, dass man
beim Zweiten Bundesrechtsbereinigungsgesetz die gleiche Vorgangsweise gewählt habe wie beim Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetz,
das 1999 beschlossen wurde. Auch damals seien nur die noch weiter gültigen Rechtsvorschriften taxativ im Gesetz
aufgezählt worden. Auf diese Weise seien rund 250 von 500 vor dem Jahr 1946 kundgemachte Normen aufgehoben
worden, erklärte Moser. Damals habe auch SPÖ-Abgeordneter Jarolim das Vorhaben ausdrücklich begrüßt.
Die Befürchtung, dass mit der vorgesehenen Rechtsbereinigung auch Normen aus dem Rechtsbestand ausgeschieden
werden, die man noch brauchen würde, teilt Moser nicht. Er sieht durch den gewählten fünfstufigen
Prozess sichergestellt, dass nichts übersehen wird. Stelle sich beim Begutachtungsverfahren heraus, dass die
eine oder andere Norm noch benötigt wird, werde sie in die Positivliste aufgenommen, versicherte er. Zudem
eröffne die sechsmonatige Legisvakanz die Möglichkeit, auch noch nach der Beschlussfassung des Bereinigungsgesetzes
korrigierend einzugreifen.
Um Rechtsunsicherheit auszuschließen, werden laut Moser darüber hinaus einige zusätzliche Vorkehrungen
getroffen. So soll im Gesetz ausdrücklich normiert werden, dass ausgeschiedene Rechtsvorschriften auf Sachverhalte,
die sich vor 2019 ereignet haben, weiter anwendbar sind. Auch für etwaige ins Leere gehende Gesetzesverweise
wurde Vorsorge getroffen.
Was die auszuscheidenden Normen betrifft, wies Moser darauf hin, dass es sich bei einem großen Teil um Verordnungen
zu Straßenverläufen handle, die aufgrund der Verländerung von Straßen nicht mehr notwendig
sind. Weitere Schwerpunkte betreffen das Haushaltsrecht und die Sozialversicherung. Lediglich je vier mittlerweile
überflüssige Verordnungen stünden in Zusammenhang mit dem Arbeitnehmerschutz und mit dem Umweltschutz.
Moser sieht damit auch das Argument widerlegt, dass die Rechtsbereinigung zu einer Aufweichung des Umweltschutzes
und des Arbeitnehmerschutzes führen könnte.
Grundsätzliches Ziel der Rechtsbereinigung ist es laut Moser, den Rechtsbestand klarer zu machen und die Rechtssicherheit
zu erhöhen, wobei er erneut den Vergleich mit einem Kleiderschrank zog. Wenn man von 5.000 Kleidern 2.500
beseitige, die man nicht mehr brauche, verbessere sich die Übersichtlichkeit. Das gelte nicht zuletzt auch
für die Rechtsdokumentation im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS).
Moser: Etliche Beispiele für unnötiges Gold Plating liegen schon vor
Beim zweiten Schritt der Rechtsbereinigung – Stichwort "Gold Plating" – gehe es darum, Gesetzesbestimmungen
zurückzunehmen, mit denen EU-Normen übererfüllt wurden und bei denen die Kosten gleichzeitig höher
als der Nutzen sind. Bis zum 15. Mai können Moser zufolge derartige Bestimmungen noch eingemeldet werden.
Etliche Beispiele würden bereits am Tisch liegen, sagte er. In einem dritten Schritt will der Reformminister
dann Gesetze verständlicher und lesbarer machen. Zudem gebe es ein Projekt, in dessen Rahmen die öffentlich
Bediensteten aufgefordert seien, einzumelden, wo aus ihrer Sicht Bürokratie reduziert werden könne.
Bekräftigt wurden die Ausführungen Mosers vom Leiter des Verfassungsdienstes Gerhard Hesse. Man habe
ganz bewusst dieselbe Rechtstechnik wie 1999 gewählt, unterstrich er. Vom Standpunkt der Rechtsklarheit sei
es immer besser, jene Normen taxativ aufzulisten, die weiter Rechtsbestand haben, als jene, die aus dem Rechtsbestand
ausgeschieden werden. Zudem habe man aus den Erfahrungen mit dem Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes gelernt
und die von Moser bereits genannten Klarstellungen direkt im Gesetz verankert.
Zuvor hatte SPÖ-Abgeordneter Johannes Jarolim gemeint, dass er seinerzeit für die positive Bewertung
des Ersten Bundesrechtsbereinigungsgesetzes massiv kritisiert wurde und man aus Erfahrungen lernen solle. Ihm zufolge
hat man allein vier ASVG-Novellen benötigt, weil der damals erfolgte Kahlschlag bei den Gesetzen zu groß
gewesen sei
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