Gleichstellung bei Familienbeihilfe gefordert - Alexander Van der Bellen hatte bereits beim
Vorgänger Kiska vor "europarechtlichen Schwierigkeiten" im Zusammenhang mit der Indexierung der
Familienbeihilfe gewarnt
Bratislava/Wien (apa/prk) - Der neue slowakische Ministerpräsident Peter Pellegrini hat am 7. Mai
einen Antrittsbesuch in Österreich begonnen. Am Vormittag wurde er von Bundespräsident Alexander Van
der Bellen empfangen. Themen der Gespräche waren die innenpolitische Situation in der Slowakei, die bilateralen
Beziehungen und die am 1. Juli beginnenden Vorsitze Österreichs in der EU sowie der Slowakei in der Visegrad-Gruppe.
Peter Pellegrini sprach dabei auch die kürzlich von der schwarz-blauen Bundesregierung beschlossene Indexierung
der Familienbeihilfe an. Er forderte nach Angaben der Präsidentschaftskanzlei eine Gleichstellung mit Österreichern
und erklärte, dass die slowakischen Pflegerinnen und Pfleger bei Umsetzung der Maßnahme wieder in die
Slowakei zurückkehren könnten. Laut Alexander Van der Bellen arbeiten tausende slowakische Krankenschwestern
und Pflegerinnen in Österreich.
Alexander Van der Bellen hatte im Februar beim Besuch slowakischen Amtskollegen Andrej Kiska vor "europarechtlichen
Schwierigkeiten" im Zusammenhang mit der Indexierung der Familienbeihilfe gewarnt. Für ihn stünden
die "europarechtliche Bedenken außer Frage", sagte der Bundespräsident unter Verweis auf die
Urteile des Europäischen Gerichtshofs oder ein entsprechendes Gutachten des Deutschen Bundestags. Die Bundesregierung
hält ihr Vorgehen für europarechtskonform und meint, dass die jetzige Regelung eine Schlechterstellung
von Kindern in Österreich gegenüber jenen in Ländern mit niedrigerem Preisniveau bedeute.
Unterschiedliche Positionen nehmen Österreich und die Slowakei auch in Bezug auf die Atomkraft ein. Die Slowakei
betreibt mit Bohunice und Mochovce zwei Atomkraftwerke, um deren Abschaltung sich Österreich schon seit Jahren
erfolglos bemüht.
Bei den Terminen am Montag informierte Peter Pellegrini seinen Gesprächspartner auch über die Prioritäten
des slowakischen Visegrad-Vorsitzes ab Juli. Premierminister Pellegrini sagte zu, den Vorsitz proeuropäisch
anlegen zu wollen. Der Staatengruppe gehört neben der Slowakei auch Tschechien, Ungarn und Polen an. Die vier
Länder eint vor allem die kritische Haltung zur EU-Flüchtlingspolitik und den Verteilungsquoten. Hier
haben sich zuletzt die Positionen zwischen Österreich und der Slowakei angenähert.
Die bilateralen Beziehung zwischen den beiden Nachbarländern sind traditionell gut und eng. Aus wirtschaftlicher
Sicht gehört Österreich seit langem zu den größten Investoren in dem Euro-Land. Rund 2.000
in der Slowakei angesiedelte österreichische Firmen beschäftigen über 40.000 Menschen. Viele Firmen
beklagen jedoch zunehmend einen Fachkräftemangel in der Slowakei.
Innenpolitisch steht der Sozialdemokrat Peter Pellegrini nach eineinhalb Monaten im Amt unter Druck. Ende März
wurde seine neue Regierung nach dem Rücktritt des langjährigen Premiers Robert Fico ernannt, um die Situation
im Land nach dem Mord am Investigativjournalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten zu stabilisieren. Posthum veröffentlichte
Enthüllungen des Aufdeckreporters über Verstrickungen Mafia-naher Unternehmer bis in höchste Ebenen
des Regierungsamtes hatten die Slowakei in eine tiefe politische Krise gestürzt.
Die Kritik der bürgerlichen Opposition, der Medien und die Protest der Bürger haben aber nach dem Regierungswechsel
nicht abgenommen. Oppositionspolitiker weisen auf immer mehr dubiose Geschäfte von Regierungsmitgliedern hin.
Nach wenigen Wochen im Amt ist kürzlich der Innenminister in Pellegrinis neuer Regierung, Tomas Drucker, zurückgetreten.
Seine Nachfolgerin, Denisa Sakova, langjähriges Parteimitglied der Smer-Sozialdemokratie, geriet wegen unklaren
Immobiliengeschäften bereits ebenfalls unter Beschuss.
In der Slowakei stehen weitere Protestveranstaltungen bevor. Bürgerinitiativen sammeln Unterschriften für
Neuwahlen. Die Umfragewerte der Smer sind seit dem Ausbruch der Krise um mehr als fünf Prozentpunkte auf derzeit
nur noch rund 20 Prozent zurückgegangen.
Der 42-jährige Sozialdemokrat Peter Pellegrini war vor seiner Amtsübernahme Vizepremier in Ficos Regierung.
Der studierte Techniker steht für eine junge Politikergeneration. Er gehört zu den populärsten Politikern
der Slowakei, bei den Parlamentswahlen 2016 hatte er über 190.000 Vorzugsstimmen bekommen. Kritiker Ficos
befürchten, dass Peter Pellegrini nur eine Marionette des Ex-Premiers ist, der weiterhin Smer-Chef ist.
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